Spielabbruch im DFB-Pokal: Osnabrück - RB Leipzig Spielabbruch im DFB-Pokal: Osnabrück - RB Leipzig: So wurde die Pokalparty zum Skandalspiel

Leipzig - Die Nacht war kurz für Ralf Rangnick. Nach dem skandalösen Spielabbruch in der ersten DFB-Pokal-Hauptrunde beim VfL Osnabrück hatte RB Leipzigs Trainer und Sportdirektor nur fünf Stunden geschlafen. Am Morgen nach dem Spiel stand entgegen Rangnicks Gewohnheiten nicht die Aufarbeitung der Begegnung im Vordergrund, sondern der Wurf des ominösen roten Feuerzeugs, das Schiedsrichter Martin Petersen in der 71. Minute am Kopf getroffen hatte, woraufhin der die Partie beim Stand von 1:0 für den Drittligisten abgebrochen hatte. In schwarzem Trainingsanzug und mit ernster Miene trat Rangnick auf einem Trainingsplatz am Leipziger Cottaweg vor die zahlreichen Kameras und sagte gewohnt klar: „Das war nicht die Tat eines Einzelne, Wurfgeschosse waren in Osnabrück an der Tagesordnung.” Spieler und Betreuer seien vor und während der gesamten Partie „mit Bierbechern und Feuerzeugen beworfen und bespuckt” worden, sagte Rangnick. „Dass das Spiel abgebrochen wurde, ist die logische Konsequenz.”
Kaum Sicherheit
Zwar wertete der 57-Jährige die Attacke in erster Linie als Angriff auf den Schiedsrichter. „Es wäre aber auch mehrfach möglich gewesen, dass Spieler von uns getroffen werden”, sagte der Fußballlehrer. Er betonte, dass er die von einem Großteil der 13.000 Osnabrücker Fans entfachte, euphorische Stimmung an der Bremer Brücke nicht pauschal verurteilen wolle. „Teilweise war es eine gute Pokalatmosphäre durch die Fans, die ihre Mannschaft unterstützen wollte”, sagte Rangnick. „Aber es war eben auch nicht nur eine kleine Minderheit, die mehr wollte als nur unterstützen.” Der Klub- und Spielerentwickler kritisierte: „Wenn ich mit Frau und Familie da gewesen wäre, wüsste ich gar nicht, wo ich hätte stehen sollen, um mich halbwegs sicher zu fühlen."
Ähnlich überhitzt wie teilweise auf den Rängen nahm RBL-Kapitän Dominik Kaiser die Situation auf dem Rasen wahr. „Einige Spieler von Osnabrück haben auf dem Platz extrem provoziert. Da waren auch die Auswechselspieler beteiligt. Das schürt Hass”, sagte der 26-Jährige. Osnabrücks Spieler, aber auch die Verantwortlichen, hatten von Beginn an jeden gewonnenen Zweikampf, jede erfolgreiche Grätsche gegen die technisch beschlagenen Leipziger wie einen Torerfolg gefeiert. Der schmale Grat zwischen nötiger Aggressivität, um einen Favoriten zu beeindrucken und unsportlichem Verhalten, wurde spätestens dann überschritten, als VfL-Auswechsler Michael Hohnstedt RBL-Starstürmer Davie Selke nach einer vergebenen Chance aufgeregt anpöbelte. Wenige Sekunden später flogen mehrere Feuerzeuge auf den Platz. Die freie Wurfbahn ergab sich übrigens nur deswegen, weil Teile des Fangnetzes vor dem Fanblock zu Beginn des Spiels zusammengebrochen waren.
Nach Abbruch weiter Streit
Und auch nachdem der Schiedsrichter die Partie unterbrochen hatte und die Spieler auf dem Weg in die Kabinen waren, hätten die Gastgeber weiter Streit gesucht. „Selbst im Spielertunnel ging es noch zur Sache, auch da wurde noch extrem provoziert”, sagte Kaiser. Unter anderem seien RB-Spieler auf dem Weg zur Kabine aufgehalten worden. „Dass das nicht nur auf dem Platz passiert, sondern danach auch noch so weitergeht, schockiert mich”, sagte Leipzigs Spielführer.
Das bis dahin so heißblütige Osnabrücker Publikum reagierte nach der beherzten Ansprache von VfL-Präsident Hermann Queckenstedt mit Schockstarre auf den Abbruch, die ernüchternden Anhänger verließen das Stadion fassungslos, aber friedlich. VfL-Spieler Alexander Dercho sagte nach dem überhitzten Spiel fassungslos in der ARD-Sportschau: „Da werden Gegenstände auf Sportler geworfen. Da muss man sich auch mal fragen, was mit der Menschheit los ist. Tut mir leid, dafür habe ich kein Verständnis.”
Am Tag nach dem Eklat läuft derweil in Osnabrück die Suche nach dem Täter. Szenekundige Beamte der Polizei sichten Videomaterial, darunter auch Aufnahmen von Fans. Noch gebe es keine Anhaltspunkte, sagte eine Polizeisprecherin. Laut VfL-Boss Queckenstedt ist der Täter auf TV-Material auszumachen. „Wenn wir ihn finden, werden wir Konsequenzen ergreifen", sagte der Museumsdirektor der dpa. Immerhin drohe dem klammen VfL durch die Folgen des Spielabbruchs etwa eine halbe Million Euro Verlust. VfL-Trainer Trainer Maik Walpurgis formulierte derweil die Hoffnung auf ein Wiederholungsspiel. Rangnick hatte dem VfL eine Neuauflage angeboten, „weil wir uns sportlich und nicht am Grünen Tisch für die nächste Runde qualifizierten wollen”.
Doch Rangnick weiß, dass das DFB-Sportgericht wenig auf derartige Vorschläge der Vereine gibt. Der Schwabe hatte einen ähnlichen Fall bereits 2011 zum Auftakt seiner zweiten Amtszeit bei Schalke 04 erlebt. Damals war die Partie der Schalker bei St. Pauli am Millerntor nach einem Becherwurf auf Linienrichter Torsten Schiffner in der 88. Minute ebenfalls abgebrochen worden. Im Unterschied zum aktuellen Eklat hatte Rangnicks Team damals mit 2:0 geführt. So wurde die Partie denn auch vom Sportgericht gewertet, und das ist auch im aktuellen Fall die wahrscheinlichere Variante. Bis zum Donnerstag können sich die Beteiligten äußern, eine Entscheidung könnte bereits am Freitag fallen – pünktlich vor der geplanten Auslosung der zweiten Hauptrunde am Abend.
Ein Mindestmaß Respekt muss sein
Für die weitere Saison forderte Rangnick ein Mindestmaß an Respekt für sein Team ein. „Es wird sicher bei unseren Auswärtsspielen in der 2. Liga nicht extrem freundschaftlich zugehen. Das erwarten wir auch nicht”, sagte Rangnick. „Aber es muss gewährleistet sein, dass wir als Mannschaft, als Verein und vor allem die Schiedsrichter geschützt sind.”
