Gesundheit und Sport Gesundheit und Sport: Der Pretzscher Kreisverkehr im Wasser

Pretzsch - Roland Oertelt ist ein Kämpfer. Der Sportler der SG Grün-Weiß Pretzsch hat das besonders in der ersten Lockdownphase bewiesen. Der 60-Jährige bietet Gesundheitskurse, die fast immer ausgebucht sind, im Pretzscher Schloss-Hallenbad an. Das Einstellen des Sportbetriebs im Frühjahr war jedoch kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen.
Eine Lösung konnte erarbeitet werden. „Dafür mussten wir zwar mächtig Druck machen, aber letztendlich hat das zum Erfolg geführt“, so Oertelt. Neben den üblichen Regeln wie dem Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes und dem Hinterlassen der Kontaktdaten wurde ein Hygienekonzept entwickelt. Das hat das Gesundheitsamt in Wittenberg überzeugt.
Landesweite Anerkennung
„Wir haben die maximal mögliche Personenanzahl in den Duschen reduziert und einen Mindestabstand für die Schwimmer im Wasser definiert. Ungewöhnlich, aber wirkungsvoll war zudem das Einführen eines Kreisverkehrs im Wasser“, sagt Oertelt. Was einfach klingt, war längst nicht einfach umgesetzt. Da Wasser keine Balken hat, mussten andere Ideen für einen Wasserkreisverkehr her.
Die Wahl fiel auf Edelstahl-Bögen, die am Beckenrand verankert sind und in Kombination mit den Bahnbegrenzungsseilen ein Schwimmen im Kreis ermöglichen. „Dafür werden jeweils zwei Bahnen genutzt. Und es funktioniert“, berichtet der Experte im Gespräch mit der MZ. Die Schwimmer konnten sich so nicht mehr begegnen und auch das Einhalten des Mindestabstandes sei kein Problem gewesen. „Das hat gepasst“, kommentiert der Experte. In einer landesweit erscheinenden Fachzeitschrift wird das Konzept gelobt.
Trotzdem mussten auf behördliche Anordnung am 8. Januar die Angebote wieder eingestellt werden. Dabei sei gerade jetzt aktive Bewegung wichtig für die Stärkung des Immunsystems. „Ich bekomme täglich mehrere Anfragen, wann es weitergeht“, erzählt Oertelt. Eine konkrete Antwort könne derzeit aber niemand geben. Seine Kursus-Teilnehmer kommen nicht nur aus der Stadt, sondern auch aus Wittenberg, Jessen oder Sachsen.
„Die Nachfrage ist sehr groß“, so der Mann. Und das nicht nur bei der älteren Generation. So richten sich die zertifizierten Aqua-fit-Programme auch an jüngere Menschen. Die Kraft- und Konditionsübungen schonen aufgrund des Auftriebs des Wassers die Gelenke, Sehnen und den Rücken und kräftigen die Muskulatur sowie das Herz-Kreislauf-System, erläutert der Experte.
Dagegen sei die Wassergymnastik - und das ist der Unterschied - besonders für ältere Menschen geeignet und werde auch zum Zwecke der Rehabilitation nach Unfällen oder Operationen in der Physiotherapie eingesetzt.
Der Zufall und die Liebe
In Pretzsch gibt es nach der Erwärmung und dem Einschwimmen Gerätegymnastik im Flach- und Tiefwasser. Wassertanz und spielerische Elemente bereichern die Übungen. Besonders beliebt ist Wasserball. „Da geht es oft hoch her - auch bei den Älteren“, berichtet der Experte, der seine Berufung zum nassen Element - so wie das im Leben oft ist - eher dem Zufall verdankt.
Die Liebe verschlägt den jungen Mann aus Sachsen nach Trebitz. Im Gespräch mit dem Bürgermeister erfährt er, was dem Ort 1980 noch dringend fehlt: ein Schwimmmeister fürs Freibad. „Ich habe daraufhin eine Ausbildung zum Rettungsschwimmer in Piesteritz absolviert“, berichtet Oertelt über den Start in eine ungewöhnliche Berufskarriere.
Denn der Mann, der jetzt in Pratau wohnt, schreibt Regional-Geschichte. Er wird nach der Wende 1993 Leitender Schwimmmeister im ersten so genannten Spaßbad in Sachsen-Anhalt. Die Rede ist vom Basso - eine Attraktion in den neuen Bundesländern - in Bad Schmiedeberg. „Der Ansturm war gewaltig. 500 Menschen täglich“, so Oertelt. Gravierendes sei trotzdem nicht passiert. „Aber wir hatten schon Rettungseinsätze“, sagt der Chef. Gesundheitsangebote gab es hier nicht. „Aber Schulsport“, so Oertelt, der 1996 nach Pretzsch wechselt.
Im dortigen Schloss betreibt die Salus gGmbH ein Kinder- und Jugendheim und eine Schwimmhalle. Hier leitet er zunächst Rettungsschwimmerkurse für den interessierten Nachwuchs. „Ich wurde gefragt, was man noch anbieten könnte“, so Oertelt, der eben den Gesundheitssport empfiehlt und sich dafür 1996 zum Fachübungsleiter für Reha-Sport qualifiziert. Es folgt eine Ausbildung zum Fachübungsleiter für Präventionssport.
Oertels Angebote, die selbst Berufstätige am Abend problemlos wahrnehmen können, sind auch wirtschaftlich erfolgreich: Die Halle wird besser ausgelastet und rentabel. Im Übrigen werden die Kursgebühren in der Regel von den Krankenkassen finanziert. „Zwei Kurse pro Jahr“, so Oertelt. Wer aber zwölf Monate aktiv sein will, muss ein Teil privat bezahlen. Dafür gibt es aber in Pretzsch, so wird der MZ berichtet, günstige Offerten. Für den Reha-Sport wird laut Homepage ein ärztliches Rezept benötigt.
Nachfolger wird gesucht
Oertelt steht noch vor einer großen Herausforderung: Er möchte in diesem Jahr seinen Nachfolger einarbeiten. Interessenten, die ab 2022 die Pretzscher Erfolgsgeschichte fortsetzen möchten, können sich gern melden. (mz)