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"Ich denke das Potenzial habe ich" "Ich denke das Potenzial habe ich": Diego Demme ist bereit für die Nationalelf

08.09.2018, 08:00
Diego Demme
Diego Demme imago sportfotodienst

Leipzig - Länderspielpause. Leipzig trainiert der Rumpf-Kader von Fußball-Bundesligist RB Leipzig. Mit dabei ist Diego Demme, der für den Confed Cup 2017 auch schon eine Einladung von Bundestrainer Joachim Löw bekommen hatte. Über seine Ambitionen und das aktuelle Geschehen bei RB sprach das   26-jährige Urgestein -  seit Januar 2014 in Verein - mit Martin Henkel.

Nach dem WM-Debakel versucht Bundestrainer Joachim Löw gerade einen Neustart mit der Nationalmannschaft. An Sie hat er dabei nicht gedacht. Schmerzt Sie das?
Diego Demme: Nicht wirklich, aber wenn ich die Einladung bekommen hätte, wäre ich natürlich hingefahren. Es ist für jeden Spieler das Größte, für sein Land zu spielen.

Sie waren vergangenen Sommer für den Confed-Cup nominiert, fielen aber während des Vorbereitungslagers mit einer Rückenverletzung aus. Hat es danach nochmal ein Gespräch gegeben?
Demme: Nein. Es gab aber wohl noch eines mit Ralph Hasenhüttl, aber ich weiß nicht mehr, ob mit Joachim Löw oder seinem damaligen Assistenten Thomas Schneider.

Sehen Sie sich in der Nationalelf?
Demme: Ich hatte meine Nominierung. Also: ja. Ich denke, das Potenzial habe ich.

Rechnen Sie nochmal mit einer Berufung?
Demme: Es nützt nichts, darüber nachzudenken. Es bleibt dabei: Bring deine Leistung! Wenn es dann kommt, okay. Und wenn nicht – Ich kann trotzdem gut schlafen. Außerdem kann ich gerade in Ruhe trainieren, das ist auch nicht schlecht.

Das ist die erste Pause nach neun Pflichtspielen für RB aufgrund des frühen Einstiegs in die Qualifikation für die Europa League. Was sehen Sie, wenn Sie zurückblicken?
Demme: Unser Pressing und Umschaltspiel zeigt schon die Handschrift von Ralf Rangnick.

In die Meisterschaft sind Sie mit einem 1:4 gegen Dortmund und einem 1:1 gegen Aufsteiger Düsseldorf gestartet. Ihrem Trainer haben beide Ergebnisse nicht gefallen.
Demme: Natürlich nicht. Die Vorgabe ist das eine, und wir haben sie zu fehlerhaft umgesetzt. Aber die Richtung stimmt. Gerade die ersten 30 Minuten gegen Dortmund waren wir auf einem richtig guten Weg.

Wie erklären Sie sich, dass ein Aufsteiger in Ihr Stadion kommt, und nach 35 Minuten drei Großchancen gegen sie herausspielt?
Demme: Düsseldorf hat das einfach gut gemacht. Die haben hinten wenig Risiko genommen und nach vorn viele Diagonalpässe geschlagen. Das war ein gutes Mittel, um unser Pressing zu umgehen.

Geht das so einfach gegen RB Leipzig?
Demme: Einfach nicht, das hat man in der 2. Halbzeit gesehen. Aber wenn wir den kleinsten Fehler machen, dann kann das bei unserer Spielweise eine große Wirkung haben.

Preisen Sie bei ihrer Spielweise Gegentore per se mit ein? Emil Forsberg hat das „Zocken mit Risiko“ genannt.
Demme: Unser Spiel birgt Risiken, klar. Diagonalpässe hinter unsere Pressingreihen sind durchaus ein Mittel gegen uns. Deshalb dürfen wir sie gar nicht erst zulassen. Und falls doch einer durchkommt, dann muss unsere Restfeld-Verteidigung zur Stelle sein.

In den vergangenen neun Spielen hat RB nur zwei Mal zu Null gespielt. Das sieht nach einem strukturellen Problem aus.
Demme: Ist es aber nicht. Die Tore sind die Folge von kleinen Fehlern, das Pressing nicht so zu spielen, wie man es spielen muss. Aber die kann man abstellen, und die werden wir abstellen.

RB hat den kleinsten Kader der Bundesliga. Es ist auch Absicht dabei. Ralf Rangnick will bei der hohen Spieledichte nach Frische aufstellen. Die Rotation von sieben, acht Spielern, wird also Normalität. Aber das bedeutet auch, dass die Spieler sich in immer neuen Formationen wiederfinden. Begünstigt das Gegentore – oder ist das dafür unerheblich?
Demme: Es ist noch früh in der Saison, um darüber urteilen zu können. So will der Trainer das haben und es wird keinen im Kader geben, der das nicht annimmt. Aber es so zu machen, hat seine Vorteile. Niemand ist überspielt, jeder kommt zum Einsatz, keiner ist frustriert. Und wenn die Belastungssteuerung gut ist und wir verletzungsfrei bleiben, dann reichen 18 Feldspieler aus.

Ihnen ist egal, wer wann neben, hinter oder vor Ihnen spielt?
Demme: Jeder hat seine ein, zwei Positionen auf dem Platz. Das sind nicht fünf oder sechs. Jeder weiß also, welche Aufgaben er hat. Und wenn das jeder weiß, dann braucht man auch keinen festen Nebenmann.

Eine Folge der Frische-Rotation ist, Sie finden sich öfter auf der Bank wieder. Sind Sie ein Bank- Typ?
Demme: Nein! Spiele wie gegen Luhansk, als wir erst in der 90. Minute durch den Elfmeter von Emil gewonnen haben, die muss ich auf der Bank eigentlich nicht haben.

Etwas, was im Zusammenhang mit RB und der Nationalelf debattiert wird, sind Wohl und Wehe von Ballbesitz. Wie stehen Sie dazu?
Demme: Mir ist das zu plakativ. Klar brauchst du Ballbesitzphasen, vor allem, wenn du führst, kannst du den Gegner so sich müde laufen lassen. Das fangen wir gerade auch an zu trainieren. Aber wir sind keine Ballbesitzmannschaft. Wir spielen immer nach vorn, immer vertikal, und das Zuspiel muss eine Situation verbessern. Der Pass sollte also nicht nach hinten gehen.

Niemals?
Demme: (lacht) nicht ohne Not.

Ein anderes RB-typisches Thema sind die Standards. Eine große Schwäche aus der Vorsaison. Wie ist es um die Verteidigung von ruhenden Bällen aktuell bestellt? Gegen Dortmund waren wieder zwei Gegentreffer nach Ecke und Freistoß dabei.
Demme: Es ist schon besser geworden. Aber die beiden Tore waren ein kleiner Rückschlag.

Das Leiden scheint chronisch zu sein. Woran liegt’s? An den vielen eher kleinen Spielern im Kader?
Demme: Wir haben immer zwei große Innenverteidiger auf dem Platz und mindestens einen großen Stürmer. Das muss reichen. Wir anderen sind eh nur zum Blocken da. (lacht)

Bei Ecken gehören Sie zu den Blockern, als Spieler aber sind von zentraler Bedeutung: Sie sind Stellvertreter-Kapitän, wenn Willi Orban nicht spielt. Gefällt Ihnen das Amt?
Demme: Wenn Willi nicht spielt, vertrete ich ihn gern.

Die Konstellation stammt noch aus der Vorsaison. Bleibt es dabei?
Demme: Wir werden kommende Woche den Kapitän wählen. Genauer gesagt, es werden drei sein, weil einer ja nicht immer spielen wird.

Wären Sie gern einer der drei?
Demme: Wenn ich gewählt werde, nehme ich das Amt auf jeden Fall an.

Was macht das Amt mit ihnen? Verleiht es ihnen etwas, was Sie ohne Binde nicht haben?
Demme: Sie meinen Respekt oder ähnliches? Nein, eigentlich nicht. Wer Kapitän ist, geht voran. Und ich mache das auch ohne die Binde.

Es ist Brauch, dass der Kapitän im Umarmungskreis vor einem Spiel zu seinen Mitspielern spricht. Was sagen Sie?
Demme: Ich bin kein großer Redner, aber ich muss auch nicht viel sagen, es sind sowieso alle heiß. Ein, zwei Sätze – „Vollgasgeben!“, das reicht dann schon.

Wenn Sie es sich in Anbetracht der Rotation aussuchen könnten, stünden Sie lieber in einem Europapokalspiel auf dem Platz, im DFB-Pokal mit seinem Alles-oder-Nichts-Modus, oder in einer Meisterschaftspartie?
Demme: Wenn es nach mir ginge, dann würde ich jedes Spiel spielen.

Wie finden Sie ihre Europa-League-Gruppe mit Rosenborg Trondheim, Celtic Glasgow und Salzburg?
Demme: Spannend. Vor allem müssen wir nicht so weit reisen.

Als ihnen Salzburg zugelost wurde, wie war die Stimmung in der Mannschaft?
Demme: Ich hab‘ das mitbekommen, aber ich bin jetzt nicht zu Ilse (Ex-Salzburger Stefan Ilsanker, Anm. Red.) und habe ihn gefragt, wie er das findet.

Tun Sie nur so, oder ist es ihnen tatsächlich egal, dass Sie quasi gegen jemanden aus der Familie spielen? Die teilen sich mit Salzburg den Hauptsponsor und Geburtshelfer.
Demme: Ich registriere das schon, dass das was anderes ist, als auf Trondheim oder Celtic zu treffen. Aber ich freue mich mehr auf den Celtic-Park in Glasgow, als dass ich denke: Wow, Salzburg! Das wird ein ganz normales Spiel, das die unbedingt gewinnen wollen und wir auch.

Ihr ehemaliger Kollege Marvin Compper spielt in Glasgow. Schon Kontakt gehabt?
Demme: Ja, wir haben uns ein paar Nachrichten hin und hergeschickt. Er hat mir Videos gesendet, wenn das ganze Stadion „You‘ll never walk alone“ singt. Das geht schon ab.

A propos Handys: Die sind jetzt in einigen Bereichen der Akademie verboten. Wie finden Sie das?
Demme: Gut. Wir reden automatisch wieder mehr miteinander. Es gibt ja keinen, der gern die Wand anstarrt.

Wie läuft die Kommunikation mit Zugang Marcelo Saracchi? Es heißt, Sie verstehen sich gut und haben sich vom Uruguayer in die Kunst des Mate-Trinkens einführen lassen.
Demme: Stimmt. Cello hat mir was mitgebracht, Mate trinke ich jetzt regelmäßig. Und ja, wir kommen gut miteinander klar. Ich hab‘ ihn schon mal zum Essen eingeladen, er mich auch.

Was gab’s?
Demme: Bei Cello? Asado natürlich, Grillfleisch, Rind.

Wie war’s?
Demme: Ich esse ja eigentlich kaum Fleisch, aber ich habe noch nie besseres gehabt als an dem Abend.

Saracchi scheint auf der linken Abwehrseite wie geschaffen für den Fußball, wie er Ralf Rangnick vorschwebt. Wie lange brauchen Sie noch, um seinen Stil in vollendeter Form auf den Platz zu bringen?
Demme: Wir sind eigentlich schon ziemlich weit. Es fehlen nur noch Kleinigkeiten. Ich hoffe, nächsten Samstag gegen Hannover. Wir brauchen jetzt mal einen Sieg, um eine Serie zu starten.