Jena statt Aserbaidschan Jena statt Aserbaidschan: Corona zwingt Weltenbummler Bernd Stange zur Pause

Jena - Vor einigen Tagen erreichte Bernd Stange eine unverhoffte Anfrage. Ein Fernsehsender aus dem Irak nahm mit einer Bitte Kontakt auf. Vielleicht könne er ein kleines Video aufnehmen und den Menschen in dem Land im Mittleren Osten raten, angesichts der Coronavirus-Pandemie zu Hause zu bleiben. „Dass man sich nach so vielen Jahren an mich erinnert. Da war ich erst mal überrascht, aber natürlich auch erfreut“, berichtet Stange.
Also kramte Stange die alte Jacke hervor, die er noch aus der Zeit als Nationaltrainer des Irak von 2002 bis 2004 besaß. Der 72-Jährige schlüpfte in das gute Stück, schnappte sich sein Smartphone und drehte in seinem Jenaer Garten das gewünschte Video. So half Stange einmal mehr den Menschen in dem zerrütteten Land - und auch ein wenig sich selbst.
Bernd Stange: Corona verhindert Reise zur Trainerausbildung nach Aserbaidschan
Denn der Weltenbummler hängt zu Hause fest. Da ist jede Abwechslung natürlich willkommen. Eigentlich sollte Stange in diesen Tagen in Aserbaidschan weilen, dort Vorträge in der Trainerausbildung halten. Doch wie alles andere liegt auch diese Reise erst mal auf Eis. „Ich halte mich da strikt an die Vorgaben der Experten“, betont Stange. Er hat Routine, Krisen sind für ihn nichts Neues.
Der frühere Coach von Hertha BSC und dem VfB Leipzig hat viel Leid gesehen und erlebt. Nicht nur im Irak, auch in Syrien, wo er bis Januar 2019 Nationaltrainer war. „Es gibt Bilder, die bekommt man nicht mehr aus dem Kopf“, berichtet Stange. „Wenn ich bei der Essensausgabe geholfen haben und unzählige Kinder ihre leeren Schüsseln hochreckten, um nur ein wenig mehr trockenen Reis zu bekommen, dann sind die Opfer, die wir gerade erbringen, vergleichsweise klein.“
Stange hofft, dass die Corona-Krise die Welt zu einem solidarischeren Ort macht. „Es liegt mit total fern, diese Krise herunterzuspielen. Sie schafft genug Leid“, meint Stange. „Doch jetzt wo es uns erwischt hat, tritt alles andere in den Hintergrund. Es gibt nur noch Corona. Ich hoffe, dass die Welt Corona als Weckruf sieht.“
Bernd Stange wünscht sich mehr Engagement im Kampf gegen Hunger und Leid
Als Weckruf dafür, sich nach überstandener Pandemie weiterhin dem Leid anderer zu widmen. „Hunger, Wassermangel oder Malaria. Ich wünsche mir, dass wir danach mit gleicher Intensität diese Probleme angehen und Todesraten senken“, betont der Trainer. Allein ihm fehle aus Erfahrung der Glaube. „Aber ich lasse mich gern überraschen.“
Stange selbst wird nach der Krise wieder sein Wissen in aller Welt weitergeben. In Singapur, Weißrussland, Oman, Ukraine und Zypern war er Trainer. „Jetzt halte ich Vorträge, bin in Weißrussland oder Aserbaidschan unterwegs“, berichtet Stange. Zuletzt gab es eine Anfrage von einem Club aus Zypern, ob er noch einmal Trainer sein wolle.
Entlassung als Nationaltrainer von Syrien hat Bernd Stange schwer getroffen
Doch diese Zeit ist vorbei. „Der syrische Verband hat entschieden, Trainer Bernd Stange zu entlassen.“ Diese knappe Mitteilung beendete im Prinzip seine Laufbahn. Mitten im Asien-Cup Anfang 2019, kurz vor dem Spiel gegen Australien. „Das war sehr hart für mich. Von heute auf morgen war Schluss und man trägt sich immer mit dem Gedanken, das es das doch nicht gewesen sein könne“, erklärt Stange.
Doch das war es. Neben seinen internationalen Vorträgen tourt der Trainer außerdem mit einem Talkshow-Format durch die Region. „Mit meinem alten Freund Jürgen Croy plaudere ich ein wenig über die vergangenen Zeiten. Das wird gut angenommen und bereitet mir viel Freude“, sagt Stange. Ebenso viel Freude wie unverhoffte Anfragen aus dem Irak. (dpa)