1. FC Lokomotive Leipzig 1. FC Lokomotive Leipzig: Mario Basler macht Lok Dampf

Leipzig - Das Städtchen Brandis vor den Toren Leipzigs hat ein Barockschloss zu bieten, einen schönen Park und ein hübsches Kirchlein. Seit Februar dieses Jahres ist die 10 000-Einwohner-Provinzstadt um eine Attraktion reicher: Mario Basler. Seit Ende Januar firmiert der 30-malige Nationalspieler – einst Genius und Querulant gleichermaßen – als Geschäftsführer Sport des 1. FC Lokomotive Leipzig. Dass ausgerechnet Basler, der sich bereits als Spieler das Rauchen nie verbieten ließ, der „Lok“ wieder Dampf machen soll, passt irgendwie.
Enges Team mit Trainer Scholz
Da neben Basler auch Lok-Trainer Heiko Scholz im Brandiser Park-Hotel wohnt, ist die Drei-Sterne-Herberge mit dem Charme der 1990er Jahre derzeit die Schaltzentrale des 1. FC Lok Leipzig. So werden Hoteltresen und Frühstückstisch zum Konferenztisch. „Wir laufen uns im Hotel automatisch über den Weg“, sagt Basler beim Gespräch mit der MZ. „Gerade haben wir zusammen gefrühstückt und dabei bereits einiges besprochen. Das setzen wir später auf dem Trainingsplatz fort.“ Der Ex-Dresdner Scholz sagt: „Wir sind zwar nicht verheiratet, aber ein enges Team und in fast allen Bereichen auf einer Wellenlänge. Es ist ein sehr angenehmes Arbeiten mit Mario.“
Kein PR-Gag
Baslers Präsentation vor genau vier Monaten hatte großes Medieninteresse ausgelöst. Journalisten, Fans und Sponsoren fragten sich, ob und wie der Ex-Bundesligastar und Lebemann aus der Pfalz dem derzeit fünftklassigen 1. FC Lok helfen könne. Skandale hatte der Verein in den Jahren seit der Wende schließlich genug am Hals. Baslers Engagement wirkte zunächst wie ein weiterer PR-Gag des Marketings der Leipziger, das bereits Lothar Matthäus zu einem Gastspiel in der elften Liga überredete oder einen Trainingstag mit Paul Breitner organisierte.
Doch Basler meint es ernst mit Lok, hat sich in den knapp vier Monaten viel Respekt verschafft. Der 46-Jährige ist an vielen der zahlreichen Fronten des 1. FC Lok präsent. Bei Spielen ist Basler auf den Rängen, am Spielfeldrand oder im VIP-Bereich des Bruno-Plache-Stadions zu finden. Am wichtigsten ist das neue Lok-Gesicht jedoch bei der Sponsorensuche. „Da ich viele Termine habe, um den Verein zu repräsentieren, Kontakte zu knüpfen und mich mit Sponsoren zu treffen, bin ich derzeit am meisten im Auto unterwegs“, sagt Basler. Laut Lok-Vize René Gruschka ist Basler „Türöffner“, egal, ob bei Gesprächen mit Spielern oder potenziellen Sponsoren. „Ich habe selbst erlebt, dass man viel einfacher mit Sponsoren ins Gespräch kommt, wenn Mario Basler dabei ist“, sagt Gruschka.
Auch durch Baslers Engagement werden die Lok-Macher im September den 618 000-Euro-Schuldenberg abgetragen haben, den das vorherige Präsidium hinterlassen hatte. „Vor zwei Jahren stand Lok wieder mal vor dem Aus“, erinnert Gruschka. Eine Handvoll langjähriger Fans wie er, die das neue Präsidium bildeten, verhinderten die erneute Insolvenz. Nun kann auch Basler sagen: „Man muss sich keine Gedanken machen, dass es morgen hier nicht mehr weitergeht. Wir arbeiten Tag für Tag daran, unsere finanzielle Situation zu verbessern.“
Nach gescheiterten Engagements als Trainer in Regensburg, Trier, Burghausen und Oberhausen wagte Basler nach zwei Jahren Arbeitslosigkeit einen Neuanfang im Fußball-Osten. Lok-Präsident Heiko Spauke, der sich am 30. Juni in den Aufsichtsrat zurückzieht, fädelte den Coup über einen gemeinsamen Geschäftspartner ein, der auch die Finanzierung Baslers sichert. Oberliga hin oder her, Basler fühlt sich spürbar wohl in seiner neuen Rolle. Das marode Stadion schreckte ihn genauso wenig ab wie sein holzgetäfeltes Büro mit DDR-Charme, die amateurhaften Trainingsbedingungen oder die schlecht beleumundeten Lok-Fans. Als Aktiver spielte Basler einst in den größten Stadien der Welt; heute ist er sich nicht zu schade, bei Auswärtsspielen auf den Sportplätzen in Bernburg, Rudolstadt oder Sandersdorf zu stehen. „Wenn ein Ex-Nationalspieler und Bayern-Star zu uns passt, dann ist es Mario Basler“, sagt Heiko Scholz.
Dritte Liga ist das Ziel
Basler schätzt bei Lok, dass er hier ernst genommen und nicht auf frühere Skandale reduziert wird. „Dass es hier viele Baustellen gibt, ist nichts Neues“, sagt Basler. „Dennoch sind das keine Ausreden, dass man nicht professionell arbeiten könnte.“ Um den Etat des Gesamtvereins bei 1,25 Millionen Euro zu halten, musste Lok zwar neue Verbindlichkeiten eingehen. Doch Basler weiß: „In der fünften Liga ist es viel schwieriger, sich finanzielle Möglichkeiten zu erschließen. Die Präsenz, die wir potenziellen Sponsoren anbieten können, ist natürlich deutlich geringer als in den ersten beiden Ligen.“ Daher steht das Ziel, bis 2020 in die dritte Liga aufzusteigen und einen würdigen Gegenpart zum glatten RB-Fußball zu bilden. „Mich interessiert RB in dieser Phase überhaupt nicht, weil RB Leipzig von unserem Verein so weit weg ist wie die Erde vom Mond“, sagt er.
Hoffen auf Schützenhilfe
Doch vielleicht lässt sich der Abstand sogar noch in dieser Saison ein wenig verringern. Nach einer konstanten Rückrunde mit bislang nur zwei Liga-Niederlagen im Spieljahr 2015 besteht noch eine kleine Restchance auf den direkten Wiederaufstieg. Doch dafür müsste Lok seine verbleibenden drei Partien - die erste am Samstag beim VfL Halle 96 - gewinnen und auf Schützenhilfe zweier früherer Rivalen hoffen. Falls Rostock nicht absteigt und der 1. FC Magdeburg es in die dritte Liga schafft, dürfte Lok gegen den Zweiten der Oberliga Nord um den Aufstieg spielen. „Wir sind da ganz entspannt“, sagt Basler. „Wenn es so käme, sind wir auf ein mögliches Relegationsspiel vorbereitet.“ Im nächsten Jahr dann will der Traditionsklub jedoch unbedingt aufsteigen. Dafür basteln Basler, Scholz & Co. an der Verstärkung der Mannschaft. Etwa 25 Spieler hätten sich beworben, sagt Scholz. Fünf neue Spieler wolle Lok holen, „die uns voran bringen.“
Mario Basler hat den Schritt in die fünfte Liga bislang jedenfalls noch nicht bereut. „Ich würde das wieder machen“, sagt er. „Lok Leipzig ist ein toller Verein, hier kann man was bewegen.“ Seinen Vertrag bis Sommer 2016 will Basler auf jeden Fall erfüllen. „Wenn es auch der Verein will, würde ich auch länger bleiben“, sagt er. Nur Brandis wird bald um eine Attraktion ärmer sein. Basler sucht nach einer möblierten Wohnung in Leipzig. (mz)