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Streit zwischen HFC, Fans und der Stadt Steffen Kluge nicht mehr beim HFC: Steht nun das Fanprojekt vor dem Aus?

Von Martin Henkel 12.04.2017, 19:38
Beim Spiel gegen Fortuna Köln protestieren HFC-Fans gegen die Versetzung von Steffen Kluge.
Beim Spiel gegen Fortuna Köln protestieren HFC-Fans gegen die Versetzung von Steffen Kluge. Holger John

Halle (Saale) - Vor wenigen Wochen ist in Halle der langjährige Fanprojekt-Leiter Steffen Kluge von seinem Posten abberufen und seit April ins Jugendamt versetzt worden.

Die Entscheidung der Stadt sorgt bei Fans für Unmut und stößt beim Halleschen Fußball-Club (HFC) auf Unverständnis. Um die Lage zu klären, lud der Beirat des Fanprojektes am Dienstag zu einem Treffen ein. Dabei waren auch der Deutsche Fußballbund (DFB), die ihn beratenden Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS), das Land, der Verein und der Fußballverband Sachsen-Anhalts. Projektkoordinator Oliver Paulsen aus der Stadtverwaltung hatte dagegen aus terminlichen Gründen abgesagt. Die MZ beantwortet alle wichtigen Fragen zu dem Thema.

Worum geht es in dem Streit eigentlich?

Seit Kluges Absetzung ist die Fanszene in Aufruhr. Es wird vermutet, dass Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) hinter der Entscheidung steht. Wiegand und Kluge haben seit 2008 eine problematische Beziehung. Damals forderte Wiegand in seiner alten Funktion als Beigeordneter für Sicherheit, Sport und Gesundheit den Projektleiter nach Randalen im Pokalspiel gegen Hannover 96 auf, Namen der ihm möglicherweise bekannten Randale-Fans zu nennen. Kluge lehnte das ab. Ob das auch mit ein Grund für seine Versetzung ist, bleibt unklar, weil die Stadt die Entscheidung bisher nicht erklärt hat. Aus Gründen des Datenschutzes, wie es heißt.

Was ist das Fanprojekt des HFC?

Das Streetwork Fanprojekt wurde 2006 gegründet und 2015 vom DFB als eines der drei besten bundesweit ausgezeichnet. Zweck ist die sozialpädagogische Betreuung der Fans des HFC. Dafür ist viel Fingerspitzengefühl und Vertrauen nötig, Projektmitarbeiter vermitteln zwischen Polizei, Stadt, Verein und Fans. Michael Gabriel von der KOS sagt, die Arbeit eines Fanprojektsleiters sei eine der kniffligsten in der Jugendarbeit. Kluges Arbeit wurde allgemein anerkannt. HFC-Präsident Michael Schädlich meinte am Dienstag: „Wir sind sehr zufrieden mit der Arbeit des Fanprojektes.“ Sachsen-Anhalts Fußballpräsident, Erwin Bugar, pflichtete ihm bei. „Das Fanprojekt hat sehr gute Arbeit geleistet.“

Wie begründet das Rathaus Kluges Versetzung?

So gut wie gar nicht. Der Projektleiter im Rathaus und frühere persönliche Referent des OB, Oliver Paulsen, erklärte lediglich, man plane, „die langjährige Projektarbeit neu auszurichten“. Dafür „bereitet die Stadt im Fanprojekt eine Jobrotation vor.“ Ob Kluge mitrotieren darf? Keine Antwort bislang. Auch eine Anfrage des Stadtrates Andreas Schachtschneider an den Jugendhilfe-Ausschuss ergab keine. Der CDU-Politiker wurde an den Personalausschuss verwiesen, erfolglos bis dato. Seither schießen die Spekulationen ins Kraut. Liegt der Entscheidung ein Dienstvergehen zu Grunde? Schachtschneider meint: „Falls, kann man das sagen, ohne Details benennen zu müssen.“ Waren es gesundheitliche Gründe? Auch das wäre eine ausreichende Begründung. Aus Kluges Umfeld ist aber zu hören, der Sozialpädagoge sei bei bester Gesundheit.

Wie reagiert die Fanszene des Drittligisten?

Beim Heimspiel gegen Fortuna Köln skandierte die Fankurve: „Kluge bleibt!“ Beim Heimspiel gegen Paderborn forderte sie: „Wiegand raus!“ Der Fankurvenrat bat in einem offenen Brief, den OB um ein Gespräch. Es gab lange keine Zusage, auch keine Absage. Paulsen meinte kürzlich, man wolle die Fanszene zu einem Gespräch über die zukünftige Projektarbeit einladen. Das aber reicht der Fanszene nicht. Sie fühlt sich im Rathaus nicht ernst genommen. Der Fankurvenrat und der HFC-Fanszene e.V. haben deshalb die Mitarbeit im Fanprojekt bis auf weiteres eingestellt. Das betrifft auch die ehrenamtliche Betreuung des Fan-Hauses an Spieltagen.

Was sagen Land und DFB als Fördermittelgeber?

Das Fanprojekt bezieht zehn Prozent seines Saisonetats vom Magdeburger Sozialministerium. Das Land gibt 27.000 Euro pro Jahr. Für die neue Saison sind die Gelder allerdings noch nicht bewilligt. Wie es heißt, erhoffe man sich mehr Informationen zum Fall Kluge. Der DFB, der das Fan-Projekt zu 50 Prozent finanziert, argumentiert ähnlich. Grundsätzlich vertraut der Fußball-Bund auf den Rat der KOS. Und die bezweifelt, „ob ein neuer Leiter den Aufgaben überhaupt gewachsen sein kann“. Es brauche „Jahre, um das Vertrauen zu einer Fanszene aufzubauen“. Zumal ein Nachfolger keinen Stallgeruch hätte und von Kluge nicht mehr eingearbeitet werden kann. Und Stand jetzt fände er ein Fanprojekt ohne Fans vor. Michael Gabriel von KOS sagt: „Das ist wie ein gordischer Knoten ohne Schwert.“

Was sind die möglichen Folgen?

Unter anderem eine gestörte Kommunikation zwischen Polizei, Verein, Stadt und Fans. Beim Auswärtsspiel in Osnabrück vorigen Sonntag etwa warteten die örtlichen Ordnungsbeamten auf gut 100 Fans des HFC, die mit dem Zug angereist waren. Beim Ausstieg wurden sie eingekesselt und aufgefordert, sich für Leibesvisitationen und Personalfeststellungen bereit zu halten. Kluge hätte in so einer Situation vermitteln können. So aber riefen die 100 Fans „Nicht mit uns“ - und fuhren wieder heim.

Kann der DFB seinen Einfluss gelten machen?

DFB-Präsident Reinhard Grindel kommt Mittwoch nächster Woche zu Besuch. Geplant sind der Besuch des Landespokal-Halbfinales gegen Magdeburg sowie ein Treffen mit HFC-Präsident Schädlich und OB Wiegand. Grindel ist über die Vorgänge in Halle genau informiert. Die DFB-Spitze sei „sehr besorgt“, sagte Bugar. Grindel will die Causa Kluge deshalb mit dem OB besprechen.

Wie könnte eine Lösung aussehen?

Soweit sich Kluge keines Vergehens schuldig gemacht hat, könnte man ihn wieder einsetzen. Wiegand würde dadurch aber sein politisches Gesicht verlieren. Der OB könnte Kluge aber auch bitten, den neuen Leiter einzuarbeiten. Oder der OB sitzt die Causa einfach aus und hofft, dass der Neue seine Aufgabe hinbekommt. Bugar hat nun aber auch noch eine vierte Option ins Spiel gebracht: das Fanprojekt könnte auf eine neue Grundlage gestellt werden. So wie beim Fanprojekt in Magdeburg. Dort ist der Träger nicht das Rathaus, sondern der paritätische Wohlfahrtsverband. Die Stadt gibt nur das Geld. (mz)