Kommentar zu Hoeneß Uli Hoeneß: Kommentar - Man sollte wissen, wann es Zeit ist aufzuhören

Neunhundertsiebenundachtzig Tage war er weg, jetzt ist er wieder da. Uli Hoeneß kehrt als Präsident an die Spitze des FC Bayern München zurück, und die Vermutung ist keineswegs gewagt, dass er bald auch wieder dem Aufsichtsrat des ewigen deutschen Meisters vorsitzen wird.
Ist das eine gute oder eine schlechte Nachricht? Es gibt gute Gründe, die gegen das Comeback des gestrauchelten Fußball-Funktionärs sprechen. Man sollte wissen, wann es Zeit ist aufzuhören – wer mit 64 Jahren den Neustart seiner Karriere riskiert, der weiß es offensichtlich nicht.
Die Jahre seiner Abwesenheit haben den Verein keineswegs in die Krise gestürzt, sondern waren Jahre ungebremsten sportlichen und wirtschaftlichen Erfolgs, was zeigt, dass es auch ohne Hoeneß geht. Die Zeit ist über ihn hinweggegangen: Hoeneß hat den Verein als Patriarch geführt, das ist so zeitgemäß wie Bier und Schweinshaxe als Grundnahrungsmittel.
Alle diese Gründe, die gegen eine Rückkehr Hoeneß’ an die Vereinsspitze sprechen, können sich hören lassen. Aber sie sind nicht zu hören. Der einzige Grund, hingegen, der sich nicht hören lassen kann, der sich im Gegenteil verbietet, bestimmt seit Hoeneß’ Entlassung aus der Strafhaft die Gespräche – mit seiner Vorstrafe sei der Mann für Führungsaufgaben disqualifiziert.
Steuerhinterziehung in Höhe von 28,5 Millionen Euro
Als Aufgabe des Strafvollzugs bestimmt des Gesetz: „Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Vollzugsziel).“ (§ 2 Strafvollzugsgesetz). Hoeneß ist im Jahr 2014 wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 28,5 Millionen Euro zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden.
Hoeneß war als Vereinspräsident und Aufsichtsratsvorsitzender zurückgetreten, hatte die Strafhaft angetreten und die Steuerschulden bezahlt, war nach Verbüßung der halben Haftzeit freigekommen, und niemand, der Hoeneß seit seiner Verurteilung beobachtet hat, zweifelt, dass seine Resozialisierung gelungen ist. Dass er in der Lage ist, „in sozialer Verantwortung“ zu leben, hat er als Vereinspräsident bewiesen – unvergessen ist sein Engagement für in Not geratene Fußballer des Vereins und deren Angehörige –, dass er fähig ist, in Zukunft „ohne Straftaten“ zu leben, ist zumindest eine gut begründbare Vermutung.
Mit anderen Worten: So wie die Gesellschaft die Bestrafung des Delinquenten Hoeneß verlangen durfte, darf nach der Verbüßung Hoeneß von der Gesellschaft die Anerkennung seiner Resozialisierungsbemühungen, also die Wiedereingliederung in die Gesellschaft verlangen. So soll es sein.
Gelungene Resozialisierung ist die wirksamste Prävention
Die Wiedereingliederung ist nicht allein, nicht einmal in erster Linie im Interesse entlassener Straftäter, mindestens in gleichem Maße entspricht sie dem Interesse der Gesellschaft. Denn gelungene Resozialisierung ist die wirksamste Prävention. Sie ist auch kein Privileg eines prominenten ehemaligen Straftäters, sondern eine Reaktion der Gesellschaft, die jeder Täter nach Verbüßung der Strafe erwarten darf.
Das hat sich noch immer nicht herumgesprochen. In dieser Woche hat der frühere bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber sein Unverständnis in Sachen Sinn und Zweck des Strafvollzugs öffentlich zu Protokoll gegeben. Zwar hoffe er, dass durch „Uli Hoeneß’ Rückkehr der Anspruch auf Resozialisierung sichtbarer werde, und vielleicht „wird die Rückkehr auch vielen anderen Leuten, die gestrauchelt sind, eine zweite Chance gegeben“.
Andererseits habe nicht jeder eine „zweite Chance“ verdient. Nicht verdient habe sie zum Beispiel der frühere Terrorist der RAF, Christian Klar, der – wegen mehrfachen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt –, Ende des Jahres 2008 nach mehr als einem Vierteljahrhundert entlassen worden war.
Danach hatte er bei einem Bundestagsabgeordneten der Linken einen unbedeutenden Job bekommen, also eine winzige zweite Chance. Zu viel für Stoiber: „Christian Klar ist ein Schwerverbrecher, ein Mörder, ein Staatsfeind. Auch wenn Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt ist: diesen Vergleich lasse ich nicht gelten. Das ist eine andere Kategorie.“
Das ist grundfalsch. So wie Hoeneß nach Verbüßung nicht mehr als Steuerhinterzieher, sondern als ehemaliger Steuerhinterzieher anzusprechen ist, so ist auch Klar als ehemaliger Schwerverbrecher, Mörder und Staatsfeind zu betrachten. Der eine wie der andere hat Anspruch auf Wiederaufnahme in die Gesellschaft. Dass Klar seine Verbrechen nie bereut hat – was das Gesetz auch gar nicht verlangt – tut nichts zur Sache. Er will ja auch nicht Präsident des FC Bayern München werden.