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Geschichte einer Trennung Geschichte einer Trennung: Jennifer Kerns ist nicht mehr Trainerin der Halle Lions

Von Christoph Karpe 24.04.2015, 21:27
Jennifer Kerns und die Halle Lions gehen künftig getrennte Wege.
Jennifer Kerns und die Halle Lions gehen künftig getrennte Wege. Schulz/Archiv Lizenz

Halle (Saale) - Die wenig ausführliche Meldung, die die SV Halle Lions auf ihrer Homepage veröffentlichten, bringt das Entscheidende dann irgendwann auf den Punkt: „Cheftrainerin Jennifer Kerns und das Management der SV Halle Lions trafen ... die gleiche Konsequenz, dass es Zeit für einen Neustart ist, getrennt voneinander.“ Weiter: „Der Saisonvertrag der US-Amerikanerin wird daher im beiderseitigen Willen nicht verlängert.“ Am Mittwoch fiel die Entscheidung - nachdem Kerns am Dienstag verkündet hatte, dass sie nicht mehr Coach des Basketball-Bundesligisten sein wolle. Sie hatte einfach die Nase voll von einem zähen Hickhack - dass sie allerdings auch zum Teil selbst zu verantworten hatte.

Widerstände wuchsen

Vor Wochen hatte Kerns ein neues Angebot der Lions vorliegen gehabt. Sie zögerte, sah sich nach Alternativen um. Was nicht ungewöhnlich ist. Dann wurden die Viertelfinal-Playoff-Spiele gegen Saarlouis ziemlich sang- und klanglos verloren. Kerns verhandelte weiter. Doch in dieser Wartezeit mehrten sich plötzlich die Widerstände gegen die junge Trainerin, unter der die Lions in der Saison kaum Glanzlichter setzen konnten.

Das vermeintliche Top-Vier-Team, jedenfalls gehörte es vom Etat her dazu, vergraulte die Zuschauer, wurde Vorrunden-Sechster um dann in zwei Spielen vom Dritten Saarlouis vorgeführt zu werden. „Es war mehr drin. Wir haben unser Spiel nicht zusammengebracht“, sagte Spielerin Laura Hebecker nach dem Aus Anfang des Monats.

Kritiker sahen es so: Diese Mannschaft hat ihr Potenzial niemals ausgeschöpft. Oder war sie sogar am Limit, weil auf den Ausländerpositionen einfach zu schwache Spielerinnen eingekauft worden waren? Was beides der Trainerin angelastet wurde.

Tiefe Gräben im Team

Und auch, dass es während dieser nicht einfachen Saison - im familiären Umfeld von Trainerin und Spielerinnen gab es vier Todesfälle - zusätzlich tiefe Gräben im Team gab. „Die Mannschaft hat sich zu 80 Prozent nur mit sich selbst beschäftigt“, so ein Insider, der nicht genannt werden möchte. Das Team war weitgehend verstritten. Ein einstiger Publikumsliebling wie Tiffany Porter-Talbert suchte die Konfrontation mit Kerns und ließ dann lustlos früheren Elan vermissen.

Kerns hatte die Zügel nicht immer in der Hand - was auch ihrer Unerfahrenheit geschuldet war. Die Lions waren schließlich ihre erste Station als Trainerin im Oberhaus. Hinzu kam, dass sie sich privat nicht wohlfühlte. Sie hatte in Halle kein persönliches Umfeld, keinen Anschluss. Sie fühlte sich oft allein, fand neben dem Basketball kaum Ablenkung. Nicht heimisch zu sein, drückte auch aufs Gemüt.

Widerstände gegen die Weiterbeschäftigung

Und irgendwann merkte sie, dass nach Saisonschluss Widerstände gegen ihre Weiterbeschäftigung wuchsen. Da wollte sie nicht mehr. Und in der Führungsetage der Lions gab es tatsächlich einen Richtungsstreit. Managerin Cornelia Demuth wollte unbedingt mit Jennifer Kerns weiterarbeiten, ihr eine zweite Chance geben. „Ich bin traurig“, ließ sie nach der Trennung nur kurz via SMS wissen. Die Absicht, sie ans Telefon zu bekommen, damit sie ihre Sicht der Dinge ausführlich schildern könne, war jedoch eine erfolglose. Demuth hätte gewiss auch zur Zukunft der Lions noch einiges sagen können...

Balser gibt Posten des Geschäftsführers auf

Fest steht jedoch: Kerns ist nicht die einzige, die den Lions den Rücken kehrt. Auch Lukas Balser gibt seinen Posten als Geschäftsführer zum 30. April auf. „Ich habe bei den Stadtwerken eine neue Aufgabe bekommen. Der Job nimmt nun viel mehr Zeit in Anspruch. Ich würde es nicht mehr schaffen, mir genug Freiraum für die Lions zu organisieren“, sagt Balser, der die GmbH des Erstligisten mit Demuth gemeinsam geführt hat. Seine Absicht, sich zurückzuziehen, verkündete er allerdings schon im Januar. Balser geht nicht wegen der jüngsten Vorkommnisse im Pro-und-Kontra-Disput um die Trainerin.

Auch Cornelius Damm nicht. Der Jurist, der jahrelang im dreiköpfigen Vorstand des Lions-Trägervereins - dazu gehören noch Demuth und Finanzer Axel Barth - eine entscheidende Position innehatte, findet ebenfalls keine Zeit mehr. Zum einen ist er beruflich sehr eingebunden. Zum anderen wurden er und seine Frau Andrea, ehemals Kapitän der Lions-Mannschaft, gerade zum zweiten Mal Eltern.

Von den vier entscheidenden Köpfen sind also nur noch zwei in Aktion: Barth und Demuth. Die übernimmt zusätzlich zur Sponsorensuche und -betreuung nun auch die sportliche Leitung im Verein.

Demuth sucht Trainer

An ihr ist es nun, einen neuen Trainer zu finden. „Angeboten haben sich einige“, sagt Balser, der dies ja aktuell noch alles mitverfolgt. Doch ist da ein geeigneter Kandidat dabei? Für Ex-Trainer Peter Kortmann gibt es keinen Weg zurück - da regen sich Widerstände in Halle. Nach der Saison frei wird offenbar auch René Spandauw, Mister Saarlouis, der bei den Royals wohl aufhören wird und bei seiner Agentur als verfügbar gelistet wird.

Wann die Lions-Suche abgeschlossen ist, ist derzeit nicht absehbar. Und wer wird Assistenz-Coach? Martin Dornhoff tendiert innerlich dazu, künftig nur noch die zweite Mannschaft zu betreuen. Aber Ex-Co-Trainer Florian Zetzsche ist wieder zurück in Halle...

Bleiben Hebecker und Rouault?

Die Trainer-Entscheidung wird maßgeblich beeinflussen, wer nächste Saison für Halle spielt. Fest steht: Porter-Talbert und Jessica Höötmann bekommen keine neuen Verträge. Julia Gaudermann zieht es zurück nach Hessen. Die Ausländerpositionen werden sämtlich neu besetzt. Gehalten werden sollen Laura Hebecker und Noémie Rouault - dazu die Ersatzspielerinnen. Gespräche laufen.

Doch insgesamt stehen die Lions beinahe vor einem kompletten Neuanfang. Einem schwierigen. (mz)

Jennifer Kerns
Jennifer Kerns
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