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Verlorenes Europacup-Finale vor 40 Jahren 25 Minuten fehlten Carl Zeiss Jena, um Geschichte zu schreiben

Keine 25 Minuten war der FC Carl Zeiss Jena 1981 vom Europapokalsieg im entfernt. An die legendäre Saison mit dem unglücklich verlorenen Finale erinnern sich viele.

13.05.2021, 06:00
FCC-Kapitän Lothar Kurbjuweit (r.) bei der Platzwahl vor dem Finale in Düsseldorf 1981.
FCC-Kapitän Lothar Kurbjuweit (r.) bei der Platzwahl vor dem Finale in Düsseldorf 1981. (Foto: imago/kicker/Eissner)

Jena - Der krönende Abschluss blieb ihnen verwehrt. Mit Tränen in den Augen saßen die Spieler des FC Carl Zeiss Jena am späten Abend des 13. Mai 1981 gedankenverloren auf dem Rasen des fast menschenleeren Düsseldorfer Rheinstadions. 1:2 zeigte die Anzeigetafel. Dynamo Tiflis (Tbilissi) hatte gewonnen.

Der Traum vom zweiten Europapokalsieg einer DDR-Clubmannschaft nach dem 1. FC Magdeburg 1974 war ausgeträumt. „Ich konnte immer gut mit Niederlagen umgehen, aber diese hängt bei mir heute noch nach“, sagt Hans Meyer, der als Cheftrainer die Jenaer nach Düsseldorf geführt hatte.

Carl Zeiss Jena im Europacup: Unvergesslicher Sieg gegen AS Rom

Vorangegangen waren berauschende Fußball-Nächte unterhalb der berühmten Kernberge. Rom, Valencia, Newport, Lissabon - sie alle sahen im Europapokal der Pokalsieger in jener Saison im Stadion des FC Carl Zeiss (fast) keinen Stich. Noch heute schwärmen selbst Kinder von damals über das unvergessliche 4:0 nach der 0:3-Niederlage gegen AS Rom im Rückspiel. Torhüter Franco Tancredi, Luciano Spinosi, Paulo Roberto Falcao, Carlo Ancelotti, Bruno Conti waren klangvolle Namen und hervorragende Fußballer. An diesem Abend aber waren sie mit der Wucht und Leidenschaft der Jenaer überfordert.

Oder der als Cupverteidiger angereiste FC Valencia. Der lag mit seinen Stars Fernando Morena und dem argentinischen Weltmeister Mario Kempes schon nach einer halben Stunde beim späteren 1:3 mit 0:3 zurück. Und auch Benfica Lissabon, nahezu identisch mit der portugiesischen Nationalmannschaft mit dem legendären Torhüter Manuel Bento hatte beim 0:2 nicht viel zu bestellen. Nur der walisische Underdog Newport County schaffte beim 2:2 in Jena ein Unentschieden.

Das offizielle Programmheft von Uefa und DFB zum Europapokal-Finale der Pokalsieger 1981.
Das offizielle Programmheft von Uefa und DFB zum Europapokal-Finale der Pokalsieger 1981.
(Foto: imago/Matthias Koch)

„Man muss bedenken, wir waren eine bessere Bezirksliga-Mannschaft, verstärkt mit den Erfurtern Lutz Lindemann und Rüdiger Schnuphase. Das ist uns aber gar nicht so bewusst geworden. Transfers von A nach B waren damals ja gar nicht möglich oder gewollt. Wenn ein richtig guter Spieler wie beispielsweise Peter Ducke aufhörte, gab es keinen gleichwertigen Ersatz“, berichtet Meyer.

Carl Zeiss Jena 1981: Trainer Hans Meyer findet die richtige Mischung

Er hatte in jener Saison die richtige Mischung von jungen und erfahrenen Spielern beisammen. Meyer beschreibt die Grundstimmung, auch durch erfolgreiche Oberliga-Spiele ausgelöst (am Saisonende Meisterschafts-Zweiter), als sehr gut. Es gab eine gute Moral, die Trainingsarbeit sei sehr stark gewesen, man habe aber eben auch sehr viel Glück gehabt.

„Normalerweise hätten wir gegen die Waliser ausscheiden müssen. Nach dem 2:2 sind wir mit einer Rumpfmannschaft nach Newport gefahren. Linksaußen Eberhard Vogel hat dort Libero gespielt. Und unser Torhüter Hans-Ulrich Grapenthin hatte einen besonders starken Tag“, erinnert sich Meyer an den glücklichen 1:0-Sieg. Sein damaliger Kapitän Lothar Kurbjuweit ergänzt: „Sie hätten uns beinahe mit unseren eigenen Waffen geschlagen.“

Rein fußballerisch waren Rom, Valencia, Lissabon und auch Tiflis viel stärker als die Thüringer. „Aber wir waren athletisch und verteidigungstechnisch die stärkeren. Diese Stärken haben wir in den entscheidenden Momenten ausgespielt und genutzt“, betont Meyer.

Dynamo Tiflis dreht Finale gegen Carl Zeiss Jena in Düsseldorf

Für das Endspiel hatte er allerdings von vornherein wenig Hoffnung. Er hatte sich die Georgier, die damals noch zur Sowjetunion zählten und gleich sechs Nationalspieler in dem Riesenland stellten, angeschaut und war begeistert. „Sie waren mit überragenden Leistungen ins Finale gekommen, hatten die individuell klar bessere Mannschaft“, sagt der Trainer.

Wladimir Guzajew (l.) trifft mit diesem Schuss zum 1:1 für Tiflis gegen Jena.
Wladimir Guzajew (l.) trifft mit diesem Schuss zum 1:1 für Tiflis gegen Jena.
(Foto: imago/kicker/Eissner)

Doch 65 Minuten beherrschte Jena das Spiel, führte durch Gerhard Hoppe 1:0 (63.) und hatte noch zwei sehr gute Möglichkeiten durch Jürgen Raab und Vogel, den Vorsprung auszubauen. Ein Kontertor durch Wladimir Guzajew (67.) und Witali Darasseljas spätes 2:1 (87.) besiegelten die Jenaer Niederlage.

„Vor allem der Ausgleich war unnötig. Der Trainer hat damals einen guten Spruch gefunden: „Ihr konntet Europapokalsieger werden und wolltet plötzlich auch wie einer spielen“. Da hatte er irgendwie recht“, sagt Kurbjuweit und meint, mit der Mannschaft seien nach der Führung die Pferde durchgegangen. „Das war keine Glanzleistung.“

Europapokal-Helden von Carl Zeiss trugen sich ins Goldene Buch der Stadt Jena ein

„Wir waren viel näher dran als gedacht. Deshalb war die Niederlage tragisch. Und ich wusste zu diesem Zeitpunkt - als die politische Wende noch längst nicht abzusehen war - dass ich als Trainer diese Chance, einen Europapokal mit einer DDR-Clubmannschaft zu gewinnen, eigentlich nicht mehr bekommen werde“, sagt Meyer.

Unter normalen Umständen wollten sich die 81er dieser Tage treffen. Meyer hatte sogar Düsseldorf als Ort dafür vorgeschlagen. Man einigte sich aber auf Jena, nur Corona machte dem einen Strich durch die Rechnung. Getroffen hat man sich 2016. 35 Jahre nach dem verlorenen Finale durfte sich das Team in das Goldene Buch der Stadt Jena eintragen. Der Verein, so scheint es den Beteiligten, hat seine Helden von einst aber vergessen.

Anders als in Tiflis. Dort wird der 13. Mai jedes Jahr wie ein Feiertag begangen. Vor 20 Jahren kamen zu einem Revival-Spiel knapp 30.000 Fans, um den mittlerweile ergrauten und etwas beleibteren Männern beim Fußballspielen zuzusehen. Zum Vergleich: Das Finale in Düsseldorf hatte nur 4750 Besucher. Und zum georgischen Fernsehprogramm am 13. Mai gehört auch die Wiederholung des Spiels von 1981. (Gerald Fritsche, dpa)