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Bernd Heynemann kritisiert Bernd Heynemann: Ex-Schiedsrichter aus Magdeburg kritisiert "Strafraum-Polizei" durch VAR im Fußball

21.04.2020, 08:35
Schiedsrichter Bernd Heynemann aus Magdeburg gibt bei einem Ligaspiele 2001 die Richtung an.
Schiedsrichter Bernd Heynemann aus Magdeburg gibt bei einem Ligaspiele 2001 die Richtung an. imago/Uwe Kraft

Magdeburg - Während seiner aktiven Zeit ist Bernd Heynemann öfter angeeckt. „Aber nur mit den Offiziellen, nicht mit den Spielern. Zu denen hatte ich einen guten Draht, besonders zu Profis wie Lothar Matthäus oder Thomas Helmer“, sagt der ehemalige FIFA-Schiedsrichter im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur und lacht dabei.

Doch sein Tonfall wird schnell ernster. Viele Entwicklungen im Fußball und auch im Schiedsrichterwesen gefallen dem 66-Jährigen nicht: „Das System Profifußball ist viel zu aufgebläht. Auch Typen als Schiedsrichter, die Konflikte auf dem Platz mal mit einem Spruch lösen, sind leider nicht mehr gewollt. Der Einzige, der es noch locker und gut macht, ist Manuel Gräfe.“

Bernd Heynemann pfiff in DDR-Oberliga, Bundesliga und der WM

Der Berliner ist einer von sieben Schiedsrichtern aus dem Bereich des Nordostdeutschen Fußball-Verbandes (NOFV), die auf der DFB-Bundesligaliste stehen. Aus dem mitteldeutschen Raum gehört nur Zweitliga-Referee Alexander Sather aus Grimma zum elitären Kreis. „Es gibt im Osten mit Sicherheit auch weitere sehr gute Schiri-Talente, die es aber schwer haben, nach ganz oben aufzusteigen. Es fehlt hier vor allem an Lobbyarbeit“, meint Heynemann.

Er selbst wechselte 1991 nach 98 Partien in der DDR-Oberliga in den DFB-Bereich. Dort pfiff Heynemann 151 Spiele in der Bundesliga. Darüber hinaus hatte sich der Magdeburger auch international einen Namen gemacht. Bei der Weltmeisterschaft 1998 leitete Heynemann die Spiele Kolumbien gegen Tunesien und Italien gegen Norwegen. „Die Höhepunkte meiner Karriere“, sagt der zweifache Familienvater.

2001 war Feierabend. Heynemann hatte mit 47 Jahren die damals vorgeschriebene Altersgrenze erreicht. „Vieles ist seitdem professioneller geworden. Damals sind wir zu dritt im Gespann zu den Spielen gereist, heute gehören nicht selten Physiotherapeuten oder Techniker mit zum Stab. Und natürlich hat sich auch die Bezahlung geändert“, sagt das langjährige Bundestagsmitglied. Damals hatte Heynemann 6000 D-Mark für ein Erstliga-Spiel erhalten.

Bundesliga-Schiedsrichter bekommt 5000 Euro pro Spiel

Für eine Partie in der Bundesliga gibt es heute 5000 Euro Aufwandsentschädigung. Trotz der derzeitigen Zwangspause haben die Unparteiischen keine finanziellen Schwierigkeiten zu befürchten. „Viele von uns Schiedsrichtern gehen noch einem Beruf nach, ich selbst bin Bankkaufmann“, sagte Bundesliga-Referee Daniel Schlager kürzlich bei N-TV. Das Fixum liegt pro Saison im fünfstelligen Bereich und wurde den Schiedsrichtern bereits ausgezahlt.

Heynemann hofft, dass die Corona-Krise bei den Verantwortlichen zu einem Umdenken führt - auch, was den Videobeweis betrifft. An dem stört er sich schon seit der Einführung. „Zuletzt hatten wir eine regelrechte Inflation von Entscheidungen und eine Strafraum-Polizei. Minutenlang mussten die Zuschauer warten, weil erst geprüft wurde, ob der Abwehrspieler den Stürmer vielleicht leicht mit dem Arm berührt hat oder ob Robert Lewandowski mit dem Schnürsenkel im Abseits stand. Der Geist des Spiels wird dadurch immer mehr zerstört“, meint der Ex-Schiedsrichter.

Kritik am Videobeweis: Challenge für Klubs als Lösung?

Deshalb erneuert Heynemann seinen Vorschlag, dass der Videobeweis nur noch in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen sollte. „Jede Mannschaft könnte in einer Art Challenge zweimal pro Spiel einen Beweis am Bildschirm anstrengen. Nicht der Assistent im Kölner Keller, sondern der Schiedsrichter sollte am Ende entscheiden.“

Bei aller Kritik am System: Heynemann hofft, dass der Ball zeitnah wieder rollt. Auch, um selbst wieder die Fußballschuhe anzuziehen. „Ich spiele im Altherren-Team des Magdeburger Polizeisportvereins und zusätzlich jeden Freitagfrüh um 6 Uhr in einer Sportgruppe in der Halle“, berichtet der Hobby-Kicker. „Aber jetzt müssen auch wir pausieren. Der Ball am Fuß fehlt mir.“ (dpa)