Arm gegen Reich Arm gegen Reich: Leipzig im Zentrum der Werksklub-Debatte
Leipzig/Sid - Im Stadion werden „Retter-T-Shirts“ und „Fähnchen der Hoffnung“ verkauft, Spieler und Angestellte verzichten auf die Hälfte ihres Gehalts: Bei Lok Leipzig hat der Notfallplan seine letzte Stufe erreicht. Der Traditionsklub pfeift finanziell aus dem letzten Loch und ist vor dem Regionalliga-Derby am Sonntag (14.00 Uhr) gegen Liga-Krösus RB Leipzig wieder mal auf die Solidarität seiner Fans angewiesen.
„Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“, sagte Loks Vize-Präsident Bernd Wickfelder Anfang Februar. Im Saisonetat klaffte eine Lücke von 300.000 Euro, und wie so oft bei Traditionsklubs dachte man auf der Suche nach Geldquellen zunächst an die Fans. Diese konnten via Facebook Energy-Drinks samt prominentem Bringdienst bestellen: Der Lok-Keeper Benjamin Lowens persönlich lieferte die Erfrischungen ins Haus. In der Stunde der Not wird sogar mal über das schlechte Verhältnis zum Erzrivalen RB Leipzig hinweg gesehen. Der reiche Nachbar hilft, wo er kann. Auf Loks Wunsch verzichtete RB im vergangenen Sommer auf das Heimspielrecht und überließ dem klammen Aufsteiger die üppigen Einnahmen des Rekordbesuchs von 25.000 Zuschauern.
Vor dem Wiedersehen am Sonntag sagte Lok-Kapitän Jens Werner gar: „Auch wenn es unsere Fans nicht gerne hören, wünsche ich RB den Aufstieg.“ Im eisig kalten Winter hat RB nun am Sonntag Heimrecht und muss sich wohl mit 15.000 Besuchern begnügen. Dennoch erlaubt Rasensport seinem Gast, die Stände mit den „Retter-Shirts“ im Block aufzubauen. RB kann jovial sein. Der Klub des Red-Bull-Chefs und Milliardärs Dietrich Mateschitz führt die Liga nach 15 Spielen ohne Niederlage mit neun Punkten Vorsprung an. Der Stadtrivale hält sich tapfer auf Rang elf, ist aber allein durch seine Finanznot kein Konkurrent auf Augenhöhe.
Leipzig ist Ballungszentrum für drei Bundesländer
Während die Verhältnisse in der Stadt geregelt scheinen, vernahm RB in den vergangenen Tagen Unschönes aus dem tiefen Westen. Auf einer Sportmesse in Düsseldorf redeten sich Vertreter von Bundesliga-Traditionsklubs in Rage, sie wollen keine weiteren Werksklubs in ihrer Liga dulden. Auch RB Leipzig, das laut Mateschitz auf schnellstem Weg in die Bundesliga soll, fühlt sich angesprochen, fiel doch wieder das geringschätzende „Rasenschach Leipzig“. „So etwas kommentieren wir gar nicht“, sagte RB-Pressesprecher Sharif Shoukry am Freitag. Der aufstrebende Klub aus der Messestadt sieht sich nicht als zweites Hoffenheim. Leipzig ist eben nicht Provinz wie Wolfsburg oder Hoffenheim, sondern eine deutsche Metropole mit 600.000 Einwohnern, einem riesigen Umland, es ist ein Ballungszentrum für drei Bundesländer.
Und RB ist ein Klub mit prominenten Namen. Ralf Rangnick, seit Saisonbeginn Sportdirektor bei RB Leipzig und beim österreichischen Meister Red Bull Salzburg, verzichtete auf einen Verbal-Konter gegen Hans-Joachim Watzke und Co., obwohl auch er Gast der Messe war. Rangnick will die Debatte nicht unnötig befeuern, er konzentriert sich lieber auf das Sportliche. Am Sonntag ist der frühere Bundesliga-Trainer allerdings nicht Gast in der Leipziger WM-Arena. Rangnick verfolgt das Spiel in einer Loge des Salzburger Stadions, weil dort unmittelbar im Anschluss das Top-Spiel gegen Rapid Wien steigt. Pech für RB Leipzig, dass der Meistertitel in diesem Jahr nicht für den Aufstieg in die 3. Liga reicht. Nach dem Titelgewinn muss man sich noch in der Relegation messen. Sollte dann am Ende zum dritten Mal der Aufstieg vergeigt werden, würde das Bundesliga-Projekt von Red Bull einen riesigen Dämpfer erleiden - die Leipziger Verhältnisse könnten sich doch noch einmal ändern.