Ex-HFC-Co-Trainer Asien Cup 2019: Marco Kämpfe macht Syriens Nationalteam fit

Al-Ain/Halle (Saale) - Morgens ist der Mann immer einsam. Es ist 7 Uhr, da sitzt Marco Kämpfe allein beim Frühstück im Luxus-Hotel Hilli Rayhaan. Hier, in der Stadt Al-Ain in den Vereinigten Arabischen Emiraten, hat die syrische Fußball-Nationalmannschaft ihr Quartier während des Asien-Cups bezogen.
Kämpfe gehört zum Team der Syrer, ist Fitnesscoach der Auswahl von Trainer Bernd Stange (70). Für den 47-jährigen einstigen Co-Trainer des Halleschen FC - bis Juni 2018 - ist dieses außergewöhnliche Engagement das Abenteuer seines Fußball-Lebens.
Update 11. Januar: Marco Kämpfe und Bernd Stange sind noch während des Turniers entlassen worden
Im syrischen Fußball ticken die Uhren etwas anders
Inklusive aller Merkwürdigkeiten. „Die Zeitpläne sind im Vergleich zum deutschen Fußball total verschoben. Hier steht niemand um sieben Uhr auf. Das Leben der Mannschaft geht später los - und bis tief in die Nacht. Das gehört einfach zur Mentalität, an die man sich gewöhnen muss“, erzählt Kämpfe.
Gegen 11.30 Uhr ist er mit fünf Spielern des Teams zu einer Fitnesseinheit verabredet. Sie waren von sich aus mit diesem Bewegungs-Anliegen auf ihn zugekommen. Bis dahin frühstückt er eben genüsslich neben dem üppig gefüllten Büfett und startet dann ein Läufchen quer durch die Wüstenstadt.
Begonnen hat sein Syrien-Engagement im Sommer. Vorgespräche gab es schon zu seinen HFC-Zeiten. Bernd Stange, der ehemalige DDR-Auswahltrainer, ist ein Bekannter aus Jena, wo beide leben. Stange bekam den Job als Syrien-Coach, suchte für sein Team einen Fitness-Experten und kontaktierte Kämpfe.
Marco Kämpfe: Fitness-Coach beim ZFC Meuselwitz
Der fand das Angebot spannend, antwortete jedoch vorsichtig: Er müsse erstmal sehen, ob es in Halle weitergehe. Ging es bekanntlich nicht. Wie Chefcoach Rico Schmitt erhielt auch der „Herr der Gummibälle“, wie er spaßig in Halle genannt wurde, keinen neuen Vertrag beim Drittligisten. Marco Kämpfe ging in die Regionalliga - als Assistent von Heiko Weber beim ZFC Meuselwitz. Und der Verein stellte ihm frei, das Syrien-Angebot anzunehmen.
Also tourte Marco Kämpfe im Sommer in ein Trainingslager der Araber nach Österreich, führte vor den gestrengen Augen der Verbandsoberen seine Übungen vor, plauderte über seine Ideen und bekam einen Vertrag. Datiert bis zur aktuellen Asienmeisterschaft.
In Syrien war Marco Kämpfe noch nie
„Ich bin froh, mich in dieses Abenteuer gestürzt zu haben. Was ich in dieser Zeit alles erlebt habe, diese vielen Eindrücke möchte ich nicht missen“, sagt Kämpfe. Er war in Kirgistan, wo die Zuschauer bekleidet waren wie Dschingis Kahn. Und wo beim Testspiel für eine Halbzeit der Strom ausfiel. Er erlebte „das saubere Usbekistan, wo die Sowjetunion scheinbar noch existiert“. Er war in Kuwait, Bahrain, Oman und China.
Nur noch nie in Syrien. „Dort spielt zwar die Liga zwar seit einem Jahr wieder - in vollen Stadien in Aleppo, Homs und Latakia. Aber wegen des Krieges fanden keine Länderspiele statt. Die meisten unserer Spieler kicken sowieso im Ausland“, erzählt Kämpfe.
Nichtsdestotrotz wissen sie, dass in der zerbombten Heimat Millionen Menschen mit ihrem Team fiebern. „Der Energieminister hat sogar versprochen, dass es während der Fernseh-Übertragungen der Spiele unbedingt Strom im Land gibt“, weiß Marco Kämpfe. „Fußball ist für die Menschen Religion, der Fanatismus ist nicht mit deutschen Maßstäben zu messen, sondern viel, viel größer“, sagt er.
Marco Kämpfe über Syriens Nationalteam: „Es sind alles Straßenfußballer“
Entsprechend enttäuscht wurde das Auftakt-0:0 der Syrer gegen Palästina aufgenommen. Schließlich galt die Stange-Mannschaft als Favorit. Im Vorjahr hatte sie im Vergleich mit Australien nur um ein Tor die WM-Qualifikation verpasst.
„Das Niveau in unserer Mannschaft ist richtig gut. Wobei es bemerkenswert ist: Keiner unserer Spieler hat je eine Sportschule besucht, es sind alles Straßenfußballer - und seit dem Krieg geht in Syrien schon gar nichts mehr, was die Ausbildung von Talenten betrifft“, sagt Marco Kämpfe. Aber die Kicker seien alles prima Jungs. Weil jedoch nur wenige englisch sprechen, verständigt er sich per Dolmetscher. Meist hilft es, Übungen einfach vorzuführen.
Treffen mit Ex-HFC-Spieler in Abu Dhabi
So wie in Halle. Aus seiner HFC-Zeit hat er übrigens jetzt in Abu Dhabi Hilal El-Helwe getroffen, der für den Libanon beim Asien Cup spielt. Ex-HFC-Spieler Selim Aydemir hat ihn im Hotel besucht. Schöne Abwechslung.
Doch die Konzentration liegt auf dem Donnerstag. Da sind die Syrer gegen Jordanien zum Siegen verdammt, wollen sie die Gruppenphase überstehen. Letzter Gegner ist Australien. Sobald die Syrer ausscheiden, enden die Verträge der Deutschen. Dann reisen sie zurück. „Egal, wie es ausgeht, ich freue mich, das alles erlebt zu haben“, sagt Marco Kämpfe - er klingt glücklich. (mz)