Interview mit Rechtsanwalt Engelbert Bender Interview mit Rechtsanwalt Engelbert Bender : "Ersttäter bekommen in der Regel eine Geldstrafe"

Köln - BVB-Profi Marco Reus ist jahrelang ohne Führerschein im Straßenverkehr unterwegs gewesen. Nach zahlreichen Verkehrsdelikten muss der Nationalspieler ein Bußgeld von 540.000 Euro zahlen. Zu diesem Thema haben wir uns mit Rechtsanwalt Engelbert Bender unterhalten.
Gegen welches Gesetz hat Marco Reus verstoßen?
Engelbert Bender: Gegen den Paragraf 21 des Straßenverkehrsgesetzes. Er besagt unter anderem, dass man mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft wird, wenn man ohne Fahrerlaubnis fährt.
Warum ist es den Behörden nicht früher aufgefallen, dass Marco Reus Autos besitzt und sie auch fuhr, obwohl er keinen Führerschein hat?
Bender: Beim Autokauf muss man keinen Führerschein vorzeigen. Jeder kann ein Auto kaufen. Auch bei der Anmeldung eines Wagens ist das nicht notwendig. Ich kann Halter eines Fahrzeuges sein, obwohl ich keinen Führerschein habe. Auch Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) oder Aktiengesellschaften (AG) können Wagen bei der Zulassungsstelle anmelden.
Marco Reus wurde in den letzten Jahren mehrfach geblitzt, aber jetzt erst verurteilt. Warum so spät?
Bender: Wenn ein Fahrer zu schnell fährt und geblitzt wird, bekommt er – ab einer gewissen Grenze – einen oder mehrere Punkte beim Fahreignungsregister in Flensburg eingetragen. Und von der örtlichen Bußgeldstelle ein Knöllchen. Bei diesen Vorgängen prüft erst einmal keiner, ob der Halter überhaupt einen Führerschein hat. Die Mitarbeiter des Kraftfahrt-Bundesamtes in Flensburg melden die Fahrer erst bei der Fahrerlaubnisbehörde, wenn sich die Vergehen häufen. Das sind drei verschiedene Behörden im Spiel. Eine sogenannte Quermitteilung zwischen ihnen erfolgt nur direkt nach dem ersten Blitzen, wenn noch eine andere Straftat im Spiel ist. Zum Beispiel wenn der Fahrer mit einem Joint am Steuer fotografiert wird.
Wie setzt sich seine Strafe von 540.000 Euro zusammen?
Bender: Die Geldstrafe bemisst sich nach Tagessätzen, die auf dem Einkommen des Verurteilten beruhen. Wenn bei Marco Reus 90 Tagessätze zugrunde gelegt wurden, geht die Staatsanwaltschaft von einem Monatseinkommen von 180.000 Euro aus. Die Berechnung der Tagessätze könnte folgendermaßen ausgesehen haben: Veranschlagt wurden 30 Tagessätze für je eine Einzeltat – sprich einmal blitzen. Es wurden alle Taten zusammengerechnet. Wenn er fünf Mal geblitzt wurde, entspricht das also eigentlich 150 Tagessätzen. Dann wurde sehr wahrscheinlich ein Abzug gewährt und man hat sich auf eine bestimmte Anzahl an Tagessätzen geeignet. Das ist so weit normal.
Rechtsanwalt Engelbert Bender ist Anwalt für Familienrecht und Verkehrsrecht. Seit 2009 gehört er dem Vorstand der Kölner Verkehrswacht an. Darüber hinaus ist er Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein, sowie der Deutschen Akademie für Verkehrswissenschaften e.V. Seit 2002 ist RA Engelbert Bender darüber hinaus Vertragsanwalt des ADAC.
Wenn er bei fünf Fahrten geblitzt wurde, muss man doch davon ausgehen, dass er mehrfach gefahren ist.
Bender: Es werden nur die Taten zugrunde gelegt, die ihm nachgewiesen werden können.
Warum droht ihm keine Gefängnisstrafe, die ja laut Gesetz theoretisch auch möglich wäre?
Bender: Ersttäter bekommen in der Regel eine Geldstrafe. Erst wenn sich die Vergehen häufen, bekommen sie dann Freiheitsstrafen auf Bewährung und erst dann eine Gefängnisstrafe.
Darf man in Ausnahmesituationen ohne Führerschein fahren?
Bender: Wenn ich in der Eifel auf dem Bauernhof wohne und meinen Großvater mit Herzinfarkt ins Krankenhaus nach Mechernich bringen muss, ist das was anderes, als wenn ich mit dem offenen Cabrio eine Spritztour durch die Eifel mache. Fahren ohne Führerschein ist in beiden Fällen ein Vergehen, aber im ersten Fall liegt ein geringerer Verschuldungsgrad vor. Jeder Anwalt im Rheinland würde hier das Verfahren einstellen. Natürlich muss man aber die Ausnahme- bzw. Notsituation nachweisen können, z.B. mit dem Aufnahmeformular des Krankenhauses.
Das Gespräch führte Sabrina Birkenbach