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Anlagen, Athleten, Fans Olympische Spiele 2018 in Pyeongchang: Was von den Spielen übrig bleibt

Von Max Bosse 25.02.2018, 17:51
Die olympische Flamme ist erloschen, Feuerwerk über dem provisorischen Stadion wird zum Abschluss der Spiele abgefeuert.
Die olympische Flamme ist erloschen, Feuerwerk über dem provisorischen Stadion wird zum Abschluss der Spiele abgefeuert. AFP

Pyeongchang - Für Trophäensammler waren die zwei Wochen in Pyeongchang und Gangneung ein Fest. Sie durften sich wie echte Olympioniken fühlen, denen nichts geschenkt wird. Einer der Hauptsponsoren etwa verteilte auf dem Platz zwischen den Eisarenen Anstecknadeln. Aber selbstverständlich nicht an alle. Nur wer drei auf dem Gelände verteilte Stempel eingesammelt und ein Foto von sich mit dem passenden Schlagwort ins Internet geladen hatte, bekam Zugang in die Schlange. Alle zwei Stunden gab es für die ersten 80 Wartenden Anstecker, 40 weitere bekamen Stifte und der Rest als Trostpreis Sticker.

Es war also keineswegs so, dass die Südkoreaner nicht bereit waren, Unbill in Kauf zu nehmen bei dieser 23. Ausgabe der Winterspiele, die in einem Recyclingstadion begann und dort am Sonntag mit einer freudigen Hüpferei derjenigen endete, um die sich zwei Wochen lang alles gedreht hat. Und auch drehen sollte: den Athleten.

Zum Abschied, als das olympische Feuer bereits erloschen war, spendierten die Organisatoren den Sportlern eine Party, sie durften zu elektronischer Musik all die Freude raustanzen, die die Erfüllung eines Lebenstraums eben auslöst. Dabei gewesen zu sein, ja vielleicht sogar eine Medaille gewonnen zu haben bei Olympischen Spielen.

Kurze Wege, perfekte Organisation

Es steht außer Frage, dass die Veranstalter nicht nur den Souvenir-, sondern auch den Medaillenjägern die Bühne gegeben haben, die sich Athleten und Internationales Olympisches Komitee (IOC) gewünscht haben. Ab und zu blies der schneidend kalte „Messerwind“ kal-baram etwas zu wild über Sprungschanzen oder das, was ihm noch so in den Luftraum gebaut worden war. Insgesamt war es dennoch eine Sportfeier, bei der alles für die Aktiven getan wurde. Kurze Wege, perfekte Organisation, bestens präparierte Wettkampfstätten, all das machte Pyeongchang zum Quell der Emotionen.

Wie es Tradition ist, haben sich IOC und lokales Organisationskomitee beeilt, vor dem Schlussakt noch ein paar Rekorde zu verkünden. So viele Athleten wie nie waren dabei (2920), aus mehr Ländern als je zuvor (92) und der Ticketabsatz habe auch die Erwartungen übertroffen: 92 Prozent der knapp 1,2 Millionen Eintrittskarten seien verkauft worden. Wobei festzuhalten ist, dass die wohlweißlich klein gehaltenen Stadien keineswegs annähernd in dem Maße ausgelastet waren, wie es die offiziellen Verkaufszahlen vermuten ließen.

Während die Veranstaltungen in den Eishallen in Stadtnähe gerne besucht wurden, war in den Bergen gerade bei den traditionellen Disziplinen oft Lokalsportstimmung. „Das haben unsere Sportlerinnen bei Olympischen Spielen nicht verdient“, hatte Frauen-Biathlon-Bundestrainer Gerald Hönig zu Beginn geklagt. Nach und nach lernten die heimischen Fans zwar was, sich hinter diesem Langlaufen mit Gewehr verbirgt und den anderen exotischen Sportarten wie Ski alpin oder Skispringen. Außerdem lockten Fotostationen mit Maskottchen. Doch Begeisterung brach sich dennoch nicht bahn.

Kniefall vor dem Publikum in Amerika und Europa

Vorzuwerfen ist das nicht den Südkoreanern, sondern dem IOC. Das Imperium, dem der frühere deutsche Fechter Thomas Bach vorsteht, möchte so gerne mehr Menschen in die olympische Gemeinde eingliedern. Gleichzeitig aber macht das IOC einen Kniefall vor der treuen Anhängerschaft in Europa und den USA mit ihren finanzkräftigen TV-Anstalten. Eiskunstlaufen, Eishockey und Freestyle am Morgen, damit in den USA abends vor dem Bildschirmen gejubelt werden kann, die deutschen Medaillendisziplinen fast allesamt am koreanischen Abend.

Mit dem Kompromiss haben die Herren der fünf Ringe dafür gesorgt, dass die meisten Veranstaltungen in den mit Partymusik beschallten Hallen zu den schönsten Sonnenstunden abgehalten wurden. Die Außenwettbewerbe hingegen nach Sonnenuntergang in den dann noch bitterkälteren Bergen. Das war dann den Einheimischen doch ein bisschen zu viel des Unbill, um nach dem Abendessen ein paar Menschen auf Ski in den Wald verschwinden zu sehen. Zumal ein Sitzplatz beim Biathlon 75 Euro kostete. Dafür, dass man bei den Ski-Abfahrten sitzend auf die Videoleinwand starren durfte, waren übrigens 100 Euro fällig, die Tickets für das Eishockeyfinale lagen zwischen 230 Euro und 680 Euro.

Dem Siegestaumel tut es letztlich keinen Abbruch, wenn nur wenige zuschauen. Aber der fernsehfreundliche Zeitplan schlug den Sportlern doch auf den Magen. Der Franzose Martin Fourcade hat Pyeongchang schon geliebt, ehe er hier dreifacher Olympiasieger wurde. „Es ist ein wunderbares kleines Biathlonstadion und eine tolle Strecke“, sagte er. Nur sei es sehr schwierig, so spät zu laufen. „Aufgrund der Tageszeit fühlen wir uns müde und versuchen, Energie für den Abend zu sparen.“ Die deutschen Biathleten verordneten sich entsprechend einen Arbeitstag, der erst um 12 Uhr mit dem Frühstück begann und nachts um drei Uhr mit dem Zähneputzen endete. Mehr Dunkelheit ging nicht in den zwei Olympiawochen, in denen eigentlich immer die Sonne schien.

Ein Museum bleibt von den Spielen

„Das IOC hat klargemacht, dass wir 2026 in ein traditionelles Wintersportland zurückkehren möchten“, sagte Thomas Bach zum Abschied. Da der Olympiatross vielerorts in Europa aber nicht mehr willkommen ist, müsste erstmal viel dafür getan werden, dass Olympische Spiele nicht mehr nach Geldvernichtung aussehen.

10,1 Milliarden Euro sollen offizieller Angaben gemäß insgesamt für die Spiele in Südkorea ausgegeben worden sein, ein Viertel der Summe aus Sotschi. Der Großteil davon für Infrastrukturmaßnahmen, der reine Organisationsetat liegt bei etwa 2 Milliarden Euro. Das Organisationskomitee freut sich darüber, dass die Ausgaben gedeckt seien und die Nachhaltigkeit gewährleistet werde. Das Olympiastadion wird abgebaut, es bleibt ein Museum übrig. Allerdings ist es auch so, dass es für drei der teuersten Wettkampfstätten keine weitere Verwendung gibt: Das Eishockeystadion, die Alpinstrecke und die Eisschnelllaufarena haben die Hälfte der 680 Millionen Euro verschlungen, die in den Bau von Veranstaltungsorten investiert wurden.

Ein Trippelschritt in die richtige Richtung

Das IOC hat Olympia über die Jahrzehnte größer, greller kurzum gigantischer gemacht. In Pyeongchang wurde ein Jahrhunderte alter Wald abgeholzt und eine Skicrossstrecke der Superlative gebaut. Hier ein Big Air für Snowboarder einfügt, dort ein Teamwettbewerb für Skifahrer. Dennoch waren die Spiele in Südkorea mit ihrer Athletenfokussierung und einer gewissen Bescheidenheit ein Trippelschritt in die richtige Richtung. Allerdings scheint der IOC-Chef das etwas anders zu sehen. Bei einem Besuch im chinesischen Haus sagte Thomas Bach, er wolle das Kind Olympia in einem „gesunden und erfolgreichen Zustand“ übergeben. „Wir hoffen, dass China es noch stärker, noch größer und noch universeller machen wird“, fügte er an. 2022 wird in Peking (und 200 Kilometer entfernt der Hauptstadt) über Eis und Schnee geschlittert.

Noch größer also, noch stärker. Dabei wäre eher eine Programmreduzierung der bessere Weg. Die Sportler selbst würden es zwar nie zugeben, aber sechs Biathlonrennen in zwei Wochen mit dem ganzen olympischen Trara drum herum sind selbst einer Laura Dahlmeier zu viel.