Teamchecks EM 2016: Albanien, Island, Ungarn und Co - die Newcomer im Teamcheck

24 Mannschaften kämpfen vom 10. Juni bis zum 10. Juli um den Henri Delaunay-Pokal, die begehrte EM-Trophäe. Einige von ihnen sind zum ersten Mal dabei und platzen vor Vorfreude auf ihr erstes großes Turnier. Andere hoffen auf die Rückkehr zu einst goldenen Zeiten. Der große Team-Check vor der Europameisterschaft 2016 in Frankreich.
Albanien - Die große Unbekannte
Der Trainer: Gianni De Biasi (59)
Gianni De Biasi hat in seiner Funktion als albanischer Fußball-Nationaltrainer vielleicht so etwas wie seine Erfüllung gefunden. Als er im Dezember 2011 vom albanischen Verband als Nachfolger von Josip Kuze verpflichtet wurde, konnte wohl niemand ahnen, dass der Italiener so lange bleiben würde. Inzwischen besitzt er sogar die albanische Staatsangehörigkeit.
Mit der erstmaligen Qualifikation für eine EM-Endrunde sorgte der Fußballlehrer für den größten internationalen Erfolg der Skipetaren. In seinem Heimatland agierte De Biasi als Coach unter anderem beim FC Turin (insgesamt dreimal), Udinese Calcio, dem FC Modena und Brescia Calcio. Auch in Spanien bei UD Levante sammelte er Erfahrung.
De Biasi hatte immer den Ruf, eine Art „Feuerwehrmann“ zu sein. Aber in Albanien hat er gezeigt, dass er auch erfolgreiche Aufbauarbeit leisten kann. Sein Team gilt als taktisch diszipliniert, kampf- und laufstark. Und De Biasi hat es geschafft, eine homogene Einheit zu formieren.
Der Star-Spieler: Elseid Hysaj (22)
Während das Augenmerk der meisten vor dem Turnier auf Albaniens Kapitän Lorik Cana liegt, in dessen Vita immerhin Vereine wie PSG, Olympique Marseille, der AFC Sunderland, Galatasaray, Lazio Rom oder zuletzt der FC Nantes zu finden sind, wächst im Schatten des großen "Zerstörers" (Canas Spitzname) ein noch viel aufregenderes albanisches Talent heran.
Der 22 Jahre alte Elseid Hysaj sicherte in der vergangenen Saison in 35 Partien für den SSC Neapel die rechte Außenbahn ab. Hysajs Werdegang ist ein kleines Fußballmärchen.
Als sein Vater, der als Maurer bei einem Spielervermittler in Italien arbeitete, beiläufig erwähnte, dass sein damals zehnjähriger Sohn ein talentierter Fußballspieler sei, versprach der Vermittler ihm, dem kleinen Elseid, wenn er älte sei, ein Probetraining in Italien zu verschaffen. Vier Jahre später löste der Berater sein Versprechen ein und Hysaj wechselte nach mehreren Probetrainings zum FC Empoli.
2014 führte er den Zweitligisten zum Aufstieg und wechselte ein Jahr später zum SSC Neapel. Zuletzt sollen der FC Bayern München und Bayer 04 Leverkusen an einem Transfer interessiert gewesen sein.
Die Mannschaft:
Tor:
Etrit Berisha (Lazio Rom),
Alban Hoxha (Partizan Tirana),
Orges Shehi (KF Skenderbeu)
Abwehr:
Ansi Agolli (Qarabag Agdam),
Arlind Ajeti (Frosinone Calcio),
Naser Aliji (FC Basel),
Lorik Cana (FC Nantes),
Elseid Hysaj (SSC Neapel),
Mergim Mavraj (1. FC Köln),
Frederic Veseli (FC Lugano)
Mittelfeld:
Ledian Memushaj (Delfino Pescara),
Ergys Kace (PAOK Saloniki),
Andi Lila (PAS Giannina),
Migjen Basha (AC Como),
Odise Roshi (HNK Rijeka),
Burim Kukeli (FC Zürich),
Ermir Lenjani (FC Nantes),
Taulant Xhaka (FC Basel),
Amir Abrashi (SC Freiburg)
Angriff:
Bekim Balaj (HNK Rijeka),
Sokol Cikalleshi (Basaksehir),
Armando Sadiku (FC Vaduz),
Shkelzen Gashi (Colorado Rapids)
Albanien überzeugt unter Trainer De Biasi vor allem defensiv. Mit dem erfahrenen Lori Cana und Elseid Hysaj haben die Albaner in der Verteidigung ein starkes Fundament. Auch Kölns Mergim Mavraj soll dabei helfen die Abwehrkette vor Keeper Etrit Berisha (Lazio) zu verstärken.
Dennoch gilt der Neuling in der Gruppe A mit der Schweiz, Frankreich und Rumänien als krasser Außenseiter. Denn im Angriff hat Albanien große Probleme. Gesetzt ist lediglich Sokol Cikalleshi von Basaksehir Istanbul, ein Länderspieltor gelang ihm allerdings noch nicht.
Zu einem Kuriosum kommt es am 11. Juni gegen die Schweiz. Dann stehen sich die albanisch-stämmigen Xhaka-Brüder gegenüber. Granit Xhaka von Borussia Mönchengladbach entschied sich für die Eidgenossen, dessen Bruder Taulant vom FC Basel für die Heimat der Eltern. Auch Deutschlands Abwehrhüne Shkodran Mustafi hat albainische Wurzeln.
Die Historie:
Albanien ist zum ersten Mal bei einem großen Turnier dabei. Das Team von Trainer Gianni De Biasi qualifizierte sich noch vor Dänemark und Serbien für die Endrunde in Frankreich. Die «Kombetarja» gewann in der Qualifikation sogar in Portugal mit 1:0.
Einen Eklat gab es in der Qualifikation auch: Das politisch brisante Duell in Serbien wurde abgebrochen, nachdem es zu Ausschreitungen gekommen war. Eine Drohne war mit der Flagge Groß-Albaniens über das Spielfeld geflogen. Die Partie wurde mit 3:0 für Albanien gewertet.
Slowakei - Der halbe Debütant
Der Trainer: Ján Kozák (62)
Jan Kozak überließ nichts dem Zufall. Um bei der ersten EM-Teilnahme der slowakischen Fußballer überhaupt eine gute Rolle zu spielen, begann er schon im März mit der Vorbereitung. „Ihre Spielweise ist ähnlich, wir wollen den britischen Fußball studieren“, begründete er die Tests unter anderem gegen Irland und Nordirland. Denn bei der Endrunde treffen die Slowaken auch auf Wales und vor allem England - Festspiele, auf die sich Kozak gewaltig freut. „Es ist einfach phantastisch“, schwärmte der 62-Jährige von der Teilnahme in Frankreich: „Ich habe die Qualifikation niemals angezweifelt. Dieses Team besitzt Charakter, Qualität. Ich war von Anfang an überzeugt.“ Im Vergleich zu seinen Schützlingen ist Kozak übrigens ein alter Hase. Mit der Tschechoslowakei hatte der frühere Mittelfeldspieler an der EM 1982 und der WM 1982 teilgenommen. Im Jahr zwischen den beiden Events wurde er in der Tschechoslowakei zum Fußballer des Jahres gekürt.
Der Star-Spieler: Marek Hamšík (29)
Vor Kurzem musste Marek Hamsik mal wieder etwas klarstellen. „Er hat mich nicht angerufen. Nicht viele Menschen besitzen meine Handynummer“, sagte der Star der slowakischen Fußball-Nationalmannschaft über den angeblichen Kontakt zu Zinedine Zidane.
„Das sind die üblichen Gerüchte. Ich bin in Neapel sehr glücklich.“ Weil er dort eben glänzende Leistungen zeigte, soll Real Madrid auf den 28 Jahre alten Mittelfeldspieler aufmerksam geworden sein - und Real-Coach Zidane direkt angefragt haben. „In Neapel“, sagte Hamsik, „ist der Zusammenhalt gerade so groß. Ich will das bis zum Ende durchziehen.“
Das Ende seiner Vertragslaufzeit ist erst im Sommer 2018. Ohnehin will sich Hamsik jetzt voll und ganz auf die Nationalmannschaft und die Teilnahme bei der EM in Frankreich konzentrieren. „Wir sind alle einfach nur glücklich, Teil des Turniers zu sein. Wir haben schon mit der Teilnahme einen historischen Erfolg verbucht“, sagte Hamsik.
Die Mannschaft:
Torhüter:
Matus Kozacik (Viktoria Pilsen),
Jan Mucha (Slovan Bratislava),
Jan Novota (Rapid Wien)
Verteidigung:
Peter Pekarík (Hertha BSC),
Milan Skriniar (Sampdoria Genua),
Martin Skrtel (FC Liverpool),
Norbert Gyömber (AS Rom),
Jan Durica (Lokomotive Moskau),
Kornel Salata (Slovan Bratislava),
Tomas Hubocan (Dynamo Moskau),
Dusan Svento (1. FC Köln)
Mittelfeld:
Viktor Pecovsky (MSK Zilina),
Robert Mak (PAOK Saloniki),
Juraj Kucka (AC Mailand),
Patrik Hrosovsky (Viktoria Pilsen),
Jan Gregus (FK Jablonec),
Marek Hamsik (SSC Neapel),
Ondrej Duda (Legia Warschau),
Miroslav Stoch (Bursaspor),
Vladimir Weiss (Al Gharafa)
Sturm:
Michal Duris (Viktoria Pilsen),
Adam Nemec (Willem II Tilburg),
Stanislav Sestak (Ferencvaros Budapest)
Dass die slowakische Mannschaft alles andere als Laufkundschaft ist, musste das DFB-Team bereits bei der 1:3-Testspielniederlage vor der EM erfahren. Die Abwehr um den beinharten Martin Škrtel (FC Liverpool) sowie die Bundesligakicker Dušan Švento (1. FC Köln) und Peter Pekarik (Hertha BSC) besticht mit Aggression und rustikalem Defensivspiel. Auf der Torhüterposition ist die Slowakei mit Matúš Kozáčik (Viktoria Pilsen), Ján Mucha (Slovan Bratislava, ehemals FC Everton) und Ján Novota (Rapid Wien) dreifach gut besetzt, musste mit Dušan Kuciak (Hull City) sogar einen weiteren klasse Keeper zuhause lassen.
Das Prunkstück bleibt jedoch das Mittelfeld um Starspieler Marek Hamšík und den aufgehenden Stern Ondrej Duda von Polens Meister Legia Warschau. Gerade Duda könnte mit seiner Spielübersicht und seinem genialen Passspiel einer der Shootingstars des Turniers werden.
Die Historie:
Für die Slowakei als unabhängigen Staat ist die Qualifikation zur EM 2016 die erste für ein großes Turnier. Die Tschechoslowakei nahm allerdings zwischen 1960 und 1992 dreimal an einer Europameisterschaft teil. 1960 und 1980 wurde sie jeweils Dritter, 1976 besiegte die CSSR in der legendären „Nacht von Belgrad“ die BRD im Elfmeterschießen mit 6:4 und holte ihren bis heute einzigen EM-Titel. Das Elfmeterschießen war auch die Geburtsstunde des legendären „Panenka“-Elfers – dem frechen Elfmeter-Lupfer des tschechoslowakischen Mittelfeldspielers Antonin Panenka.
Nordirland - Der kleine Bruder
Der Trainer: Michael O'Neill (46)
Martin O'Neill (64) wuchs in Nordirland auf. Nach nur sieben Spielen für Lisburn Distillery wechselte er 1971 zu Nottingham Forest, wo er den Großteil (bis 1981) seiner Spieler-Karriere (u.a. 64 Länderspiele für Nordirland) verbrachte.
Als Trainer war er vor seiner Ernennung zum irischen Nationaltrainer Ende 2013 jeweils mehrere Jahre beim neuen englischen Meister Leicester City, bei Celtic Glasgow sowie bei Aston Villa. O'Neill war der Wunschkandidat des Irischen Fußball-Verbandes FAI für die Nachfolge von Giovanni Trapattoni, schockierte die Funktionäre allerdings gleich mit seiner Forderung, den früheren Kapitän Roy Keane als Assistenten zu bekommen. Beide bilden ein sehr erfolgreiches Gespann, obwohl O'Neill sagt: „Ich bin der bad cop - und er ist der bad, bad cop.“
Das Duo wird dafür gelobt, den „Boys in Green“ neuen Teamgeist eingehaucht zu haben. Für den Fußball opferte O'Neill eine Karriere als Kriminologe. Das dafür erforderliche Jurastudium brach er ab.
Der Star-Spieler: Kyle Lafferty (28)
„Der Star ist die Mannschaft“ - unter den 24 Teilnehmern der EURO 2016 (10. Juni bis 10. Juli) gibt es wohl kaum eine Nation, zu der dieser viel zitierte Satz besser passen könnte als zu Nordirland.
Wenn überhaupt jemand aus diesem eingeschworenen Haufen herausragt, dann ist es wohl Kyle Lafferty - aber auch nur, weil er dem bunten Lebensstil der 2005 verstorbenen nordirischen Spielerlegende George Best noch am nächsten kommt. Stürmer Lafferty, Jahrgang 1987, war einst mit der ehemaligen Miss Scotland Nicola Mimnagh verheiratet und sorgte auch sonst abseits des Platzes immer wieder für Schlagzeilen. Lafferty war es aber auch, der mit seinen sieben Toren in der Qualifikation einen maßgeblichen Anteil daran hatte, dass die Nordiren in diesem Sommer in Frankreich erstmals überhaupt an einer EM teilnehmen.
Die ungeplante EURO-Teilnahme sorgt übrigens auch für Chaos in Laffertys privatem Terminplan: Eigentlich war für den 28. Mai die Hochzeit mit dem schottischen Model Vanessa Chung geplant, nach Rücksprache mit Michael O´Neill wurde die Vermählung kurzerhand verschoben. Es gibt ja auch einen triftigen Grund.
Die Mannschaft:
Tor:
Alan Mannus (St. Johnstone),
Michael McGovern (Hamilton Academical),
Roy Carroll (Linfield)
Abwehr:
Craig Cathcart (Watford),
Jonathan Evans (West Bromwich Albion),
Gareth McAuley (West Bromwich Albion),
Luke McCullough (Doncaster Rovers),
Conor McLaughlin (Fleetwood Town),
Lee Hodson (MK Dons),
Aaron Hughes (vereinslos),
Patrick McNair (Manchester United),
Chris Baird (Derby County)
Mittelfeld:
Steven Davis (Southampton),
Oliver Norwood, (Reading),
Corry Evans, (Blackburn Rovers),
Shane Ferguson (Millwall),
Stuart Dallas (Leeds United),
Niall McGinn (Aberdeen),
Jamie Ward (Nottingham Forest)
Angriff:
Kyle Lafferty (Norwich City),
Conor Washington (Queens Park Rangers),
Josh Magennis (Kilmarnock),
Will Grigg (Wigan Athletic)
Der Großteil des nordirischen Teams verdient in der zweiten englischen Liga sein Geld. Im Tor sorgt der erfahrene Wandervogel Roy Carroll (Notts County, früher u.a. Olympiakos Piräus und West Ham United) für Ordnung, vor ihm ist Jonny Evans (West Bromwich Albion, früher Manchester United) der vielleicht einzige Star neben Kyle Lafferty im Sturm. Kapitän Steven Davis - einst der große Star bei den Glasgow Rangers und in Southampton nun etwas untergetaucht - und Readings Oliver Norwood ziehen im Mittelfeld die Fäden.
Neben Kyle Lafferty sorgte allerdings noch ein anderer Stürmer der Nordiren zuletzt für Furore: Der 23 Jahre alte Will Grigg von Drittligaaufsteiger Wigan Athletic wurde von den Anhängern seines Clubs aufgrund seiner Treffsicherheit mit einem eigenen Fangesang bedacht. Der sorgte erst vor kurzem für einen viralen Hit.
Die Historie:
Auch für die Nordiren ist es die erste Teilnahme an einer Europameisterschaft. Dabei wäre es 2008 bereits fast soweit gewesen, als Nordirland, angeführt von einem entfesselt treffenden David Healy, beinahe die Qualifikationsgruppe um Spanien, Dänemark und Schweden überstanden hätte. Am Ende verhalf aber auch der 3:2-Sieg gegen den späteren Europameister nicht zur Teilnahme.
Island - 23 aus 320.000
Der Trainer: Lars Lagerbäck (67)
Das Beste zum Schluss - so lautet das Motto von Lars Lagerbäck, dem schwedischen Trainer der isländischen Fußball-Nationalmannschaft. Nach 39 Jahren als Coach wird sich der 67-Jährige nach der Europameisterschaft in Frankreich wohl in den Ruhestand verabschieden - zuvor soll es aber ein letztes großes Hurra geben. Mit Fußballzwerg Island will Lagerbäck das Turnier rocken.
Ein Volksheld ist Lagerbäck auf der Vulkaninsel schon jetzt. 2011 hatte er, der als Aktiver selbst nie höher als in der dritten schwedischen Liga spielte, das Team auf Platz 108 der Weltrangliste übernommen. Noch hinter Haiti, Sudan und Kuwait. Inzwischen, keine viereinhalb Jahre und die sensationelle erstmalige Qualifikation für die EM später, liegt Island auf Rang 35. „Ich würde nicht sagen, dass ich jetzt ein Nationalheld bin“, sagte Lagerbäck: „Leute wie Nelson Mandela und Martin Luther King sind Helden. Ich bin nur ein Fußballtrainer.“
Seine Entscheidung, nach „vier fantastischen Jahren“ im Sommer aufzuhören, bereut er nicht. „Ich muss mir eingestehen, dass ich nicht jünger werde“, sagte Lagerbäck, der zuvor 19 Jahre (davon neun Jahre als verantwortlicher Nationaltrainer) beim schwedischen Verband gearbeitet hatte. Sein bisheriger Assistent Heimir Hallgrimsson wird das isländische Team nach der EM übernehmen.
Der Star-Spieler: Eidur Gudjohnsen (37)
Er war DIE Überraschung bei der isländischen Kader-Nominierung am 9. Mai: Eidur Gudjohnsen. Im buchstäblich letzten Moment sprang der 37-jährige Sturm-Oldie und mit Abstand bekannteste isländische Fußball-Export auf den EM-Zug auf.
Dabei hatte Gudjohnsen, langjähriger Star des FC Chelsea und beim FC Barcelona, seine internationale Karriere eigentlich schon im Jahr 2013 beendet. Und auch noch zu Jahresbeginn, der 84-malige Nationalspieler und Rekordschütze (25 Treffer) seines Landes befand sich nach kurzem China-Gastspiel mal wieder auf Vereinssuche, deutete nichts auf ein erneutes Comeback hin. Doch dann schloss er sich im Februar dem norwegischen Erstligisten Molde FK an - und überzeugte seinen Coach.
„Hätte er keinen neuen Klub gefunden, hätten wir ihn nicht berufen“, sagte Trainer Lars Lagerbäck und bescheinigte seinem Mittelstürmer die nötige Fitness und Leidenschaft für die EM. Schon im März 2015 war Gudjohnsen für drei Qualifikationsspiele zurückgeholt worden - der Torjäger dankte es mit einem Treffer.
Die Mannschaft:
#infoxbox
Das Team von Lars Lagerbäck lebt von der Euphorie rund um die Qualifikation, hat aber in der Defensive erhebliche Qualitätsprobleme. Ragnar Sigurdsson von FK Krasnodar und Abwehrtalent Hördur Björgvin Magnússon vom italienischen Zweitligisten AC Cesena werden gegen die geballte Sturmkraft Portugals in der Vorrunde kaum ausreichen.
Besser besetzt sind die Isländer in der Offensive. Basels Birkir Bjarnason, sowie Regisseur Gylfi Sigurdsson (Swansea City, ehemals TSG 1899 Hoffenheim) sind echte Hausnummern. Das Prunkstück ist aber der Angriff Islands, wo neben Legende Gudjohnsen auch Kolbeinn Sigþórsson (Nantes, ehemals Ajax Amsterdam) sowie die Deutschland-Legionäre Alfred Finbogasson (Augsburg) und Jón Dadi Bödvarsson (1. FC Kaiserslautern) auflaufen.
Die Historie:
Nur etwa 320.000 Menschen leben auf Island, doch das Team konnte sich trotzdem erstmals für ein großes Turnier qualifizieren. In der Qualifikation gelang es den Nordmännern unter anderem die Niederlande mit zwei Siegen (2:0 und 1:0, alle Tore erzielte Gylfi Sigurdsson) aus dem Rennen zu kicken.
Ungarn - Zurück zum Glück
Der Trainer: Bernd Storck (53)
Allzu große Begeisterung schlug Bernd Storck nicht gerade entgegen, als er im Juli 2015 von Pal Dardai das Amt des ungarischen Nationaltrainers übernahm. „Am Beginn waren die Leute skeptisch, weil sie mit mir als Nachfolger nichts anzufangen wussten“, erinnerte sich der 53-Jährige: „Den Job von einem Helden im Land zu übernehmen, ist eben nicht einfach.“
Erst wenige Monate zuvor war Storck vom ungarischen Verband als Sportdirektor verpflichtet worden, vor allem, um die Nachwuchsarbeit der einst so stolzen Fußball-Nation auf Vordermann zu bringen. Als Dardai zugunsten seines Zweitjobs beim Bundesligisten Hertha BSC um Freistellung bat, übernahm der langjährige Bundesliga-Assistenzcoach zusätzlich noch das Traineramt - mit Erfolg. Nicht zuletzt dank einiger unpopulärer Personalentscheidungen Storcks schaffte Ungarn in den Play-offs gegen Norwegen die erste Qualifikation für eine EM-Endrunde seit 1972.
Zum Lohn wurde der Vertrag des gebürtigen Westfalen zusammen mit dem seines Co-Trainers Andreas Möller bis 2018 verlängert. „Ich hoffe, dass das ein Anfang für eine bessere Zukunft ist“, sagte Storck.
Der Star-Spieler: Gabor Kiraly (40)
Obwohl Gabor Kiraly inzwischen mitunter doppelt so alt ist wie seine Teamkollegen bei der ungarischen Nationalmannschaft, gehört er noch lange nicht zum alten Eisen. Die personifizierte „Schlabberhose“ ist auch mit mehr als 40 Jahren eine Konstante im Tor der Magyaren - und könnte bei der Europameisterschaft in Frankreich sogar Lothar Matthäus als ältesten EM-Spieler der Geschichte ablösen.
39 Jahre und 91 Tage alt war Matthäus alt, als er mit Deutschland bei der EURO 2000 sang- und klanglos ausschied. Kiraly wird bereits zu Turnierbeginn 40 Jahre und 70 Tage alt sein. Die Chancen, dass der ehemalige Torhüter von Hertha BSC und 1860 München auch in Frankreich als Stammkeeper aufläuft, sind groß, besonders nach seinen überragenden Leistungen in den Play-off-Spielen der EM-Qualifikation gegen Norwegen.
„Gabor ist eine Institution, die noch immer ihre Leistung bringt. Noch dazu ist diese Weltklasse“, schwärmte Ungarns Nationaltrainer Bernd Storck jüngst von seinem routinierten Rückhalt: „Man muss ganz klar sagen: Ohne ihn hätten wir es nicht zur EM geschafft.“ Der Gepriesene selbst gab das Lob ganz bescheiden an seine jüngeren Kollegen weiter: „Das ist eine neue Generation, ein neuer Meilenstein im ungarischen Fußball. Ich bin glücklich, ein Teil dieser Mannschaft zu sein.“
Die Mannschaft:
#infoxbox
Im Kader der Ungarn lässt sich vor allem die Dominanz des diesjährigen Meisters Ferencváros Budapest ablesen. Das von Thomas Doll trainierte Team stellt gleich fünf Spieler des 23-Mann-Kaders von Bernd Storck, der vor allem in der Abwehr zu dünn besetzt ist. Außer Roland Juhász (Videoton FC, 91 Länderspiele) und Támas Kádár von Lech Posen (29 Länderspiele) hat keiner der Abwehrspieler umfangreiche Länderspielerfahrung.
Dafür ist der Sturm umso glanzvoller besetzt. Mit Bálazs Dzsudzsák (Bursaspor), Daniel Böde (Ferencváros), Nemanja Nicolics (Legia Warschau) und Hannovers Ádám Szalai besitzt Bernd Storck einige starke Angreifer. Böde und Nikolics wurden in der ungarischen bzw. polnischen Liga jeweils beide mit großem Abstand Torschützenkönig.
Die Historie:
Für die einstige Fußballgroßmacht Ungarn ist der Teilnahme an der EM 2016 das Ende einer langen erfolglosen Zeit. 1986 qualifizierte man sich zuletzt für eine WM, die letzte EM mit den Ungarn fand gar 1972 statt. Damals wurde man noch Vierter, ehe die große Ära des ungarischen Fußballs endgültig ein Ende nahm.
Wales - Alles Bale, oder was?
Der Trainer: Chris Coleman (45)
Nach seinem Pflichtspieldebüt als Teammanager von Wales vor knapp vier Jahren war Chris Coleman eigentlich schon wieder am Ende. Denn nach einem 1:6-Debakel in Belgrad gegen Serbien forderten die Medien umgehend einen neuen Coach.
Doch der Ex-Nationalspieler arbeitete sich Schritt für Schritt mit seinen Schützlingen aus der schweren sportlichen Krise heraus. Und nachdem der 45-Jährige die erste erfolgreiche WM-Qualifikation für den Fußballzwerg Wales überhaupt unter Dach und Fach gebracht hatte, waren alle Kritiker verstummt. Persönliches Lob dafür wollte Coleman nicht hören: „Ganze Spielergenerationen sind an dieser Aufgabe gescheitert, diese Gruppe hat den letzten Schritt gemeistert.“
Bisweilen wandern seine Gedanken zurück an seinen Vorgänger. Gary Speed hatte sich im November 2011 das Leben genommen. „Über eine EM mit Wales wird sich Gary freuen“, glaubt Coleman.
Der Star-Spieler: Gareth Bale (26)
Wenn man der Internetplattform Football Leaks glauben darf, ist Gareth Bale der teuerste Fußball-Profi der Welt. Mehr als 100 Millionen Euro hat sich Real Madrid vor drei Jahren angeblich die Dienste des Walisers kosten lassen.
Vier Jahre zuvor hatten die Königlichen für Cristiano Ronaldo „nur“ 94 Millionen Euro ausgegeben. Mit Real hat der 26-Jährige die Champions League und andere Vereinstrophäen gewonnen, umso größer seine Freude, als er sich sehr überraschend mit der walisischen Nationalmannschaft für die EM-Endrunde in Frankreich qualifizierte. Und die Auslosung hat es ergeben, dass sich Wales und der große Nachbar England in der Vorrundengruppe B am 16. Juni in Lens gegenüberstehen.
Ungeachtet einer englischen Großmutter hat sich der Superstar stets zum kleinen Wales bekannt: „Das war und ist eine Ehre für mich, zumal mich kein englischer Verantwortlicher je direkt angesprochen hat.“
Die Mannschaft:
Tor:
Hannes Halldorsson (FK Bodo/Glimt/Norwegen),
Ögmundur Kristinsson (Hammarby IF/Schweden),
Ingvar Jonsson (Sandefjord/Norwegen)
Abwehr:
Ari Skulason (Odense BK/Dänemark),
Hördur Magnusson (AC Cesena),
Hjörtur Hermannsson (PSV Eindhoven),
Ragnar Sigurdsson (FK Krasnodar/Russland),
Kari Arnason (Malmö FF/Schweden),
Sverrir Ingi Ingason (Sporting Lokeren/Belgien),
Birkir Saevarsson (Hammarby IF/Schweden),
Haukur Heidar Hauksson (AIK Solna/Schweden)
Mittelfeld:
Emil Hallfredsson (Udinese Calcio),
Gylfi Sigurdsson (Swansea City),
Aron Gunnarsson (Cardiff City),
Theodor Elmar Bjarnason (Aarhus GF/Dänemark),
Arnor Ingvi Traustason (IFK Norrköping/Schweden),
Birkir Bjarnason (FC Basel),
Johann Gudmundsson (Charlton Athletic),
Eidur Gudjohnsen (Molde FK/Norwegen),
Runar Mar Sigurjonsson (GIF Sundsvall/Schweden)
Sturm:
Kolbeinn Sigthorsson (FC Nantes),
Alfred Finnbogason (FC Augsburg),
Jon Dadi Bödvarsson (1. FC Kaiserslautern)
Die Defensive der Waliser ist typisch britisch aufgestellt – kein moderner, das Spiel eröffnender Verteidiger, sondern mit Kapitän Ashley Williams (Swansea City) und James Collins (West Bromwich Albion) echte Kanten vor dem Tor, das in der Regel von Wayne Hennessey (Crystal Palace) gehütet wird.
In der Kreativabteilung treffen Erfahrung und Qualität aufeinander. Vor allem Routinier Joe Ledley (Crystal Palace) und „zweiter Star“ hinter Gareth Bale, Aaron Ramsay (Arsenal) sorgen für Highlights. Lediglich der Sturm ist hinter Bale etwas schwächer besetzt. Alle Stürmer der Waliser kicken in der zweiten britischen Liga.
Die Historie:
Nur einmal nahm Wales an einem großen Turnier teil – an der WM 1958! Seitdem galt das Land immer als Fußballzwerg, selbst Legenden wie Ryan Giggs konnten die Waliser nie zu einer weiteren Endrunde schießen. Bis jetzt, denn was Giggs als Ikone von Manchester United und Wales-Kapitän stets verwehrt blieb, gelang nun Gareth Bale. Er führte sein Land mit einer, zugegebenermaßen, minimalistischen Offensivleistung (nur 11 Treffer in der Qualifikation) zur EM 2016.
(sid/dpa/mz)