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Nach kritischer Berichterstattung Nach kritischer Berichterstattung: Dynamo Dresden straft Journalisten ab

Von Felix Meininghaus 11.03.2015, 10:51
Kritik unerwünscht! Blick ins Dynamo Dresden-Stadion
Kritik unerwünscht! Blick ins Dynamo Dresden-Stadion dpa Lizenz

Leipzig - Der Anruf traf wie ein Keulenschlag: Ullrich Kroemer war gerade in seiner Leipziger Wohnung beschäftigt und kurz davor, sich auf den Weg nach Dresden zu machen, um über das Pokalspiel von Dynamo Dresden gegen Borussia Dortmund zu berichten. Den Weg könne er sich sparen, lautete die Botschaft, die von Henry Buschmann überbracht wurde.

Der Pressesprecher des Drittligisten teilte dem Journalisten mit, der Klub habe ihm soeben die Akkreditierung entzogen. Kroemer dachte an „einen schlechten Scherz, so etwas Krasses wie ein Stadionverbot für Journalisten hätte ich nicht für möglich gehalten“. Doch der Klub aus der sächsischen Landeshauptstadt meinte es ernst mit dem Bann. Geschäftsführer Robert Schäfer hatte sich über Kroemers Berichterstattung im Vorfeld des Pokalspiels dermaßen echauffiert, dass er zu rüden Maßnahmen griff und dem Journalisten die Arbeitsberechtigung entzog.

Vom ZDF-Portal verschwunden

Grund für die Maßnahme war ein Bericht, der am Morgen des Spieltags auf zdfsport.de zu lesen war, und der sich mit der Frage beschäftigte, warum Dynamo Dresden sein Fanproblem nicht in den Griff bekommt. Tenor: Der Vulkan Dynamo breche auch deshalb immer wieder aus, weil es dem Verein nicht gelinge, zu seinen gewaltbereiten Anhängern nachhaltig auf Distanz zu gehen.

Schäfer war erbost und nahm Kontakt zu ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz auf. Mittags nahmen die Dinge dann Fahrt auf: Kroemers Bericht wurde von der Plattform genommen und ist seitdem nicht mehr zu lesen. Wer auf den Link klickt, mit dem man morgens noch zum Artikel mit der Headline „Es kann gut gehen, muss aber nicht“ gelangte, landete nun auf einer toten Seite: „Die von Ihnen gewünschten Inhalte sind unter der aufgerufenen Adresse nicht oder auch nicht mehr vorhanden.“

Nachmittags, als der Artikel verschwunden war, machte Dynamo Dresden dann einen Rückzieher und erteilte dem Journalisten die Absolution, abends im Stadion seinem Beruf nachgehen zu dürfen. Auf den ersten Blick klingt die Verquickung der Ereignisse verdächtig nach einem Kuhhandel zwischen Dynamo Dresden und dem ZDF. Nach dem Motto: Ihr entfernt die unliebsame Berichterstattung von Eurer Plattform, dafür lassen wir Euren Mitarbeiter bei uns ins Stadion.

Weitere Informationen lesen Sie auf Seite 2.

Dem widerspricht Gruschwitz. Einen solchen Deal habe es nicht gegeben, „wir haben von uns aus entschieden, den Artikel offline zu stellen, bevor wir mit Herrn Schäfer und Dynamo Dresden gesprochen haben“. Als Begründung für den Entschluss, eine Berichterstattung, die zunächst inhaltlich abgesegnet worden war, nun zu verbannen, nennt Gruschwitz vage „redaktionelle Gründe“. Das Thema Dynamo Dresden und seine Fans sei „äußerst sensibel“, bei der ersten Prüfung von Kroemers Bericht habe „die redaktionelle Sorgfalt nicht ausgereicht“. Es wird in der Redaktion gerauscht haben, Gruschwitz berichtet, der Artikel habe „intern und extern für großen Wirbel gesorgt“.

Mit seinem Mitarbeiter nahm Gruschwitz übrigens erst eine knappe Woche später persönlich Kontakt auf, um ihm die Vorgehensweise des ZDF zu erläutern. Gleiches gilt für Dynamos Geschäftsführer Robert Schäfer. Es gehört zu den Merkwürdigkeiten dieser an Merkwürdigkeiten reichen Geschichte, dass die Angelegenheit zur Chefsache erklärt wurde, ohne den Autor direkt in die Diskussion einzubeziehen. Schäfer und Gruschwitz verhandelten über Kroemers Kopf hinweg zwischen Dresden und Mainz, mit dem Verfasser befassten sich sechs Tage lang lediglich Mitarbeiter der ZDF-Sportredaktion sowie Dresdens Pressesprecher.

Mit dem Holzhammer

Beim Verband Deutscher Sportjournalisten (VDS) hat der Fall für Beachtung gesorgt, etwas Vergleichbares habe es bisher nicht gegeben. Er halte es für „besorgniserregend, wenn kritische Berichterstattung auf diese Weise sanktioniert wird“, sagt VDS-Präsident Erich Laaser: „Wir sind immer noch die vierte Gewalt im Staat. Wenn Akkreditierungen entzogen werden, ist das ein Angriff auf die Pressefreiheit. Gegen so etwas müssen wir uns ganz eindeutig verwahren und solche Vorkommnisse bloßstellen.“ Grundsätzlich hält er es „für den falschen Weg, den Holzhammer rauszuholen“.

Dresdens Geschäftsführer mochte sich zur Angelegenheit nicht äußern. Robert Schäfer ließ über Pressesprecher Buschmann ausrichten, die Angelegenheit sei zwischen Dynamo, dem ZDF und dem Journalisten inzwischen ausgeräumt, mehr sei nicht zu sagen. Im Jargon der Kicker heißt das: „Mund abputzen, weiter geht’s.“ Tatsächlich wurde in Dresden schon am Wochenende wieder Fußball gespielt und über Fußball berichtet. „Ich bin darum bemüht, mit Dynamo wieder eine Basis herzustellen“, sagt Kroemer. Der Journalist hofft, er könne „künftig kritisch über Dynamo berichten, ohne Ressentiments fürchten zu müssen“. (mz)