Interview mit Peter Gulacsi Interview mit Peter Gulacsi: "Wir machen Ungarn glücklich"

Marseille - Mit einem breiten Grinsen im Gesicht zog Peter Gulacsi seinen Rollkoffer durch das Stade Vélodrome. Soeben hatten sich seine Ungarn durch ein isländisches Eigentor kurz vor Schluss noch ein 1:1 gesichert. Das Team des deutschen Trainerduos Bernd Storck und Andreas Möller hat bei der Europameisterschaft in Frankreich vor dem letzten Gruppenspiel gegen Portugal (Mittwoch, 18 Uhr, Lyon) beste Chancen auf das Achtelfinale - womit kaum einer gerechnet hätte.
Die Nationalmannschaft begeistert ganz Ungarn - und RB Leipzigs Aufstiegskeeper Peter Gulacsi ist froh, dabei zu sein. Daniel George sprach mit dem 26 Jahre alten Keeper.
Herr Gulacsi, wie emotional war dieses Spiel denn bitte?
Peter Gulacsi: Schon ziemlich emotional. Den einen Punkt haben wir uns aber auch verdient. Wir haben die ganze Zeit versucht, Fußball zu spielen und eine super Moral gezeigt. Mit dem Unentschieden können wir gut leben.
Die Chancen auf das Achtelfinale stehen mit bislang vier Punkten aus zwei Spielen hervorragend. Wie groß ist die Euphorie bei Ihnen und im Team?
Peter Gulacsi: Die EM ist ein Wahnsinns-Erlebnis für uns, auch für mich persönlich. Ich habe die ganze Saison für solche Momente gearbeitet. Momentan spiele ich zwar nicht, aber wir wollen als Mannschaft erfolgreich sein. Und das funktioniert bislang sehr gut. Wir sind ein mutiges Team.
Mit dem Schweden Emil Forsberg und den Österreichern Marcel Sabitzer und Stefan Ilsanker spielen drei weitere RB-Kicker bei der EM. Haben Sie Kontakt untereinander?
Peter Gulacsi: (zeigt auf sein Handy) Klar, ich habe gerade Nachrichten von ihnen bekommen. Sie haben sich das Spiel auch angeschaut. Und alle sind überrascht, wie gut wir sind.
Wie weit kann es für Ungarn bei der EM denn noch gehen?
Peter Gulacsi: Wir wollen im letzten Gruppenspiel gegen Portugal unbedingt noch einmal punkten, damit wir nicht als Dritter ins Achtelfinale gehen. So würden wir einen stärkeren Gegner vermeiden. Dann schauen wir mal, gegen wen wir in der nächsten Runde spielen.
Hinter Ihnen liegen unheimlich aufregenden Wochen: Der Bundesliga-Aufstieg mit RB Leipzig, ihre Hochzeit mit Diana während der EM-Vorbereitung, jetzt das große Turnier in Frankreich. Welches Erlebnis war oder ist am schönsten?
Peter Gulacsi: Alle sind ganz besonders. Für den Aufstieg haben wir fast elf Monate zusammen gearbeitet. Das war ein sehr langer, ein sehr schwieriger Weg. Die Aufstiegsparty war der Wahnsinn. Die Hochzeit war für mich und meine Familie sehr schön und wichtig. Und die EM ist jetzt für ganz Ungarn etwas tolles.
Stolze 44 Jahre sind seit der letzten EM-Teilnahme Ungarns vergangen, die Fans lechzen nach erfolgreichem Fußball auf der großen Bühne.
Peter Gulacsi: Ja, das ganze Land freut sich auf unsere Spiele. Wir machen Spaß momentan. Es freut uns unheimlich, dass wir so viele Ungarn glücklich machen.
Anders als zuletzt bei RB Leipzig sitzen Sie bei der Nationalmannschaft nur auf der Bank. Kult-Keeper Gabor Kiraly steht selbst mit 40 Jahren noch zwischen den Pfosten. Wie läuft die Zusammenarbeit mit ihm?
Peter Gulacsi: Gabor ist ein super Mensch. Wir sind Freunde. Mit ihm zu arbeiten, ist eine sehr große Sache für mich. Ich kann viel von ihm lernen. Dass er mit 40 Jahren noch so fit sein kann, ist etwas ganz Besonderes. Wir sind jetzt schon seit über einem Monat zusammen und er hilft uns Torhütern im Training jeden Tag. Wir versuchen, das zurückzugeben und ihn zu unterstützen.
Gibt es von ihm manchmal Kleidungstips? Stichwort Jogginghose.
Peter Gulacsi: (lacht) Nein, nein, ich bleibe bei meinem Stil. Bei ihm funktioniert das mit der grauen Jogginghose aber gut, das macht ihn speziell.
Kiraly ist mit seinen 40 Jahren der älteste Spieler, der je bei einer EM gespielt hat. Irgendwann wird aber auch er aufhören müssen. Wie sehen Sie Ihre Perspektive in der Nationalmannschaft?
Peter Gulacsi: Das ist ganz klar: Ich will bei RB Leipzig in der ersten Bundesliga spielen! Das wird eine super Herausforderung. Und wenn ich dort spiele, habe ich alle Möglichkeiten, auch in der Nationalmannschaft um die Nummer eins zu kämpfen. Ich weiß nicht, was Gabor nach der EM macht. Ich hoffe, dass er noch lange weitermacht. Für mich ist es einfach wichtig, dass ich meinen Job gut erledige und dann schauen wir, was sich ergibt. Aber um darüber zu sprechen, ist es noch zu früh. Die EM ist für uns noch nicht vorbei.