1. MZ.de
  2. >
  3. Sport
  4. >
  5. Fußball
  6. >
  7. DFB-Elf im Check: Vor der EURO 2016: Die deutschen Nationalspieler im Form-Check

DFB-Elf im Check Vor der EURO 2016: Die deutschen Nationalspieler im Form-Check

Von Jan Christian Müller 06.06.2016, 09:43
Das offizielle Mannschaftsfoto der deutschen Nationalmannschaft.
Das offizielle Mannschaftsfoto der deutschen Nationalmannschaft. dpa

Gelsenkirchen - Von der Nummer eins bis zur 23: die deutschen Nationalspieler im Form-, Leistungs- und Charaktercheck. Wer ist kurz vor dem Auftakt der Europameisterschaft in Frankreich gut drauf? Wer hat Chancen auf regelmäßige Einsätze, wer eher auf ständiges Bankdrücken? Ein Überblick:

Manuel Neuer (Rückennummer 1): In anfänglicher Abwesenheit von Bastian Schweinsteiger darf sich der Torwart, der den Ball einfühlsamer streichelt als mancher Vordermann, auf das Tragen der Spielführerbinde einstellen. Ein Torwart, so heißt es, soll das eigentlich nicht machen, weil er zu selten im Spiel ist. Für Super-Manuel gilt das natürlich nicht. Der Mann mit den tausend Händen sagt über sich: „Ich bin voll im Saft.“

Shkodran Mustafi (2): Läuft bislang vollkommen unter dem Radar daher. Im Training bei Pässen unpräzise. Nicht mehr als eine Alternative als rechter Verteidiger oder innen, rechts hinter Kimmich, Höwedes und Can, in der Mitte hinter Boateng, Rüdiger und Hummels. Perspektive: Zugucken und trotzdem gut gelaunt bleiben. 

Jonas Hector (3): Mutmaßlich einziges Kadermitglied, das in Fußgängerzonen zwischen Kiel und Friedrichshafen spielen könnte und dabei nicht als Nationalspieler identifiziert würde. Bei Löw hoch im Kurs, da Linksfuß, solide und schnell. Stammkraft.

Benedikt Höwedes (4): Bei der WM 2014 in sieben Spielen sieben mal von Anfang bis Ende auf dem Platz. Damit sollte er diesmal nicht rechnen. Wenn es vorne eng wird, findet er selten Lösungen, wenn es hinten brennt, ist er da. Das spräche für vermehrte Einsätze erst nach der Vorrunde. Sagt zu seiner zuweilen grobmotorisch anmutenden Vorstellung gegen Ungarn: „Ich weiß aber selber, dass ich das besser kann.“

Mats Hummels (5): Arg lädiert, aber gesund Weltklasse. Deshalb lohnt sich das Warten auf ihn.

Sami Khedira (6): Ebenfalls Anwärter als Bindenträger. Typ absoluter Führungsspieler, kommt momentan aber nur im Speed einer Dampfwalze auf tiefem Teer voran. Das muss ich ändern, und das wird sich ändern.

Bastian Schweinsteiger (7): Muss sich laut Bundestrainer noch „einiges erarbeiten“ und einen „hohen Trainingsrhythmus“ fahren. Alle sagen, der Kapitän sei „wichtig“ fürs Team. Dann wird es sicher stimmen.

Mesut Özil (8): Hat im „Kicker-Sonderheft Chefreporter Oliver Hartmann klar und deutlich folgendes gesagt: „Wir müssen das Ding gewinnen, alles andere wäre definitiv eine Enttäuschung.“ Seine Masche, sich auf dem Platz zu verstecken und dann mit feinem Fuß da zu sein, wo es dem Gegner wehtut, wird von Fußball-Laien oft unterschätzt.

André Schürrle (9): Der Vorlagengeber des WM-Finaltors ist klug genug, sich eher als potenzieller Joker denn als Mitglied der Startelf einzuschätzen. Müsste zulegen, wenn er zum regelmäßigen Vertreter vom verletzten Kumpel Marco Reus werden wollte. Gegen Ungarn nach Einwechslung sichtlich bemüht, aber zu fahrig.

Lukas Podolski (10): Kann sogar manchmal richtig böse werden. Zum Beispiel dann, wenn er als Teammaskottchen bezeichnet wird. Da hat der Poldi Recht, denn das ist ja schon Paule, der Adler im schwarz-gold-weißen Pelz. Perspektive für Poldi: Aufpassen, dass auf der Ersatzbank keine Nörgelstimmung aufkommt. Kann am Ende erfolgsentscheidend sein.

Julian Draxler (11): Galt als Wackelkandidat im 27er-Kader. Dann musste Reus passen, und plötzlich ist Draxler Stammplatzkandidat. So schnell kann´s gehen.

Bernd Leno (12): Könnte eventuell dem ihm persönlich wenig zugeneigten Torhüterkollegen André ter Stegen vorgezogen werden, wenn Neuer sich verletzen sollte, was besser nicht passieren sollte. Vielleicht aber auch nicht. Eigentlich findet Löw ter Stegen nämlich ein bisschen besser.

Hier geht es zur zweiten Hälfte des Form-Checks

Thomas Müller (13): Der beste Golfspieler im Team lungert in Strafraumnähe oder in der Box immer irgendwie dort rum, wo es gefährlich werden kann. Ist außerdem nie verletzt und nie erschöpft. Hat beim Media Day vergangene Woche in Ascona wieder mal die meisten Witzchen gemacht und dann gegen Ungarn humorlos abgestaubt. Auf allen Ebenen unersetzlich.

Emre Can (14): Ist von Haus aus (Frankfurt-Nordweststadt) ein zentraler Mittelfeldspieler. Hat dort für den FC Liverpool auch im Europa League-Finale klasse gespielt. Muss aufgrund zu großer Konkurrenz im DFB-Team rechts oder links an den Außenlinien entlang streunen. Er müht sich, aber Mühe allein reicht oft nicht.

Julian Weigl (15): Zeigt im Training sein feines Gespür für Räume, die erst aufgehen, wenn er in sie hineinspielt. Sollte damit rechnen, dass er das in den großen EM-Stadien dieses Jahr noch nicht demonstrieren darf. Er sieht es so: „Letztes Jahr wäre ich mit 1860 fast in die dritte Liga abgestiegen, jetzt darf ich mit zur EM. Das ist atemberaubend.“

Jerome Boateng (17): Ist, wiewohl dunkelhäutig, nicht wegzudenken aus der deutschen Defensive. Lässt sich durch rein gar nichts aus der Ruhe bringen, auch nicht durch die AfD, war allerdings lange am Schambein verletzt und sorgte für Aufregung, als er sich gegen Ungarn schon nach fünf Minuten von Betreuern ausdehnen ließ. Halb so wild: Der Bundestrainer sorgt für Aufklärung: „Da hat nur ein Nerv gedrückt.“ Ein profaner Nerv, der drückt. Wenn´s sonst nix ist, ist gut.

Toni Kroos (18): Findet seine gerade erst veröffentlichten neuen Qualitäts-Passwerte „sehr interessant“. Was wenig verwundert, ist er nach der modernen Statistik doch dreimal besser als ein durchschnittlicher Bundesligaspieler, weshalb er ja auch nicht mehr in der Bundesliga spielt, sondern bei Real Madrid. Kommt mit der denkbar breitesten Brust als Champions League-Gewinner mit nach Frankreich. Kleine Gefahr: Könnte die Angelegenheit dort ein wenig zu leicht nehmen und sich bei Defensivzweikämpfen entsprechend zurückhalten. Man wird sehen.

Mario Götze (19): Sagt, er lese so wenig Zeitung wie möglich, um sich so wenig wie möglich darüber zu ärgern. Ist vielleicht kein besonders guter Bayernspieler, aber ein besonders guter Nationalspieler ist er trotzdem. Bei Löw gesetzt. Entweder ganz vorn, wo der Rumtreiber sich auch in kleinen Räumen so wohlfühlt wie ein Maulwurf unter seinem Hügel, oder dahinter. „Ganz vorne im Zentrum, auf der 8, als hängende Spitze oder auf der 10. Da sehe ich mich grundsätzlich.“ Das sieht der Bundestrainer genauso.

Leroy Sané (20): Der schnellste Mann im Team mit der bei weitem besten Frisur. Vielleicht ein guter Joker, braucht nicht lange, um auf Temperatur zu kommen. Sagt: „Bin da, wenn ich gebraucht werde.“ Was noch zu beweisen wäre.

Joshua Kimmich (21): Ist bestimmt kein Drückeberger: „Mein Ziel ist es natürlich, auf dem Platz zu stehen.“ Das könnte was werden: Löw will aus ihm einen neuen Lahm machen. Und er will das auch.

Marc-André ter Stegen (22): Ein Meister mit dem Ball am Fuß, auf der Augsburger Seenplatte neulich aber ein Bademeister im Bälle fangen. Zweiter oder dritter Mann im Kasten. Besser vielleicht dritter.

Mario Gomez (23): Macht neuerdings auch anstrengende Wege nach hinten. Will einfach nur genießen. „Egal, ob ich dreimal spiele, zweimal oder nur einmal.“ Vielleicht ja sogar viermal oder fünfmal.