Hallescher FC Hallescher FC: So lebt Osayamen Osawe in Halle

Halle (Saale) - Die kleine Schusseligkeit sei Osayamen Osawe großzügig verziehen. Auf der Fahrt vom Trainingsplatz zu seiner nur fünf Autominuten entfernten Wohnung in Halles Innenstadt musste der Stürmer von Fußball-Drittligist Hallescher FC noch am Stadion einmal kurz stoppen. „Ich habe mein Handy vergessen“, rief der 21-Jährige entschuldigend.
Schnell machte er in seinem weißen BMW kehrt und fuhr zurück. Das Handy ist die wichtige Standleitung nach England. Erst am Donnerstag war seine Freundin zurück auf die Insel gereist. Zusammen mit ihrem Sohn Trystan, der dort in die Kindertagesstätte gehen soll, während seine Mama in Manchester Accounting, also so etwas wie Wirtschaftswissenschaften, studiert. Für den zweijährigen Trystan ist Osawe der große Bezugspunkt. „Ich bin wie ein Vater für ihn“, sagt der Kicker über sein Stiefkind.
Natürlich bleibt Osawe in Kontakt. Er wird auch einmal im Monat Besuch bekommen. Aber die Leere in der Wohnung ist neu. Über dem Fernseher stehen DVD mit Kinderfilmen, daneben eine CD der US-amerikanischen Indierockband „The Killers“. „Die mag meine Freundin sehr“, sagt Osawe.
Freundin Casey-Jo als Beistand
Es braucht nicht viele Worte, um zu verstehen, dass die kleine selbstausgesuchte Dreiraumwohnung - praktischerweise mit Kaufhalle gleich um die Ecke - zum festen Wohnplatz für die Familie geworden ist. Seit zwei Jahren sind die beiden ein Paar. Freundin Casey-Jo war letzte Saison öfter in Halle als in England und stand ihrem Freund bei. Sie kochte für ihn, besuchte seine Spiele, obwohl er anfangs kaum zum Zug kam. „Ich wusste aber, was ich kann. Ich habe gewartet und war dann nicht überrascht, als es besser lief.“
Seine Freundin aber hat ihm die Eingewöhnung in das fremde Land leichter gemacht, auch wenn es am Anfang hart war. „Besonders für meinen Kopf. Ich kannte niemanden, spreche kein deutsch. Das war schwierig.“ Noch immer versteht er nur die Grundbegriffe. Den Artikel über sich im Fußballmagazin „Kicker“, das auf dem Wohnzimmertisch liegt, kann er nur mit einer App lesen, die den Text scannt und in passables Englisch übersetzt.
Trainer Sven Köhler gibt die Anweisungen in Deutsch. Mit voller Absicht. „Er kann Englisch“, meint Osawe. „Aber er will, dass ich Deutsch lerne.“ Im Urlaub fing Osawe an, sich mit dem Handy im Selbststudium die Sprache beizubringen. „Aber da hat mir nach zehn Minuten die Motivation gefehlt“, gibt er zu.
Doch Osawe mag nicht aufgeben - ganz so, wie es im Sport seine Art ist. „Ab nächste Woche habe ich einen persönlichen Deutsch-Lehrer“, sagt er. Dreimal pro Woche wird für eine Stunde Deutsch gelernt. Osawe lehnt sich auf seiner Couch zurück. „Deutsch ist sehr schwer“, seufzt er in seinem typisch britischen Akzent.
Geboren ist er aber in Nigeria. Auch dort ist Englisch Amtssprache. So hatte Osawe auch keine Probleme, als seine Eltern 2002 entschieden, dass die Familie - er hat zwei Brüder und zwei Schwestern - nach England auswandert. „Weil es in England mehr Möglichkeiten gibt“, sagt er. Zum Beispiel im Berufsleben. Osawe, der mehr Zeit in England als in Nigeria verbracht hat, fühlt sich heute wie ein Engländer. 2007 war er das letzte Mal in Nigeria, wo nur noch seine Großeltern leben. „Manchester ist meine Stadt“, sagt er. Acht Jahre hat er dort gewohnt, schnell Freunde gewonnen. Später will er einmal in Surrey, einem ruhigen Vorort von London sesshaft werden, fern ab des Trubels. Seine Eltern leben derzeit in London. Osawe hat zudem Onkel und Tanten in Irland und in Deutschland (Ruhrgebiet) sowie in den USA. Das große Bild von der Skyline New Yorks im Flur ist eine Art Sehnsuchtsbild.
Weil Osawe in Manchester aufgewachsen ist, ist es auch selbstverständlich, dass er Fan von Manchester United ist. Und Cristiano Ronaldo ist sein großes Idol. „Als ich in Blackburn gespielt habe, hat er dort einmal einen Werbespot für Nike gedreht“, erzählt er. So kam, dass Osayamen Osawe Ronaldo einmal die Hand geschüttelt hat. Jetzt hat er selbst das Zeug zum Idol - wenigstens beim HFC. (mz)