Leichtathletik Leichtathletik: Großartiger wertloser Rekord

Dessau/Leipzig/MZ - Martin Keller am Mittwoch in die Red-Bull-Arena in Leipzig geht, um sich auf der Tribüne das Fußball-Relegationsspiel zwischen RB Leipzig und den Sportfreunden Lotte anzusehen, wird ihn wahrscheinlich niemand erkennen. „Ich bin dort undercover“, sagt Martin Keller und lacht. Auch bei einem Bummel durch die Messestadt errege er kein Interesse bei Sportfans. „Höchstens ein paar Nachwuchsleichtathleten, die mich beim Training sehen, schauen mal rüber und zeigen auf mich“, erzählt er.
Dabei ist der Name Martin Keller in den vergangenen drei Wochen durch zahlreiche Medien gegangen. Der Leipziger blieb nämlich als erster deutscher Sprinter über 100 Meter unter der magischen 10,0-Sekunden-Marke. Allerdings waren die 9,99 Sekunden, die der Athlet vom LAZ Leipzig bei einem Leichtathletik-Meeting in Clermont (Florida) lief, aufgrund des zu starken Rückenwindes von 3,8 Metern pro Sekunde irregulär. „9,99 - das sieht schön aus, aber es steht nirgendwo, die Zeit ist nicht offiziell“, sagt er.
Dennoch habe er durch seinen Sprint durch die Schallmauer in kleinem Umfang Aufmerksamkeit erzeugt. „Sponsoren habe dadurch zwar nicht dazugewonnen, aber das Medieninteresse ist gestiegen und ich habe jetzt etwa 100 Facebook-Freunde mehr“, sagt der Leipziger und lacht.
Und nur wenige Tage nach dem Erfolgslauf gab es eine Anfrage an Kellers Managerin, ob er am kommenden Freitag, 31. Mai, beim Anhalt-Meeting in Dessau starten würde. Zwar hatte Martin Keller für das Wochenende schon zwei Meetings geplant, am Sonnabend in Jena und am Sonntag in Zeulenroda, aber er sagte dem Anhalt-Meeting-Direktor Ralph Hirsch zu. „Das Meeting in Dessau am Freitag passt gut in meinen Plan“, so der Sprinter.
Warten auf das perfekte Rennen
Martin Kellers Plan hat ein bestimmtes Ziel: Er will die WM-Norm von 10,15 Sekunden knacken, um im August in Moskau über 100 Meter für Deutschland im Einzelrennen starten zu dürfen. „Die Norm ist möglich“, sagt Martin Keller, der mit 10,24 Sekunden, die er am vergangenen Wochenende in Weinheim gelaufen ist, in diesem Jahr bislang schnellster deutscher Sprinter ist. Bei einem Rückenwind von 2,3 und 2,6 Metern pro Sekunde sei er die 10,15 Sekunden schon gelaufen - doch die Rückenwind-Grenze liegt nun einmal bei 2,0 Metern pro Sekunde. Mehr zählt als irregulär. Wie viel macht der Rückenwind denn eigentlich aus? „Schon einiges“, sagt Keller, „es gibt da eine Faustformel: Ein Meter Rückenwind pro Sekunde entspricht einer Zehntelsekunde.“
Martin Keller wartet also weiter auf das perfekte Rennen - und das sieht für ihn wie folgt aus: „35 Grad heiß, 2,0 Meter pro Sekunde Rückenwind und eine gute Bahn“, sagt er. Plötzlich zückt er sein Handy, um nach den Bedingungen zu schauen, die am Freitagabend beim Meeting in Dessau laut Wettervorhersage herrschen werden. Und die letzten Tage lassen erahnen, dass es nicht die von ihm gewünschten perfekten Bedingungen sein werden. „Nordwind“, liest er vor, „das ist schon einmal gut. 16 Grad und leichter Regen, das ist nicht so schön. Kein Regen, das wäre schon okay“, sagt Martin Keller.
Da der Sprinter noch nie beim Anhalt-Meeting am Start war, hat er sich im Internet über das Stadion informiert: „Die Zielgerade verläuft Richtung Süden. Also wenn der Wind von Norden kommt, passt es.“ Und vielleicht reicht es ja schon in Dessau für die WM-Norm? „Je eher ich sie erfülle, desto besser.“
Als Kind auch Fußballer
Bis Freitag geht es bei Martin Keller entspannt zu. Am Donnerstag hat er trainingsfrei, am Mittwoch macht er am Nachmittag eine Einheit und am Abend geht er als Zuschauer ins Stadion. Fast wäre aus Martin Keller auch ein Fußballer geworden. „Als ich zehn war, stellte mich meine Mutter aber vor die Wahl: Fußball oder Leichtathletik“, erzählt er. Und die Entscheidung fiel ihm dann nicht wirklich schwer: „Bei der Leichtathletik darf ich die Medaillen behalten, beim Fußball steht der Pokal in der Vereinsvitrine.“