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Bob-Weltmeisterschaft in Innsbruck-Igls Bob-Weltmeisterschaft in Innsbruck-Igls: Thorsten Margis schafft das scheinbar Unmögliche

Von Petra szag 14.02.2016, 19:08
Thorsten Margis ist außer sich vor Glück: WM-Gold verteidigt!
Thorsten Margis ist außer sich vor Glück: WM-Gold verteidigt! dpa Lizenz

Innsbruck-Igls/Halle - Im Ziel schnappte sich Francesco Friedrich seine Frau Magdalena und trug sie nach dem langen Siegerkuss auf seinen starken Armen behutsam aus dem Eiskanal von Innsbruck-Igls. Sein sportlicher Kompagnon indes schrie sich die ganze Anspannung von der Seele. Thorsten Margis ließ alle im Ziel Ausharrenden teilhaben an seinem Glück, das er im ersten Moment scheinbar selbst nicht fassen konnte. Aus gutem Grund: Der Anschieber vom SV Halle und sein Pilot aus dem sächsischen Oberbärenburg haben das Unmögliche möglich gemacht und gerade den WM-Titel im Zweierbob erfolgreich verteidigt.

Nach starkem Saisoneinstieg folgte Schock

Vor drei Wochen hätte wohl kaum ein Kenner der Szene auf Gold gewettet, ja, wahrscheinlich er selbst auch nicht. Als Margis sich ein wenig gefasst hatte, lachte er völlig losgelöst in die TV-Kamera. Er grüßte seinen Heimtrainer Wolfgang Kühne, der sich nach einer schweren Operation in der Reha erholt. Der Mehrkampf-Trainer betreut noch immer den früheren Leichtathleten und hat damit einen Anteil an dessen Erfolg. Dann gab Margis preis, was ihm durch den Kopf geht. „Es ging immer wieder hoch und runter in dieser Saison“, sagte der 26-Jährige. Nach starkem Saisoneinstieg mit fünf Weltcup-Siegen in Serie folgte der Schock. Im kanadischen Whistler im Januar zog sich sein Pilot einen Muskelfaserriss im Oberschenkel zu. Schnelle, kraftvolle Sprints am Start schienen mit dem Handicap kaum möglich. Ja, die WM schien sogar in Gefahr. „Von der nervlichen Belastung her und der Vorbereitung war das das schwierigste Rennen meiner Karriere“, sagte deshalb Friedrich. Und das, obwohl der Bob-Pilot schon viele große Erfolge feiern konnte. Bereits 2013 und 2015 war er im kleinen Schlitten bei Weltmeisterschaften das Nonplusultra. Der Sachse gab die Blumen symbolisch gleich an seine Physiotherapeuten weiter, die seine Heilung im Zeitraffertempo und damit die erfolgreiche Titelverteidigung möglich gemacht hatten.

Zum Auftakt kürzerer Anlauf

Zum Auftakt am Sonnabend hatten sich Friedrich und Margis am Start noch für einen kürzeren Anlauf entschieden. Damit schafften sie Platz drei hinter dem Letten Oskars Melbardis und dem deutschen Kollegen Johannes Lochner mit Anschieber Joshua Bluhm. Im zweiten Rennen starteten die späteren Weltmeister ihre gigantische Aufholjagd, schoben sich an Platz zwei hinter Lochner.

Gestern dann lieferten sie ihr Meisterstück. Noch nie war ein Zweierbob schneller diese 1 270 Meter lange Eisrinne heruntergerast als der von Friedrich und Margis in ihren 51,32 Sekunden - Bahnrekord. Zeitgleich im Gesamtklassement mit Lochner/Bluhm nahm das Sachsen-Sachsen-Anhalt-Duo die Schlussfahrt in Angriff und fuhr mit der erneut schnellsten Zeit zu Gold.

Lochners Traurigkeit über den noch aus der Hand gegebenen Titel wich schnell der Freude über das erneute Silber. Denn Bluhm, mit dem er schon im Vorjahr Vizeweltmeister werden konnte, ist praktisch auch erst vom Krankenbett auf die Bahn zurückgekehrt. Im Sommer war er mit seinem Motorrad in den Gegenverkehr geraten: Schädel-Hirn-Trauma, Lungenverletzung, Schlüsselbein- und Rippenbruch.

Ausnahmestellung untermauert

Cheftrainer Christoph Langen zeigte sich angetan von seinen Schützlingen, die ihn bei Olympia vor zwei Jahren noch ohne Medaillengewinn enttäuscht hatten. Er sprach von den Materialnachteilen damals und dass diese heute noch immer nicht ganz behoben seien. Dafür gibt es einen Vorteil. „Wir haben da zwei Weltklasseathleten. Die beiden Jungs haben sich bis auf den letzten Zentimeter bekämpft“, sagte Langen über die Piloten. Am Start und auch auf der Bahn waren seine Männer ausgesprochen stark. Am Ende des Zweikampfs konnte Friedrich seine Ausnahmestellung untermauern. Nach Fünffachsieger Eugenio Monti aus Italien (1957 bis 1961) und seinem jetzigen Chefcoach Christoph Langen (1993 bis 1996) ist er erst der dritte Pilot, der bei Weltmeisterschaften im kleinen Schlitten zum Hattrick raste. Für Margis ist es der zweite WM-Titel.

Langen hatte noch einen weiteren Grund zur Freude. Am Freitag und Samstag dominierte Anja Schneiderheinze die Frauenkonkurrenz. Zum ersten mal seit fünf Jahren setzte sich mit der 37-jährigen Erfurterin wieder eine deutsche Athletin durch. Vor elf Jahren hatte sich die einstige Eisschnellläuferin schon einmal als Anschieberin WM-Gold gesichert. 2006 wurde sie mit Sandra Kiriasis Olympiasiegerin. Danach wechselte sie selbst an die Lenkseile. (mz)