Jonas Hector Jonas Hector: Der stille Held von Bordeaux

Bordeaux - Selbstverständlich gibt es Fußballer, die nur darauf warten, ein großes Spiel zu entscheiden. Die sich schon vorher ausgucken, welche Kamera sie auf ihrem Jubellauf anvisieren. Die womöglich eine kleine Choreografie vorbereitet haben, ein Tänzchen oder wenigstens ein T-Shirt mit einer Botschaft darauf. Es gibt Spieler, die dafür geboren sind, dass der Erfolg der Mannschaft am Ende mit ihrem Gesicht verbunden wird. Die kaum etwas anderes im Sinn haben, wenn sie auf den Platz gehen. Und dann gibt es Jonas Hector.
Wer verstehen will, was es für den 26-jährigen Linksverteidiger aus Köln bedeutet, seit dem spektakulären 7:6-Erfolg nach Elfmeterschießen im EM-Viertelfinale über Italien ein deutscher Held zu sein, der muss sich nur eine Szene vom 12. April 2015 ansehen. Der 1. FC Köln spielte damals daheim gegen die TSG Hoffenheim und mühte sich um den Verbleib in der Ersten Liga. Hector kam auf dem linken Flügel an den Ball, fand keine Anspielstation. Umspielte den ersten Gegner. Dann einen zweiten. Einen dritten. Das Stadion erhob sich, während Hector den vierten Hoffenheimer aussteigen ließ. Es folgte ein fünfter, dann ein etwas wackliger Torschuss mit dem rechten Fuß. 3:1 für Köln, die Zuschauer waren außer sich. Als Jonas Hector anschließend zur Entstehung seines Traumtors gefragt wurde, antwortete er, sein Sololauf sei nicht geplant gewesen. Sondern habe sich eher so ergeben. Irgendwann, erklärte Hector, sei er „aus der Sache einfach nicht mehr rausgekommen“. Als habe er Alternativen gesucht zum persönlichen Erfolg.
Hector will nicht im Mittelpunkt stehen
Als er nach dem Duschen aus den Katakomben des Stade Matmut Atlantique von Bordeaux trat, war es schon Sonntag geworden. Hector hatte seine Hände tief in den Taschen seiner Trainingshose vergraben und schien sich zu fragen, wie er aus dieser Sache wieder herauskommen sollte. Lukas Podolski hatte sich noch im Stadion von einem Kölner Fan mit einem FC-Schlapphut ausstatten lassen und sich gleich mit Hector fotografiert, das Bild ging nun seit mehreren Minuten viral um die Welt. Podolski ist ein großer Fan des 1. FC Köln, früher war er dort selbst ein Star. Mittlerweile ist Jonas Hector die große Berühmtheit des Vereins. Die internationale Presse widmete dem stillen Verteidiger ihre Aufmacherzeilen. Doch der Spieler selbst stand einfach nur da in der kühlen Nacht von Bordeaux, während in seinem Rücken schon der Diesel des Mannschaftsbusses lief. Er musste jetzt wirklich los, Entschuldigung.
Er schien sich eher nach innen zu freuen, ungewöhnlich angesichts der Situation. Aber was sollte er groß tun? „Ich muss doch vor den Mikrofonen stehen. Es würde Ihnen ja nichts bringen, wenn ich hier rumspringe“, sagte er und hatte ja durchaus recht damit.
Bundestrainer Joachim Löw hatte ein „gutes Gefühl”
Hector musste sich schließlich selbst noch von seinem Schreck erholen. Denn sein Versuch vom Punkt, der 18. dieses dramatischen Elfmeterschießens, war nicht gerade ein perfekter. Buffon war wie bei so vielen Elfmetern zuvor ins richtige Eck getaucht und eigentlich nur über den Ball hinweggesprungen, weil der nicht gut genug platziert war. „Im ersten Moment dachte ich, er hat ihn. Aber dann war er doch drin“, berichtete Hector, dem im Moment des „Er hat ihn“-Gedankens ein Anflug von Entsetzen über das Gesicht geflimmert war. Doch am Ende blieb nur Freude, Hector musste sich massiv herzen lassen. Doch damit wird er leben können.
Joachim Löw war wenige Augenblicke nach dem Elfmeter-Spektakel schon wieder vollständig abgekühlt. Der Bundestrainer hatte sich keine großen Sorgen gemacht, obwohl die deutsche Elf, die nach Özils Treffer in der 65. Minute das Geschehen bestimmt hatte, durch Bonuccis Strafstoßtreffer (78.) noch den Ausgleich hatte hinnehmen müssen. „Der Jonas ist ein seriöser Spieler, der sich sehr gut konzentrieren kann. Bei ihm hatte ich ein gutes Gefühl“, beschrieb der Bundestrainer.
Hector behielt in der entscheidenden Situation die Nerven
Trotz einer überlegenen Leistung hatten es die Deutschen nicht geschafft, Italien aus dem laufenden Spiel heraus zu schlagen. Während des Elfmeterschießens waren sie dann zweimal nur einen Fehlschuss vom Aus entfernt. Doch die verschossenen Versuche von Özil, Müller und Schweinsteiger waren ohne Folgen geblieben, weil gleich vier Italiener gescheitert waren und Hector im entscheidenden Moment die Nerven behielt.
Der Kölner verwies hinterher stoisch auf den Mannschaftserfolg. „Man sollte die anderen Spieler jetzt nicht hinten runterfallen lassen. Es war vielleicht der entscheidende Elfmeter, aber ohne Manu Neuer wäre es dazu nicht gekommen. Und ohne diejenigen, die getroffen haben, auch nicht.“
Der Welttorhüter hatte zwar über Phasen dieses mit insgesamt 18 Versuchen längsten Elfmeterschießens der DFB-Geschichte keinen Zugriff gefunden, während sein Gegenüber Gianluigi Buffon den Bällen der Deutschen immer näher zu kommen schien. Doch dann hatte Neuer nach Bonuccis auch Darmians Schuss gehalten. Und Jonas Hector, der schön Özils 1:0 vorbereitet hatte, damit die Möglichkeit gegeben, sich in eine Situation zu bringen, aus der er sobald keinen Ausweg finden wird.