Fecht-WM in Leipzig Fecht-WM in Leipzig: Die Lust ist zurück bei Benjamin Kleibrink

Leipzig - Die Augen verraten ihn. Unruhig wirken sie und nicht wirklich begeistert. Keine Frage: Benjamin Kleibrink wäre jetzt lieber bei seinen Fechtkolleginnen unten an der Planche.
Die Tauberbischofsheimer Mädels sind gerade dabei, sich mit dem Florett durch die Teamwettbewerbe dieser WM zu kämpfen. Stattdessen steht er - in Zivil -oben auf der Empore der Leipziger Arena. Hinter sich ein Poster, das ihn in Fechtkluft neben Peter Joppich zeigt. Kleibrink, der Olympiasieger von 2008 und der Vierfach-Weltmeister Joppich sind die Gesichter dieser WM.
Und Kleibrink hat sich dieser Rolle angenommen. Also beantwortet er an seinem wettkampffreien Tag höflich Journalistenfragen. Erklärt, warum für ihn diesmal keine Einzelmedaille drin war. Spricht über die Verjüngungskur, der sich der Deutsche Fechterbund unterzieht und welche Aufgabe er da für sich sieht.
Vor Jahren wäre eine solche Plauderei nicht denkbar gewesen. „Ich mag den Rummel drumherum nicht“, sagt Kleibrink. Fotoshooting, Videodreh - das alles ist ihm noch immer ein Graus. Nach seinem Olympiasieg damals war er deshalb auch abgetaucht, hat die Gunst der Stunde nicht genutzt, um sich um seinen Erfolg zu vermarkten. Warum nun hilft er diesmal den Organisatoren, stellt sich sogar für die Wahl zum Athletensprecher? Die Jahre haben ihn erfahrener werden lassen, sagt er. Und: Es reize ihn nun, sich einzubringen. „Mein Herz schlägt für den Fechtsport.“
Dabei hatte er sein Florett schonmal für drei Jahre aus der Hand gelegt. Wenn man alles erreicht hat, ist es offenbar schwer, sich zu motivieren. Kleibrink sagt, ihm war der Spaß abhanden gekommen. „Vielleicht war es der permanente Druck, immer gewinnen zu wollen. Das harte Training, die vielen Wettkämpfe.“ Nach Olympia-Bronze 2012 jedenfalls hörte er auf. Machte seinen Masters im BWL, arbeitete in der Wirtschaftsprüfung. „Nicht als Prüfer, dafür muss man noch einmal eine Prüfung ablegen“, betont er. Kleibrink will nicht als mehr gelten, als er wirklich ist. Ehrlich ist er und gerade heraus.
Die Lust hat ihn dann doch irgendwie wieder gepackt. „Als ich die Ergebnisse verfolgt habe, da dachte ich mir, die Olympia-Qualifikation noch einmal schaffen zu können.“ Mit dem sich Herankämpfen hat er schließlich seine Erfahrung. Nach einem Motorradunfall 2011 und der Schulter-OP musste er ein halbes Jahr aussetzen. Trotzdem hatte es mit dem London-Ticket geklappt.
Vier Jahre später in Rio nicht. Und das hat nichts damit zu tun, dass er beim Weltcup kurz zuvor in Shanghai nach einem Restaurantbesuch von jemanden niedergeschlagen wurde. „Ich war einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort“, sagt Kleibrink heute dazu. Abgehakt. Lieber redet er übers Fechten und wo ihn sein Sport hinführen könnte.
Nach anderthalb Jahren Training sieht sich der Sportsoldat bei 50 Prozent seines alten Leistungsvermögens. Das Comeback gestaltet sich als große Herausforderung. „Der Kopf hat alles abgespeichert“, erklärt er. Doch der Körper muss erst wieder lernen, das umsetzen. Deshalb sei er mit seinem Einzelergebnis in Leipzig nicht unzufrieden, schließlich gehört er nun wieder zu den besten 32 der Welt. Was soll noch kommen? „Ich will besser werden als 50 Prozent“, sagt Benjamin Kleibrink. Vielleicht reicht die Lust ja sogar bis Olympia 2020. (mz)