"Viele haben ein falsches Bild von ihm" Saale Bulls: Kai Schmitz vor beeindruckendem Jubiläum in Halle

Halle (Saale) - Diese kleine Stichelei gegen Kai Schmitz konnte sich Moritz Müller nicht verkneifen. In einer Videobotschaft gratuliert der Kapitän der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft dem 35-Jährigen zu seinem am Sonntag in Erfurt anstehenden Jubiläum: dem 500. Spiel.
„Das ist eine tolle Zahl. Ich denke, es hätten noch ein paar mehr sein können, wenn du ab und zu deine Handschuhe angelassen hättest“, sagt Müller breit grinsend.
Er spricht damit ein schräges Markenzeichen des Kapitäns des Oberligisten Saale Bulls an: Seine Emotion, die oft in Prügeleien mit Gegenspielern endeten - und damit in Spielsperren als Strafe.
„Ich habe von dem Image gelebt, dass die Leute keinen Bock hatten, gegen mich zu spielen. Ich bin schon ein dreckiger Spieler“ sagt Schmitz ehrlich - und klingt sogar stolz. Schließlich hat er sich diesen Ruf, der ihm bei den Fans den Spitznamen „Hooligan“ und über 1.500 Strafminuten eingebracht hat, mit körperlicher Robustheit und verbalen Scharmützeln über viele Jahre erarbeitet.
Kai Schmitz lehnte Vertrag bei Kölner Haien ab
„Aber wenn ich die Zahl 500 höre, denke ich sofort, dass es auch durchaus schon 600 Spiele hätten sein können“, sagt der Verteidiger lachend. Fügt aber mit dem nötigen Ernst an: „Ich bin, so wie es gelaufen ist, zu 100 Prozent glücklich. Ich würde alles wieder genauso machen.“
Also auch die Chance, eine Karriere in der ersten Liga zu starten, abzulehnen. Als Nachwuchsspieler in der U18 beim Prestige-Klub Kölner Haie war der Weg zu den Profis bereits geebnet.
Doch Schmitz wollte lieber zu seinen Freunden, sagte ab und wechselte in die fünfte Liga zu Bergisch Gladbach: „Die haben mir immer erzählt, was sie da für einen Spaß haben - das wollte ich auch“, so Schmitz.
Saale-Bulls-Idol Kai Schmitz: „Halle ist für mich Heimat geworden“
Natürlich gebe es Momente, in denen diese typischen „Was-wäre-wenn“-Gedanken aufkommen. „Aber ich wollte immer da bleiben, wo ich mich wohlfühle.“ Auch deshalb hatte er Angebote aus der zweiten Liga in den vergangenen Jahren immer wieder abgelehnt, blieb den Saale Bulls eine Liga niedriger treu: „Halle ist für mich Heimat geworden. Ich habe hier ein Haus, fühle mich richtig wohl.“
An der Saale ist der Linksschütze Kult, absolvierte seit seinem ersten Wechsel 2005 (insgesamt drei Jahre Unterbrechung) bislang inklusive Test-Duellen 498 Spiele für die Saale Bulls. Und er ist seit diesem Sommer auch Sportchef.
„Es ist sehr beeindruckend, wie du deinen Weg in Halle gegangen bist, was du dir da aufgebaut hast und wie du dem Klub da weiterhilfst“, ist sein guter Freund Moritz Müller, mit dem Schmitz in corona-freien Sommerpausen in Köln regelmäßig auf dem Eis steht, beeindruckt.
Kai Schmitz „ist in manchen Bereichen ein Nerd“
Schmitz sagt: „Ich lebe diesen Verein. Wenn jemand etwas Schlechtes sagt, ist es als würde er meine Familie beleidigen. Ich fühle mich dann persönlich angegriffen.“
Es ist eine Identifikation mit dem Arbeitgeber, die es selten gibt. „Er ist sehr loyal“, berichtet Präsident Daniel Mischner. Beide verbindet nicht nur die Arbeit - sondern auch eine Freundschaft. „Wir kennen uns seit 15 Jahren, da hat sich das entwickelt“, so Mischner. Der deshalb auch sehr gut von den für Außenstehende unbekannten Eigenheiten des Profis berichten kann: „Kai ist in manchen Bereichen ein Nerd.“
So lege Schmitz sehr viel Wert auf Pünktlichkeit: „Er ist immer fünf Minuten zu früh. Ich dagegen komme auch mal etwas zu spät“, was schon für einige Diskussionen geführt habe, plaudert Mischner gut gelaunt aus dem Nähkästchen.
Daniel Mischner über Kai Schmitz: „Viele haben ein falsches Bild von ihm“
Wer dem „Harmoniemensch“ Schmitz, so der 43-Jährige, die Laune verderben will, der „muss ihm nur aus Versehen auf seine weißen Schuhe treten. Er hat einen Reinheitstick.“ Deshalb sei auch Schmitz’ Auto „immer sauber“.
Eine Geschichte hat Mischner noch, die eine nicht für möglich gehaltene Seite des Athleten zeigt, wenn man nur den knallharten Auftritt auf dem Eis kennt: „Als wir auf einer Veranstaltung waren, hatten unsere Begleitungen die Tickets bei sich. Kai und ich sind mit ein paar Metern Abstand hinter ihnen hergelaufen.“
Aus Sorge davor, sie könnten getrennt werden und dann keine eigenen Karten vorweisen, „ging Kai lieber noch einmal an die Kasse und kaufte ein neues Ticket für sich, statt es den Sicherheitsleuten zu erklären, wo unsere Karten sind“, ist das Gründungsmitglied der Saale Bulls noch immer erstaunt über diese Aktion. Das Raubein Schmitz kann also auch ganz anders, ist stellenweise sogar schüchtern. „Viele, die ihn gar nicht kennen, haben ein falsches Bild von ihm“, sagt Mischner.
Kai Schmitz: Seine Art und Weise polarisiert
Dieses „falsche Bild“ vom knallharten Eishockeyspieler beruht nicht nur auf der Spielweise. Schmitz ist auch dafür bekannt, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Was ihm nicht passt und was er denkt, wird klar angesprochen: „ So etwas gibt es heutzutage leider nicht mehr“, bedauert er.
Deshalb sei die Suche nach solchen Spielertypen für die Saale Bulls auch erfolglos: „Du findest solche Charaktere nicht mehr. Jetzt geht es nur noch darum, keine Angriffsfläche mehr zu bieten. Das ist nicht meine Art, auch wenn ich damit polarisiere.“
Comeback beim Derby-Sieg gegen Leipzig als Karriere-Highlight
Doch die große Mehrheit der Fans steht hinter dem „Hooligan“. Was auch damit zu tun hat, dass er sich immer für das Team aufopfert, deshalb auch keine Rücksicht auf seinen Körper nimmt. So wie in dieser Woche in der er trotz Gehirnerschütterung seit Mittwoch wieder trainiert, um am Freitag zu Hause gegen Herne (20 Uhr) und Sonntag - beim Jubiläum - in Erfurt (16 Uhr) spielen zu können.
Oder im Januar 2019 als er trotz noch nicht verheiltem Achillessehnenriss mit Schmerzen im Derby gegen Leipzig auflief. „Ich bin in die Halle gehumpelt“, erinnert sich Schmitz. Doch er biss sich durch und traf beim 4:3-Erfolg im Eisdom sogar zum 2:1. „Dieses Video schaue ich mir heute noch an. Das ist eines meiner Karriere-Highlights.“ (mz)

