1. MZ.de
  2. >
  3. Sport
  4. >
  5. Handball-WM der Frauen in Deutschland: Handball-WM der Frauen in Deutschland: Mit Michael Bieglers Fahrplan zum Erfolg?

EIL

Handball-WM der Frauen in Deutschland Handball-WM der Frauen in Deutschland: Mit Michael Bieglers Fahrplan zum Erfolg?

Von Ullrich Kroemer 30.11.2017, 09:00
Michael Biegler ist der große Motivator neben dem Feld. Der Frauen-Bundestrainer wechselt nach der WM zum Bundesligisten nach Leipzig.Foto: dpa
Michael Biegler ist der große Motivator neben dem Feld. Der Frauen-Bundestrainer wechselt nach der WM zum Bundesligisten nach Leipzig.Foto: dpa dpa

Leipzig - Als der Medientrubel vorüber ist, genehmigt sich Michael Biegler erst einmal eine Zigarettenpause. Der Bundestrainer der Handball-Frauen bläst vor dem Teamhotel im Leipziger Westen weißblaue Rauchwolken in die kalte Novemberluft und geht in sich. Ein Stillleben. Trüge der Handballlehrer statt des Trainingsanzugs Cowboykluft und stünde statt des Mannschaftsbusses ein Pferd bereit, würde das in diesem Moment auch nicht weiter verwundern.

Biegler, den sie „Beagle” nennen, steht gerade vor einer der größten Aufgaben seiner langen Trainerkarriere: der Heim-Weltmeisterschaft, von der sich Mannschaft, Verband und Zuschauer so viel erhoffen.

Bundestrainer Michael Biegler: Von Lampenfieber keine Spur

Vor seiner Amtszeit haben die deutschen Frauen seit der Bronze-Medaille bei der WM vor zehn Jahren regelmäßig bei Großveranstaltungen enttäuscht. Doch Biegler ist die Ruhe selbst. Angespannt, Lampenfieber? „Es gibt keinen Grund zu Nervosität”, brummt Biegler cool und sagt vor dem Eröffnungsspiel gegen Kamerun (Fr., 19 Uhr) ohne Scheu: „Ziel muss es sein, als große Handball-Nation möglichst bis zum Schluss dabei zu sein.” Das heißt: Finalwochenende in Hamburg.

Der 56 Jahre alte Biegler hat in seinen 32 Jahren als Handballtrainer eine Menge erlebt. 13 Klubstationen, darunter der SC Magdeburg und DHfK Leipzig, und vier Jahre als polnischer Nationaltrainer prägen. Und machen gelassen. Bieglers Ausstrahlung vermittelt: Wenn man mit einem wie ihm in ein Turnier geht, kann nicht allzu viel schiefgehen.

Handball-WM der Frauen: So arbeitet Bundestrainer Michael Biegler

Rückraumspielerin Saskia Lang sagt über ihren Coach: „Die Mischung passt: Er verlangt uns sehr viel ab im Training, hat aber auch diese gewisse Lockerheit.” Lang lobt sein „wahnsinnig gutes Händchen für Trainingssteuerung, dafür was wir brauchen – auf und neben dem Feld.” Biegler ist ein einer, der instinktiv spürt, welche Inhalte und Ansprachen seine Mannschaft wann benötigt.

Prinzip des Mannes mit dem zerfurchten Gesicht und der Igelfrisur ist es, keine Marathon-Übungseinheiten anzusetzen, sondern stattdessen dreimal täglich eher kurz an ganz bestimmten Elementen zu arbeiten: Gegenstoß, Rückzugverhalten, Abwehr am Kreis – solche Dinge. Er nennt das „aufgabenorientiert” und meint das als Gegenteil von ergebnisorientiert.

Im Zentrum von Bieglers Spiel steht die Abwehrarbeit. Kein Hurra-Handball, sondern diszipliniertes Spiel. „Wir müssen unseren Erfolgsweg über Rückzug und Deckung gehen”, sagt er. Und auch im Angriff verlieh er dem Team mehr Format; in den Routiniers Anna Loerper und Kerstin Wohlboldt (beide 33) setzt er auf gleich zwei Spielmacherinnen im Rückraum. Mit der Entwicklung seines Teams ist er hoch zufrieden: „Die Mannschaft macht auch in schwächeren Spielen immer einen leidenschaftlichen, kämpferischen Eindruck, bringt sehr viel Sympathie und Energie rüber und versucht, mit Struktur Handball zu spielen”, lobt er. 

Deutsche Handball-Frauen: Mit dem Fahrplan zum Erfolg

Die Ex-Leipzigerin Lang sagt: „Wir haben gesehen, dass wir sehr, sehr erfolgreich sein können, wenn wir seinen Fahrplan einhalten.” Das war bei der EM im vergangenen Jahr, als dem DHB-Team nur wenige Monate nach Bieglers Amtsübernahme nur ein einziges Tor zur Halbfinal-Teilnahme fehlte.

Dass Biegler überhaupt eine Frauen-Mannschaft trainieren kann, hatten ihm viele in der Szene nicht zugetraut. Und auch er selbst hatte Bedenken. Doch das Trainer-Urgestein behandelte seine „Ladies” – so spricht er die Spielerinnen an – von Beginn an auf Augenhöhe. Das heißt bei Biegler auch, sich nicht zu verstellen und in Intensität und Ansprache nicht anders zu trainieren als bei den Männern: auch mal hart, aber stets fair.

„Es ist ein gutes Gefühl für uns, dass jemand gekommen ist, der einen großen Namen hat und eine Persönlichkeit ist”, sagt Lang. Mathematisch nicht ganz korrekt, aber emotional nachvollziehbar, ergänzt sie: „Er ist einer, der zu 1000 Prozent hinter diesem Projekt steht. Mit diesem Gefühl hat er jede einzelne von uns angesteckt.” DHB-Sportdirektor Wolfgang Sommerfeld, der Biegler im Frühjahr 2016 verpflichtete, bezeichnet ihn als „einen der besten Trainer der Welt”. Wie Biegler die Mannschaft auf das Turnier vorbereite, habe er „in dieser Qualität noch nie erlebt”.

Auch wenn der Hochgelobte nach dem Turnier sein Amt abgibt und als Cheftrainer zu Männer-Bundesligist DHfK zurückkehrt, liegt ihm der Frauenhandball weiter am Herzen. „Ich wünsche mir, dass die WM nachhaltig für den Frauen-Handball wirkt”, sagt er. Ein Typ wie Biegler tut nicht nur der deutschen Mannschaft, sondern der medial vereinsamten Sportart gut. (mz)