Ungeklärter Tod von FCM-Fan Ungeklärter Tod von FCM-Fan : Generalstaatsanwalt appelliert an Zeugen aus Halle

Magdeburg - In den Tagen, in denen Hannes schwer verletzt im Koma liegt, steckt noch alle Hoffnung in diesem Satz: Kämpfe, Hannes! Fans des FC Magdeburg tragen die Botschaft auf Bannern ins Stadion, die Profis auf dem Rasen tun es ihnen gleich. Selbst sonst verfeindete Ultras aus Halle senden ein Signal an den FCM-Fan, der im Sterben liegt: „Trotz aller Rivalität - Kämpfe, Hannes!“
Der damals 25-Jährige Hannes Schindler stirbt im Oktober 2016 an seinen Verletzungen. Tage zuvor war er in Haldensleben aus einem Zug gestürzt: Hallesche Fans haben ihn zuvor bedrängt. Unklar ist, was genau im Zug passiert. Klar ist: Bereits ein halbes Jahr darauf schließt die Staatsanwaltschaft die Akte. Anhaltspunkte für ein Verbrechen sieht sie nicht.
Viele offene Fragen beim Rechtsausschuss in Magdeburger Landtag
An diesem Freitagnachmittag im Landtag in Magdeburg: Hannes’ Eltern sind mit Dutzenden FCM-Fans in den Rechtsausschuss gekommen, viele tragen Blau-Weiß. Der ungeklärte Todesfall steht auf der Tagesordnung, Generalstaatsanwalt Jürgen Konrad soll Fragen zum Fall klären. Einiges scheint für die Magdeburger - auch für die Eltern - offen: Wurde alles getan, um den Fall zu klären? Wieso fanden sich im vollen Zug keine aussagekräftigen Zeugen? Und wie ließ sich während der Fahrt die Tür öffnen? Es gibt eine Petition mit 27 000 Unterschriften, die neue Ermittlungen fordert.
Konrad sagt gleich zu Beginn: „Haupthindernis“ für die Ermittler sei, dass die Fanszene nicht mit Behörden zusammenarbeite. Obwohl 30 bis 40 Zeugen verhört worden seien, darunter jene Halle-Fans, die im Abteil waren, als Hannes und seine Freunde in Haldensleben zustiegen. Da keiner etwas Konkretes gesehen haben wolle, „können wir keinen Täter präsentieren“, sagt Konrad. Er appelliert an die Szene: Die Akte könne jederzeit wieder geöffnet werden, wenn es Hinweise auf Angreifer aus dem Zug gebe.
Kameras im Zug hatten zum Zeitpunkt des Geschehens nicht funktioniert
Konrad schildert, was die Aussagen ergeben haben: Hannes und seine Begleiter wurden durch die HFC-Fans „unmittelbar nach Betreten des Zuges massiv angegangen, sie wurden geschlagen und getreten“. So sei Hannes vermutlich bereits beim Anfahren des Zuges in Panik geraten - er soll nach der Notentriegelung über der Tür gegriffen haben. So lasse sich die Tür auch während der Fahrt öffnen, sagt Konrad am Freitag. „Das geht laut Türhersteller.“
Wahrscheinlich, so Konrad, sei Hannes dann aus Panik gesprungen. Bei einer Geschwindigkeit von mehr als 30 Kilometern pro Stunde sei er gegen einen Signalkasten geprallt und anschließend ins Koma gefallen. Ein Grund, wieso das Geschehen im Waggon weiter eine These bleiben muss: Die Kameras im Zug funktionierten nicht, sagt er. Möglicherweise waren „die Kassetten zu alt oder überspielt“.
Erste Medizinuntersuchung ergab: Schläge und Tritte führten nicht unmittelbar zum Sturz
Identifiziert werden die Halle-Fans aus dem Zug erst durch Kameras am Hauptbahnhof Magdeburg. Drei Wochen nach dem Sturz beginnen Vernehmungen. „Die hatten etliche Akten“, sagt Konrad. Die Befragungen ergeben aber offenbar nicht viel. „Sie haben sich gegenseitig gedeckt“, sagt der Anwalt der Familie damals der MZ. Zugleich sei laut Konrad aus der ersten Medizinuntersuchung des Schwerverletzten hervorgegangen: Tritte und Schläge führten nicht unmittelbar zum Sturz.
Offen bleibt ebenfalls, warum der Zugfahrer nicht stoppte
Die Abgeordneten fragen: Wieso stoppte der Zugfahrer nicht, als er das Signal einer geöffneten Tür bemerkte? Konrad sagt, da die Tür während der Fahrt nur zweimal kurz offen war, bekam der Lokführer außer zwei kurzen Signalen, die sogleich wieder erloschen, nichts mit. Kein Fahrgast habe die Notbremse gezogen.
Horst Schindler, Hannes Vater, sagt nach der Anhörung: „Wir sind ohne Erwartungen hergekommen.“ Einmal sind ihm die Tränen gekommen, doch schnell hat er sich wieder gefangen. „Wir treten auf der Stelle“, sagt er. „Wir brauchen jemanden aus Halle, der aussagt. Wahrscheinlich haben die selbst Angst.“ (mz)