Kommentar zum Arzt des FC Bayern München Kommentar zum Arzt des FC Bayern München: Beim Rücktritt von Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt geht es um Macht

Ein Gefühl für Timing hat er ja. Obwohl die Spannungen mit Bayern-Trainer Pep Guardiola seit längerem bekannt sind, schmiss Mannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt just in dem Moment die Brocken hin, als sich der Klub von der Niederlage gegen den FC Porto erholen musste – mit der Begründung, man habe ihn für diese Schlappe im Viertelfinale der Champions League verantwortlich gemacht. Tatsächlich könnte der Rücktritt bei Deutschlands Top-Verein ein kleines Beben auslösen.
Vordergründig deutet manches auf einen Streit um Eitelkeiten hin. Der stolze Katalane wollte, dass der stolze Bayer, der in Wahrheit ein stolzer Niedersachse ist, stets Gewehr bei Fuß steht, wenn irgendeiner der feinen Füße sich verletzt. Handfeste Scherereien gab es um die Mehrfach-Leiden des Guardiola-Zöglings Thiago Alcántara. In Wahrheit geht es freilich um Macht und die Frage: Wer hat das Sagen im Klub? Müller-Wohlfahrt, seit Ewigkeiten und mit 72 Jahren immer noch im Amt, gehört zur Identität desselben. Eigentlich.
Dabei steht es um den FC Bayern keineswegs so gut, wie es scheinen mag. Die Spieler werden Mühe haben, in der Champions League noch eine Runde weiter zu kommen. Ohne Arjen Robben und Franck Ribéry läuft vorne nicht viel. Gegen Borussia Dortmund stellte sich die Mannschaft sogar 90 Minuten hinten rein. Mario Götze wäre einer, der die Lücken schließen könnte – hätte er, als im Schulunterricht das Wort Leidenschaft an der Reihe war, nicht unentschuldigt gefehlt.
Tragende Säulen wie Robben und Ribéry, aber auch Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger wiederum nähern sich dem fußballerischen Rentenalter. Ersatz ist noch nicht in Sicht. Doch ohne positive Perspektive werden sie den ehrgeizigen und stets etwas unterkühlt wirkenden Guardiola kaum noch lange in München halten können. Er ist ja nicht aus Liebe gekommen.
Deutschlands Fußball-Fans wurden und werden jedenfalls in dieser Woche prächtig unterhalten. Jürgen Klopp weg, Bruno Labbadia wieder da, Thomas Tuchel vielleicht bald ebenfalls – und Müller-Wohlfahrt plötzlich verschwunden. Während auf dem Bundesliga-Rasen das meiste schon entschieden ist, hält die Liga abseits des Rasens die Spannung hoch. Danke dafür!
