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"Zustand ist unhaltbar" Boxen in Sachsen-Anhalt: Zwei Lager streiten im Landes-Amateurverband

Von Christoph Karpe 01.02.2019, 16:48

Halle (Saale) - Der Streit schwelt seit dem April letzten Jahres. Jetzt, während auf einer Parallelschiene das Aus für den Chemiepokal in Halle bekannt wurde, eskaliert er. Im sachsen-anhaltinischen Amateurboxen stehen sich zwei Lager unversöhnlich gegenüber.

Was eine Aussage zementiert: „Der Zustand ist unhaltbar. Wir und einige andere Vereine überlegen sogar, den Landesverband zu verlassen.“ Der das sagt ist Detlef Marx, der Chef des SKC Tabea aus Halle. Es ist der Klub von Boxweltmeisterin Ornella Wahner. Und sie ist ein Bestandteil des Streits von Marx und Co. mit dem Landesverband und dessen Präsidenten Roland Wandelt.

Ornella Wahner als Trumpf für Halle

Marx und seine Mitstreiter sind sauer. Ihr Vorwurf: Der Landesverband lässt uns links liegen. „Nicht einmal unser Antrag, Landesstützpunkt zu werden, wurde an den Landessportbund weitergeleitet. Deshalb haben wir den Status nicht erhalten. Aber dafür der SV Halle, der keine Kader-Boxer, geschweige Olympiakader wie Ornella, hat“, sagt Marx, der vom früheren Chemiepokal-Organisator René Müller unterstützt wird. Eine schreiende Ungerechtigkeit sei das, und laut Marx der Tatsache geschuldet, dass sich beim SV Halle die Gegenseite versammelt habe.

Gegenseite deshalb, weil der Streit eine Vorgeschichte hat - eben aus dem April 2018. Müller und Marx schickten sich an, den Landesboxverband zu übernehmen. Kurz vor der Präsidiums-Wahl hievte sich dann Wandelt per Eilantrag in den Ring - und gewann die Wahl.

Wandelt, wie Marx Ex-Boxer - beide kennen sich seit zig Jahren - und ebenso einst beim Chemiepokal erfolgreich, wurde Landeschef. „Weil die Kräfteverhältnisse im Verband bei etwa 80:20 liegen. Die Gestrigen bestimmen“, so Marx. Vier Fünftel unterstützen Wandelt, den er dazu zählt.

Man habe sich inzwischen mit der Wahlniederlage abgefunden, meint die Minderheit. Doch jetzt fühlt man sich eben absichtlich an den Rand gedrängt. Aber es gebe im Landesverband auch noch Merkwürdigkeiten, die die Vereine viel Geld kosten würden.

Ärger beim Boxverband Sachsen-Anhalt: Kommen Gelber nicht beim Nachwuchs an?

Davon ist für die Boxer im Land sowieso nicht viel vorhanden. Mit etwa 50.000 Euro wird der Landesverband aus Magdeburg jährlich unterstützt. Wie der Zuschuss ausgegeben wird, da mischt sich der Landessportbund nicht ein. Aber für Trainer-Honorare sollte er schon eingesetzt werden. Und in die Nachwuchsausbildung fließen.

Viel komme da aber inzwischen nicht mehr an, so der Vorwurf, weil sich Präsident Wandelt nun nicht nur als Geschäftsführer bezahlt, sondern auch Trainer für die Sportschüler in Halle ist. Ein Job, der vakant wurde, seit der Vorgänger zum Jahresende gekündigt hatte.

Zusammenfassung der Vorwürfe: Wandelt, der Präsident, mobbe nicht nur Tabea, den Weltmeisterin-Verein, sondern kassiert auch noch jede Menge Geld. Sein Vorgänger als Geschäftsführer habe nur auf 450-Euro-Basis gearbeitet.

Warum SKC Tabea aus Halle kein Landesstützpunkt wurde

Wandelt seinerseits will dies natürlich nicht so stehen lassen und arbeitet die Vorwürfe ab. „Bei Tabea konnte kein Landestützpunkt entstehen, weil der Verein ein wichtiges Kriterium nicht erfüllt hat: Er hat es nicht geschafft, Box-Talente an die Sportschule zu delegieren. Aber das ist die Voraussetzung“, sagt er. Und nicht, dass man eine Weltmeisterin Wahner in den Reihen habe.

Außerdem: „Will man das Boxen im Land als Präsident voranbringen, ist das ein Vollzeitjob. Das geht nicht nur nebenbei“, so Wandelt. Deshalb sei er nun hauptamtlich bezahlter Geschäftsführer. Kein Klub müsse sich aber deshalb Sorgen machen, dass er finanziell zu kurz komme.

„Wir haben gerade ein Prämiensystem für Vereine entwickelt, mit dem Erfolge etwa bei deutschen Meisterschaften honoriert werden“, sagt er. Den Trainerjob habe er nur übernommen, weil kein anderer zu finden war, der kurzfristig helfen konnte. „Ich mache das nur übergangsweise, bis ein Neuer gefunden ist“, sagt er. Die Suche sei schwer.

Auch das zeigt, dass es um Sachsen-Anhalts Amateurboxen gerade nicht besonders gut bestellt ist. Tatsächlich sind Erfolge bei Meisterschaften in der einstigen Hochburg, die Weltmeister (1995 Zoltan Lunka) und Europameister wie etwa Siegfried Mehnert (1985 und 89) stellte, rar.

Fertige Boxer oder Talente?

Aber wie herausfinden aus dem tiefen Tal? Auch da sind sich die Streitparteien nicht einig. Das Konzept von Marx und Mitstreitern: „Wir wollen bei uns diejenigen auffangen, die sich nach der zehnten Klasse vom Sport verabschieden.“ Weil sie sich auf die Ausbildung konzentrieren müssen.

„Wir wollen ihnen zum Beispiel über einen Sponsor eine Wohnung besorgen“, sagt Detlef Marx. Und wie einst im Fall Lunka möchte er gut ausgebildete Boxer „einkaufen. Nur so kann Sachsen-Anhalt kurzfristig zum Erfolg kommen - und dann wieder höhere Fördergelder erhalten. Neben Ornella Wahner soll sich noch ein Mann, der für unseren Verein boxt, für die Olympischen Spiele 2020 qualifizieren. Das ist unser Ziel.“ Soweit Marx.

Roland Wandelt setzt den Konter. „Das wollen doch alle so machen. Wir bauen lieber auf die Entwicklung von eigenen Talenten - auch wenn das länger dauert.“ Auch dafür sei er nun Teilzeit-Trainer - eben am Landesleistungszentrum beim SV Halle. Marx pocht auf Gleichbehandlung - und die Stelle.

Die Situation ist vertrackt, das Tischtusch zerschnitten - und keine Lösung in Sicht. Wandern tatsächlich nun Vereine aus dem Marx-Müller-Lager nach Thüringen ab? „Wir sollten reden“, sagt Wandelt. „Das haben wir doch“, so Marx. (mz)