Möglicher Sigurdsson-Nachfolger Christian Prokop: Was den Köthener zum Bundestrainer qualifiziert

Leipzig - Christian Prokop war am Donnerstag nicht zu erreichen. Nachdem Handball-Bundesligist DHfK Leipzig gegen 6.30 Uhr am Morgen von seiner Nord-Tour aus Flensburg zurückgekehrt war, schwieg der Trainer des Leipziger Erstligisten an seinem freien Tag. Am Abend zuvor hatte Prokop nach der 23:31-Niederlage bei der SG Flensburg-Handewitt angespannt verkündet, dass er „gern das Amt des Bundestrainers übernehmen möchte”.
Vorausgegangen war ein emotionaler und schwieriger Entscheidungsprozess, da Prokop mit DHfK noch vor Wochen so eng verbunden schien, als könnte diese perfekte Symbiose aus Erfolgstrainer und Überraschungsteam nichts trennen. Doch nachdem vor zwei Wochen öffentlich geworden war, dass der Deutsche Handball-Bund (DHB) um Prokop als Nachfolger für den scheidenden Dagur Sigurdsson buhlt, hatte der gebürtige Köthener mehr als eine schlaflose Nacht.
Christian Prokops schwierige Entscheidung: „Hin und Her in alle Richtungen”
„Die vergangenen Wochen waren schwierig”, sagt Leipzigs Manager Karsten Günther. „Es gab es ein gedankliches Hin und Her in alle Richtungen.” Günther hatte intensiv versucht, den 37-Jährigen aus Sachsen-Anhalt zum Bleiben zu bewegen. Gemeinsam spielten beide durch, was in Leipzig – Shootingstar unter den deutschen Klubs – noch alles entstehen könnte. Spieler, Fans, der gesamte Verein kämpften für den Verbleib des begehrten Trainers.
So soll Prokop sich bereits pro Leipzig entschieden haben, ehe ihn DHB-Vizepräsident Bob Hanning in einem Gespräch in der vergangenen Woche umgestimmt haben soll. „Wir waren auf einem sehr guten Weg und haben fest daran geglaubt, dass wir gemeinsam weitermachen”, sagt Günther. Am Mittwoch informierte ihn Prokop dann in einem Vier-Augen-Gespräch von seiner Entscheidung pro DHB.
Das bedeutet aber nicht, dass Prokop schon Bundestrainer ist. „Wir bewerten das und setzen uns mit dem DHB an einen Tisch setzen, um darüber zu sprechen, ob es eine Chance gibt”, sagt Günther. „Eine Lösung muss auch den Interessen unseres Vereins Rechnung tragen. Der Erfolg des SC DHfK darf nicht in Gefahr gebracht werden.” Für den bis 2021 unter Vertrag stehenden Handballlehrer müsste der DHB erstmals eine Ablöse zahlen. Die Saison wird Prokop mit den Leipzigern in jedem Fall zu Ende bringen. „Wir suchen einen Bundestrainer zum 1. Juli”, sagt Hanning der MZ.
Hanning: „Mich freut dass, wir zwei Möglichkeiten haben”
Der einflussreiche Macher, der die Bundestrainersuche leitet, weiß um die hohe Emotionalität bei Prokops Entscheidung. Doch „Baumeister Bob” betont: „Hier geht es um den deutschen Handball, nicht um den Wechsel zu einem anderen Verein.” Neben Prokop hat Hanning, zugleich Manager von Topklub Füchse Berlin, auch mit Weltmeister Markus Baur und dem dänischen Weltmeistercoach Ulrik Wilbek Gespräche geführt. Nachdem Wilbek abgesagt hatte, weil er in seiner Heimatstadt in Dänemark Bürgermeister werden will, blieben Prokop und Baur.
Hanning weiß: „Beide haben aufgrund ihrer Persönlichkeit und von der Herangehensweise her einen anderen Ansatz, aber beide haben gute Referenzen und sind hervorragend geeignet, den Job erfolgreich ausführen zu können.” Der Vordenker im deutschen Handball sagt: „Mich freut, dass wir nun zwei Möglichkeiten haben.” Kritiker wie Ex-Welthandballer Daniel Stephan werfen Hanning nun vor, dass die Suche in der Öffentlichkeit ausgetragen wird.
Hanning: „Prokop kann”
An Prokops Qualifikation hat Hanning keine Zweifel. Er und der aktuelle Trainer Sigurdsson seien sich in manchen Bereichen sehr ähnlich. „Auch Christian ist ein Stratege, jemand, der mit jungen Menschen arbeitet und etwas verändern kann, nicht nur Routine macht.” Prokop verkörpere die moderne Rolle des Trainermanagers. „Man kann können oder wissen”, sagt Hanning. „Er kann.” Baur verfüge als Kapitän der Weltmeister von 2007 über mehr internationale Erfahrung. „Auch er wäre eine hervorragende Lösung”, sagt Hanning.
Aktuell gingen beide Coaches gleichberechtigt in den Ausscheid um das Bundestraineramt. „Sicher werden wir irgendwann eine Priorität setzen, aber noch nicht heute”, sagt Hanning. Doch es ist bereits aktuell herauszuhören, dass Prokop im Vorteil ist. Er wäre der erste Sachsen-Anhalter auf dem Bundestrainer-Posten. Das Ziel ist kein geringeres als der Olympiasieg 2020. (mz)