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Rückblick zu Bundestrainer Helmut Schön Rückblick zu Bundestrainer Helmut Schön: "Trainer von großem Format und großer Menschlichkeit"

Von Stephan Klemm 14.09.2015, 15:54
Der ehemalige Bundestrainer Helmut Schön war nicht nur für seine Fähigkeiten im Fußball bekannt, sondern auch für seine Mützen.
Der ehemalige Bundestrainer Helmut Schön war nicht nur für seine Fähigkeiten im Fußball bekannt, sondern auch für seine Mützen. dpa Lizenz

Köln - Nach dem Schlusspfiff findet sich die zweiköpfige Zweckgemeinschaft im großen Trubel. Links der beseelte Kapitän Franz Beckenbauer. Rechts der Bundestrainer Helmut Schön in hellblauer Trainingsjacke, aber ohne Mütze. Dafür jedoch mit strahlendem Gesicht, aus dem im stillen Jubel größtes Glück spricht. Die beiden halten sich im Arm. Vertrauter und Vertrauender, die sich arrangierten, als es eng wurde, weil es sein musste. Für den Erfolg.

Schön und Beckenbauer sind die Architekten des großen Triumphs, des Titelgewinns von München an jenem 7. Juli 1974, als ihre deutsche Nationalelf im WM-Finale mit 2:1 gegen die Niederlande gewann. Schön duldete Beckenbauers Forderungen und den Libero als spielenden Nebentrainer an seiner Seite. Das ist die wichtigste Leistung des wichtigen Fußballlehrers Schön, der an diesem Dienstag vor 100 Jahren in Dresden geboren wurde. Geholfen haben ihm dabei sein diplomatisches Naturell, sein Einfühlungsvermögen, aber auch seine Neigung, Mitspracherecht zu gewähren.

Langes Ringen um die Entscheidung für den Fußball

Die deutsche Mannschaft fand 1974 nur schwer ins Heimturnier, ihr letztes Vorrundenspiel verlor sie zudem mit 0:1 gegen die DDR. Das Land, in dem Dresden lag. Die Nacht danach wird die Zeit des Wandels. Schön – sensibel und konfliktscheu – zieht sich zurück auf sein Zimmer. Geht schlafen. Nicht aber seine Spieler, angeführt von Beckenbauer. Tacheles habe man geredet, bis fünf, sechs Uhr „bei viel Wein und Bier“, sagt Torhüter Sepp Maier in einer ARD-Dokumentation: Schön „hat uns gewähren lassen“. Die personelle Statik des Teams wird verändert, es startet durch zum Titelgewinn.

Helmut Schön wurde als Spieler mit dem Dresdner SC zweimal Meister und Pokalsieger, er bestritt 16 Länderspiele und erzielte dabei 17 Tore. Doch sicher, ob er sich dieser Welt restlos verschreiben sollte, war der Sohn eines Kunsthändlers nicht. Nach dem Abitur durchlief der Opern-Liebhaber eine Bank-Lehre, arbeitete in einem Pharma-Unternehmen und erwog, Medizin zu studieren. Und doch entschied er sich nach langer Überlegung für das Spiel mit dem Ball.

Schön steht für Erfolgsphase der deutschen Nationalmannschaft

Nach dem Krieg fand Schön schnell in den Trainerberuf, und mit Bundestrainer Sepp Herberger einen Förderer. 1950 siedelte Familie Schön (Frau Annelies, Sohn Stephan, ein promovierter Physiker) in den Westen über. Und dort wurde Schön 1956 von Herberger als Co-Trainer aufgenommen. Zuvor hatte der Lehrling als Auswahlcoach des Saarlandes überzeugt. Acht Jahre später löste Schön dann Herberger ab.

Schön war von 1964 bis 1978 Bundestrainer und steht für die „spielerisch hochwertigste, ereignisreichste und erfolgreichste Phase in der Geschichte der deutschen Nationalelf“, schreiben die Fußballhistoriker Dietrich Schulze-Marmeling und Hubert Dahlkamp. Der Gewinn der EM 1972 gilt als große Schön-Zeit: ästhetisch zum Erfolg.

Schön hatte mit Profis wie Beckenbauer, Paul Breitner, Uli Hoeneß, Wolfgang Overath, Günter Netzer, Jürgen Grabowski und Gerd Müller Erfolg. Und gewiss Spieler-Glück – doch es war eben auch eine Kunst, diese eigenwilligen Künstler zu einem Ensemble zu vereinen. „Helmut Schön war ein Trainer von großem Format und von großer Menschlichkeit“, lobte Beckenbauer.

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Auf der Bank zeigte sich Schön gern mit einer in grün-blau-schwarzen Karoelementen gehaltenen Mütze. Sie wurde zu seinem Markenzeichen. Der Mann mit der Mütze wurde Schön also genannt.

Aber es gab auch Rückschläge. 1967 verspielte das deutsche Team durch ein 0:0 in Albanien die EM-Qualifikation. Eine Schmach. Schön stand heftig in der Kritik, durfte seine Elf aber trotzdem weiterentwickeln. Nach der WM 1978 in Argentinien wollte er aufhören. Dort schied seine Elf – ohne Beckenbauer, Overath, Netzer, Grabowski, Hoeneß und Gerd Müller – früh aus, verspielte durch ein 2:3 gegen Österreich die Chance auf das Spiel um Platz drei – für Schön brach eine Welt zusammen.

Lebensende von Alzheimer geprägt

Schön verbrachte die zweite Hälfte seines Lebens in Wiesbaden, zuletzt zurückgezogen und geschwächt von der Alzheimer Krankheit. Er starb am 23.Februar 1996 im Alter von 80 Jahren. In Wiesbaden ist ein Sportpark nach ihm benannt, neben dem eine Schön-Büste (mit Mütze) steht. Und in Dresden, ganz in der Nähe des Stadions, gibt es jetzt eine Helmut-Schön-Allee.

Nach der Pleite gegen Österreich trat Schön still ab. Udo Jürgens linderte in ihm das Gefühl des unschönen Abschieds etwas durch seine Ode an den „Mann mit der Mütze“, die er Schön widmete und nach der WM 1978 auch in einer TV-Sendung vorsang. Da saß Schön im Spot neben seiner Frau im blauen Anzug, aber ohne Mütze und hörte sich gerührt an, wie Jürgens ihn hymnisch besang: „Der Mann mit der Mütze geht nach Haus. Und unsere Achtung nimmt er mit und unseren Applaus!“ Das Publikum gehorchte entschlossen. Mit Applaus. Langanhaltend.