Nach Prozesspleite Nach Niederlage vor dem BGH: Claudia Pechstein ätzt gegen Flüchtlinge

Karlsruhe - Das Entsetzen stand Claudia Pechstein ins Gesicht geschrieben. Wortlos und mit verbissenem Gesicht vernahm die Eisschnelllauf-Olympiasiegerin die Worte der Richterin und verschwand zunächst sofort wortlos aus dem Gerichtssaal.
In weniger als zehn Minuten hatte Bettina Limperg, die Präsidentin des Bundesgerichtshofes (BGH), in ihrer Urteilsbegründung alle Träume der Eisschnelllauf-Olympiasiegerin auf die Wiederherstellung ihres durch eine Doping-Sperre angeschlagenen Rufes und die Hoffnungen auf Schadenersatz in Millionenhöhe zerstört. „Im Gesamtbild ist der Internationale Sportgerichtshof CAS unabhängig und neutral. Er ist ein echtes Schiedsgericht“, begründete die Richterin in Karlsruhe.
Pechstein zieht wirren Vergleich mit Flüchtlingen
Rund 50 Minuten zog sich Pechstein am Dienstag mit ihren Anwälten zurück, dann trat sie vor die TV-Kameras. „Jeder Flüchtling, der in Deutschland einreist und registriert wird, genießt Rechtsschutz. Aber wir Sportler nicht“, beklagte die Berlinerin, nachdem ihr durch den BGH die Möglichkeit verwehrt wurde, in dieser Sache vor deutschen Zivilgerichten zu klagen. „Ich habe mich hier gefühlt wie vor dem Internationalen Sportgerichtshof“, kommentierte sie. „Ich hatte immer einen festen Glauben in die deutsche Justiz. Der hat jetzt aber einen Dämpfer erhalten.“Der CAS sei „kein unabhängiges Gericht“, fügte sie hinzu und kündigte an: „Ich werde eine Sportlergewerkschaft gründen.“
Als Ohrfeige betrachtete Pechstein die Begründung des Gerichts, sie habe die Schiedsgerichtsvereinbarung freiwillig unterschrieben. „Das ist eine Farce.“ Jeder wisse, dass ein Sportler nicht an internationalen Wettbewerben teilnehmen dürfe, wenn er die Athletenvereinbarung nicht unterzeichne.
Mit dem Urteil müssen sich Sportler auch künftig allein der Sportgerichtsbarkeit unterwerfen. Wahlmöglichkeit zwischen Sportschieds- und Zivilgerichten gibt es für sie weiterhin nicht. Das höchste deutsche Zivilgericht wies Pechsteins Schadenersatzklage gegen den Eislauf-Verband ISU zurück, die zuvor vom Oberlandesgericht München angenommen worden war. Die ISU war dagegen in Revision gegangen.
„Bürger zweiter Klasse“
„Wir sind tief enttäuscht. Das war noch nicht das letzte Wort“, reagierte Pechsteins Anwalt Thomas Summerer. „Der BGH hat die Bedeutung und die Tragweite der Grundrechte für Sportler völlig ignoriert“, sagte Summerer und sprach von einem „mutlosen“ Gericht. „Das Urteil hat gezeigt, dass Sportler nun Bürger zweiter Klasse sind. Sie werden schlechter behandelt als alle anderen Bürger dieses Landes.“
Pechstein, die sich mit ihrer Klage gegen ihre Doping-Sperre durch die ISU ohne positiven Befund wehrte, kann nun am Oberlandesgericht München nicht neu aufgerollt werden. Sie kündigte daher an, sich nun an das Bundesverfassungsgericht zu wenden. Internationale Hämatologen hatten den Nachweis geführt haben, dass ihre Blutwerte nicht durch Doping, sondern eine von Vater geerbte Blutanomalie hervorgerufen worden waren.
ISU-Anwalt Christian Keidel räumte ein, ein „Urteil in dieser Deutlichkeit“ nicht erwartet zu haben. „Dass die Frau Pechstein nicht aufgibt, war zu erwarten. Vor dem Bundesverfassungsgericht dürfte es allerdings noch schwieriger werden. Aber es wird wahrscheinlich eine ähnlich intensive Schlacht werden, wie es bis jetzt der Fall war.“
„Ein guter Tage für den Sport“
Auf die Frage, ob es für die Verbände ein Tag zum Feiern sei, sagte Keidel: „Nein, das würde ich nicht so sagen. Es wurde im ganzen Prozess aber eigentlich nicht in Frage gestellt, dass wir die Sportschiedsgerichtbarkeit brauchen. Deswegen ist es ein guter Tag für den Sport.“
Bedauern äußerte indes Sportrechtler Michael Lehner. „Zunächst einmal sind alle Reformbestrebungen, die man auch im Sport vernommen hat, beendet“, erklärte der Heidelberger. „Ich meine schon, dass der BGH eine Chance nicht wahrgenommen hat, das Verhältnis zwischen staatlichem Recht und vereinsautonomen Sportrecht im Sinne der Athleten, im Sinne des kleinen Mannes vor den Monopolverbänden zu korrigieren“, sagte Lehner. Niemand im internationalen Sport sehe sich nun veranlasst, die Struktur des Sportgerichtshofes CAS zu ändern. „Das bedauere ich sehr.“ (dpa)