Doping-Studie Doping-Studie: Rufe nach Anti-Doping-Gesetz werden lauter

Berlin/dpa - Die Forderungen nach einem Anti-Doping-Gesetz werden immer lauter, und auch der Fußball gerät mehr und mehr in Zugzwang. Am zweiten Tag nach der Veröffentlichung der brisanten Studie über die Doping-Praktiken in der Bundesrepublik sah sich sogar DOSB-Präsident Thomas Bach gezwungen, etwas über seine eigene Athleten-Vergangenheit zu sagen. «In meiner aktiven Zeit war im Fechten Doping kein Thema. Ich habe aber Anfang der 80er Jahre in anderen Sportarten die Thematik erkannt und lebenslange Sperren gefordert», erklärte der Fecht-Olympiasieger von 1976 in Berlin.
Bach hat sich bisher auch stets gegen ein Anti-Doping-Gesetz ausgesprochen. Genau das müsse aber her, fordern immer mehr Athleten und Funktionäre. Diskus-Olympiasieger Robert Harting, Radsport-Weltmeister Tony Martin, Rudolf Scharping, Boss des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) und Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) machten sich für ein entsprechendes Gesetz stark.
Sogar der Fußball, der den Anti-Doping-Kampf bisher eher stiefmütterlich behandelt hatte, nimmt sich des Themas notgedrungen an und will die längst überfällige Einführung der Blutkontrollen umsetzen. Eine Maßnahme, die im Radsport oder in der Leichtathletik seit Jahren fester Bestandteil des Kontrollsystems ist.
Scharping fordert striktere Gesetzgebung
Unter Druck geraten ist auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Laut eines Berichts der «Süddeutschen Zeitung» soll Schäuble 1976 in seiner Funktion als sportpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Sportausschuss gesagt haben: «Wenn es nicht schadet, soll man auch da das Bestmögliche unseren Sportlern angedeihen lassen». Ein Sprecher Schäubles sagte am Mittwoch dazu in Berlin, dass sich der Minister heute nicht mehr daran erinnern könne, ob er früher einen bestimmten Satz gesagt habe. Zugleich wies die Bundesregierung Vorwürfe der Fälschung der westdeutschen Dopinggeschichte zurück. Es seien keine Akten mehr vernichtet worden, nachdem die derzeit für heftige Debatten sorgende Dopingstudie 2008 in Auftrag gegeben worden sei, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums.
Nach der Offenlegung des Abschlussberichts durch das Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) rückte die Politik trotzdem zunehmend in den Blickpunkt. Scharping bekräftigte seinen Appell nach einer strikteren Gesetzgebung. In einer Pressemitteilung des BDR verwies der frühere SPD-Kanzlerkandidat auf seine Forderung aus dem Jahr 2006. «Ich halte die Hilfe des Gesetzgebers für unverzichtbar, weil sie sonst mit Hilfe von Polizei und Staatsanwaltschaften nicht an die Hintermänner heran kommen.» Doping sei nur möglich, wenn es skrupellose Mediziner, gewissenlose Geschäftemacher und andere gebe, die mitwirken. «Diese müssen genauso hart, im Zweifel auch mit Hilfe des Strafrechts angepackt werden.»
Damit ist Scharping auf einer Linie zu seinem Vorzeigeathleten Tony Martin. «Die Ergebnisse zeigen, dass die Forderung nach einem Anti-Doping-Gesetz berechtigt ist», sagte Martin der dpa. Der zweimalige Zeitfahr-Weltmeister setzt sich bereits seit Monaten wie seine deutschen Kollegen Marcel Kittel und John Degenkolb für harte Strafen im Anti-Doping-Kampf ein. Ein derartiges Gesetz würde auch Leichtathletik-Star Harting «begrüßen», ähnlich sieht es sein Präsident Prokop bereits seit geraumer Zeit. Zuletzt hatte sich insbesondere das baden-württembergische Justizministerium für die Einführung des Straftatbestands Dopingbetrug stark gemacht.
Blutkontrollen auch im Fußball
Der Fußball hatte sich dieser Diskussion in der Vergangenheit oft entzogen. Doch nach den Erkenntnissen der Studie oder auch des Anti-Doping-Berichts des französischen Senats vor gut zwei Wochen ist eine derartige Abwehrhaltung des unangenehmen Themas kaum mehr zu vermitteln. Die bevorstehende Einführung der Blutkontrollen wird bei DFL und DFB als bahnbrechende Neuerung gefeiert. Unterschrieben ist der Vertrag mit der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) aber noch nicht.
«Es ist das richtige Zeichen, dass wir schon vor den Ereignissen beschlossen haben, ab der neuen Saison Blutkontrollen einzuführen», sagte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig ergänzte: «Wir wollen uns öffnen und strengere Kontrollen durchführen, obwohl wir keine Indizien dafür haben.» Rettig glaubt nicht an ein Dopingproblem im Fußball, ungeachtet der erhobenen Vorwürfe eines Ephedrinmissbrauchs von Fußball-Nationalspielern bei der WM 1966. Glaubt man Franz Beckenbauer, sind die Anschuldigungen völlig aus der Luft gegriffen: «1966 wussten wir noch gar nicht, was Doping war. Es gab auch keine Kontrollen, soviel ich weiß. Mich hat jedenfalls keiner aufgefordert, irgendwo reinzupinkeln.»
Über solche Aussagen kann der frühere Sprintmeister Manfred Ommer, der von 1986 bis 1994 Präsident des zwischenzeitlichen Bundesligisten FC 08 Homburg war, nur müde lächeln. «Natürlich wird auch im Fußball gedopt. Da habe ich überhaupt keine Zweifel. Der DFB hat das zumindest zu der Zeit, als ich Präsident war, recht lasch gehandhabt», sagte der frühere Leichtathlet im ZDF- «heute journal». Ommer, der deutscher Meister über 100 und 200 Meter war, hatte bereits 1977 Doping gestanden.