1. MZ.de
  2. >
  3. Sport
  4. >
  5. MEC Saale Bulls
  6. >
  7. Karriere mit Widerständen: Saale Bulls: Warum sich Nick Miglio in Halle so wohlfühlt

Karriere mit Widerständen Saale Bulls: Warum sich Nick Miglio in Halle so wohlfühlt

Von Fabian Wölfling 29.11.2019, 08:54
Nick Miglio beim Gespräch mit der MZ auf dem Weihnachtsmarkt in Halle.
Nick Miglio beim Gespräch mit der MZ auf dem Weihnachtsmarkt in Halle. Holger John / VIADATA Photo

Halle (Saale) - Wie ein verbitterter Mann wirkt Nick Miglio nun wirklich nicht. Ganz im Gegenteil: Der 28-Jährige erfreut sich gerade am Weihnachtsmarkt, der seit Dienstag in Halle, seiner Heimat für diese Spielzeit, geöffnet ist. „Ich mag den sehr“, sagt der Eishockeyspieler der Saale Bulls bei einem Cappuccino, einen Tag vor dem Heimspiel gegen Tilburg. „Generell liebe ich Halle, es ist eine richtig schöne Stadt. Dazu läuft es auf dem Eis großartig.“ Das Leben als Eishockey-Profi, es ist gerade gut zum US-Boy.

Mit den Bulls reitet Miglio, der als Ersatz für den verletzten Tyler Mosienko verpflichtet wurde, gerade eine fünf Spiele andauernde Siegeswelle. Acht Scorerpunkte hat er in der Zeit gesammelt, darunter zwei Tore beim Derbysieg gegen Leipzig. „Dazu habe ich bei der vorletzten Auswärtsfahrt 110 Euro beim Kartenspielen im Bus gewonnen“, erzählt Miglio, ein begeisterter Hobby-Pokerspieler, und grinst.

Nick Miglio: Sein Vater John war Baseball-Profi

Wer den Mann nun aber für einen Zocker hält, der irrt. Neben dem Eis vielleicht. Ganz sicher nicht darauf. Da ist Miglio einer, der hart arbeitet. Der gelernt hat, sich durchzukämpfen. Gegen alle Widerstände und Zweifel.

Dass Miglio überhaupt dem Eishockey verfallen ist, war bereits äußerst unwahrscheinlich. Er stammt aus San Antonio. Die Stadt in Texas ist bekannt für sein Basketballteam, den mehrfachen NBA-Meister Spurs. Die Kids spielen hier auch noch Football oder, wie auch Nicks Vater John, Baseball.

„Er war 14 Jahre Profi“, erzählt Miglio Junior. „Ich folge also seinen Fußstapfen, aber eigentlich auch wieder nicht.“ Denn Nick Miglio ist der Erste aus San Antonio, der es zum Eishockeyprofi geschafft hat. „Ich war als Fünfjähriger bei einem Profispiel und sofort total begeistert. Am Tag danach hat mich mein Vater für einen Eislaufkurs angemeldet“, erzählt er über die Initialzündung.

Nick Miglio biss sich gegen viele Widerstände durch

Fortan ist Miglio praktisch nur noch in der Eishalle. Er hat Talent, träumt von einer Profikarriere. Aber mit 16 Jahren erlebt er als Teenager die erste schwere Enttäuschung. Miglio spielt für das Juniorteam der San Antonio Rampage, dem Profiteam seiner Heimatstadt, vor. Ohne Erfolg.

„Aber nicht, weil ich nicht gut genug war“, betont Miglio. „Sondern weil mein Vater nicht für Eishockey-Kurse mit dem Coach bezahlen wollte, sondern einen anderen Coach ausgewählt hat. Das war sehr frustrierend.“

Solche Widerstände begleiten Miglio fortan. Und während er sie so mit seiner ruhiger Stimme in Gänze ausbreitet, wundert man sich, dass er nie frustriert den Schläger in die Ecke geschmissen hat. „Dafür liebe ich das Spiel einfach zu sehr“, erklärt er. Also macht er immer weiter.

Auch ein Kreuzbandriss kann Nick Miglio nicht stoppen

Miglio findet zunächst ein anderes Juniorteam. Schafft es dann in die NAHL, eine Topnachwuchsliga in Amerika. Obwohl er als letzter Spieler bei der jährlichen Talentwahl gezogen wird. Von einem Team in North Dakota. „Ich habe meine Tasche gepackt, als würde ich es in das Team schaffen. Ich habe einfach an mich geglaubt.“ Mit Recht. Er sticht höher eingeschätzte Spieler aus und empfiehlt sich in der NAHL für ein Universitätsstipendium als Eishockeyspieler.

Nach fünf Siegen in Serie unter dem neuen Trainer Ryan Foster wartet auf die Saale Bulls am Freitag im Eisdom (20 Uhr) mit Tabellenführer Tilburg Trappers ein echter Prüfstein. „Da werden wir sehen, ob wir ein Top-Drei-Team sind“, sagt Foster. Die Niederländer liegen in der Tabelle 14 Punkte vor den Bulls, haben erst zwei Spiele verloren. Mit 85 Toren stellen sie den besten Angriff der Liga. „Das ist aber kein Überteam“, betont Nick Miglio, „Wir sind genauso gut, haben das Momentum.“ Das erste Duell in Tilburg verloren die Bulls, noch unter Herbert Hohenberger, mit 3:6.

Nach der Collegezeit muss er sich erneut beweisen. Immer wieder vorspielen. „Ich bin mal für ein Probetraining in South Dakota tausende Meilen durch die USA gefahren, obwohl mir die Trainer keine Garantien gegeben haben.“

Auch als er nach einem Kreuzbandriss in seiner ersten Saison in der ECHL, der drittstärksten Liga in Nordamerika, im Jahr von Team zu Team weitergereicht wird, gibt Miglio nicht auf. Aber er fasst den Entschluss, nach Europa zu gehen: „In der ECHL kannst du jederzeit gefeuert werden, ohne Garantien. Das ist echt verrückt“, sagt er.

Saale Bulls geben Nick Miglio die nötige Sicherheit

Verrückt aber auch, wie er letztlich in Europa einen festen Klub findet. Miglio spielt in Hannover, Selb und Bayreuth kürzer oder länger vor, aber erst bei den Moskitos Essen in der Oberliga darf er bleiben. Und glänzt mit 51 Scorerpunkten in 34 Spielen.

Es ist das Empfehlungsschreiben für das Engagement bei den Bulls. Hier schätzt Miglio, der Husky Rocco bei der Familie in San Antonio zurückgelassen hat, die Sicherheit und das Vertrauen: „Du hast eine Wohnung, ein Auto und musst nicht jeden Tag Angst haben, gefeuert zu werden. Du kannst dich einfach auf den Sport konzentrieren.“ Für Verbitterung ist da gerade wirklich kein Platz.

(mz)

Beim 4:3-Derbysieg gegen Leipzig Anfang November erzielte Miglio seine ersten Tore für die Saale Bulls.
Beim 4:3-Derbysieg gegen Leipzig Anfang November erzielte Miglio seine ersten Tore für die Saale Bulls.
holger John