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"Ein Stück weit verständlich" "Ein Stück weit verständlich": Gomez hat sich an die Pfiffe gewöhnt

04.09.2014, 12:10
Mario Gomez
Mario Gomez dpa Lizenz

Düsseldorf - Das Toreschießen klappt derzeit nicht, doch offenbar hat Mario Gomez die Kunst des Weghörens erlernt. Bei seinem Comeback in der Fußball-Nationalmannschaft nach mehr als einem Jahr hatte der Stürmer den inzwischen obligatorischen und an Mobbing grenzenden Spießrutenlauf über sich ergehen lassen. Beklagt oder gar angeprangert hat er ihn diesmal aber nicht. Im Gegenteil: Der 29-Jährige sprach nach dem 2:4 (0:2) in der Neuauflage des WM-Finals gegen Argentinien sogar von einem „absolut guten Gefühl“.

Dabei reagierten die Fans auf ihn, als sei er nie weg gewesen. In Düsseldorf empfingen sie ihn fast so, wie die in Kaiserslautern ihn im August 2013 verabschiedet hatten: Mit leisen Pfiffen schon vor dem Spiel, mit immer lauter werdenden bei jeder der drei vergebenen Torchancen, richtig laut schließlich bei der Auswechslung in der 57. Minuten.

Gomez ist und bleibt für die deutschen Fans ein Chancentod und eine Reizfigur. Doch während Kollegen wie Lukas Podolski („Das gehört sich nicht“) oder Antonio Rüdiger („Das sollte so nicht sein“) und auch Bundestrainer Joachim Löw („Das geht grundsätzlich nicht, dafür habe ich kein Verständnis“) den Fans Unfairness vorwarfen, übte sich der Gescholtene in Gelassenheit.

Aufgeräumt statt aufgewühlt wirkte der 29-Jährige nach dem 2:4 (0:2) gegen Argentinien in den Katakomben der Düsseldorfer Arena. Das positive Gefühl, nach langer Leidenszeit und verpasster WM wieder zum DFB-Kreis zu gehören, überwiege, versicherte er. Die Pfiffe gegen sich empfand er als „gar nicht so dramatisch“ und sogar „ein Stück weit verständlich“.

Denn für die Niederlage in der Neuauflage des WM-Finals übernahm er einen guten Teil der Verantwortung, auch wenn er seine Fehlschüsse nicht als „Versagen“, sondern als Künstler-Pech und Schicksal erachtete. „Wir haben verloren, auch weil ich die beiden Bälle nicht reingemacht habe (den dritten zählte Gomez mit Verweis auf eine Abseitsstellung nicht mit, d. Red.). Die kann ich machen, vielleicht muss ich sie sogar machen“, gestand der Stürmer des AC Florenz: „Aber das passiert im Fußball. Ich habe mein Bestes gegeben und hätte auch gerne getroffen. Im Training klappt das 1000-mal, diesmal hat der Torwart es vermasselt.“

„Eine gute erste Halbzeit“

Bei der zweiten Großchance habe er sogar „das getan, was man von der F-Jugend an lernt: Den Ball gegen die Laufrichtung des Torwarts geschossen. Aber irgendwie hat er den Fuß noch dran gekriegt.“ Schließlich attestierte Gomez sich selbst gar „eine gute erste Halbzeit“.

Das sahen zwar alle Beobachter anders, denn auch abseits der vergebenen Chancen war der Rückkehrer nicht gut im Spiel. Dennoch ist offensichtlich, dass sich die deutschen Fans bundesweit Gomez als „Opfer“ herausgepickt haben. Trotz 25 Toren in 60 Länderspielen, trotz der Tatsache, dass er bei der EM 2012 nur aufgrund der größeren Spielzeit gegenüber dem Spanier Fernando Torres nicht Torschützenkönig wurde.

Kritik als Selbstläufer

Doch seit einem peinlichen Fehlschuss bei der EURO 2008 wurde die Kritik zum Selbstläufer, zudem werfen viele Fans Gomez (zu Unrecht) übergroße Arroganz vor. 2009 in Gelsenkirchen wurde er erstmals lautstark ausgepfiffen, nach den Schmähungen 2011 in Kaiserslautern und Mönchengladbach erklärte er, „nicht Miroslav Klose, sondern Teile der Fans sind mein größter Rivale“.

Nach der erneuten Demütigung auf dem Betzenberg rauschte Gomez mit tief ins Gesicht gezogener Baseball-Mütze wortlos ab. In der langen Zwangspause hat er sich offenbar vorgenommen, die Diskussion durch beleidigte Kommentare nicht noch weiter anzuheizen. Zumindest damit war er am Mittwoch erfolgreich. „Und irgendwann“, versicherte er, „werde ich auch wieder treffen in der Nationalmannschaft.“ (sid)