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Fragen und Antworten MDCC-Arena: Was Fans zum Geisterderby FCM gegen HFC in Magdeburg jetzt wissen müssen

Von Clemens Boisserée 25.11.2016, 09:15

Magdeburg - 31 Millionen Euro teuer, 2006 eröffnet – und 2016 vorläufig schon wieder geschlossen: Die MDCC-Arena, Heimat des 1. FC Magdeburg, sorgt seit Donnerstag bundesweit für Schlagzeilen. Denn: Das Sachsen-Anhalt-Derby in der dritten Liga zwischen dem 1. FCM und dem Halleschen FC am kommenden Sonnabend wird zum Geisterspiel, die maximal 27.000 Plätze fassende Arena wurde für Zuschauer gesperrt. Die MZ klärt die wichtigsten Fragen und erklärt die Hintergründe.

Worum geht es überhaupt?

Kurzum: Die Bausubstanz der Arena ist durch das jahrelange Hüpfen der Fans bei Heimspielen stark beschädigt. Das gilt insbesondere für die Nordtribüne, wo seit dem Neubau der harte Kern der FCM-Fans im Block U heimatet ist.

Die Stadt Magdeburg als Stadioneigentümer thematisierte das Problem bereits im Sommer. Beim vergangenen FCM-Heimspiel gegen Hansa Rostock ermittelte eine Ingenieursfirma erneut die Schwingungen und stellte bedrohliche Werte fest. So beben die Tribünen in der Spitze mit 10 m/s², im Durchschnitt mit 5m/s². Die Panikgrenze - das Gefühl, angesichts tatsächlicher oder angenommener Gefahr, fliehen zu müssen - liegt bei 3 m/s².

Lag ein Fehler beim Bau oder den Bauplanungen vor?

Oberbürgermeister Lutz Trümper schließt Fehlplanungen aus und sieht das Problem bei den Fans: „Der Bereich, in dem heute der Block U steht, wurde als Sitzplatzbereich genehmigt und war weder als Stehplatzbereich geplant noch für dauerhaftes Hüpfen ausgelegt.“

Nun soll ein noch ausstehendes Gutachten klären, welche Baumaßnahmen durchgeführt werden können, um die Sicherheit wiederherzustellen. Bis dahin sollen die Fans auf Hüpfeinlagen verzichten. Der Oberbürgermeister betonte: „Die, die da hüpfen bringen sich selbst in Lebensgefahr. Die Grenze ist erreicht. Bei den jetzigen baulichen Gegebenheiten kann die Tribüne so nicht weiter genutzt werden, dafür ist sie nicht gebaut worden.“

Wieso wird das Stadion nun gesperrt?

Die Stadt hat dem 1. FC Magdeburg bereits am Mittwochnachmittag eine sogenannte Nutzungsuntersagungsverfügung für die MDCC-Arena zukommen lassen. Darin heißt es wörtlich: „Hiermit untersage ich für das Heimspiel des 1. FCM am 26.11.2016 mit sofortiger Wirkung die Nutzung der Blöcke auf allen Tribünen der Arena.“

Einzige Möglichkeit für den Verein: Der FCM sorgt durch organisatorische Maßnahmen dafür, „Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ auszuschließen. Sprich: Den Fans das Hüpfen zu verbieten. Auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz erklärte FCM-Geschäftsführer Mario Kallnik dann aber: „Ein generelles Hüpfverbot auszusprechen ist für ein Heimspiel mit tausenden Zuschauern zwar möglich aber niemals umsetzbar.“ Zur Begründung sagte der ehemalige Fußball-Profi: „Hüpfen ist seit jeher fester Bestandteil der Fankultur in Magdeburg. Ein Verbot ist für uns keine Option.“

Wie viele Fans sind betroffen?

Bis zum Mittwoch waren auf Magdeburger Seite nur noch rund 500 Tickets erhältlich, für die Partie waren bereits knapp 22.000 Tickets verkauft, darunter über 8.000 Dauerkarten. Wie die Ticketinhaber nun entschädigt werden, konnte Kallnik am Donnerstag noch nicht sagen. „Der wirtschaftliche Schaden lässt sich noch nicht bemessen“, so der Manager. Der Verein prüfe als Hauptmieter auch rechtliche Schritte einzuleiten.

Der Hallesche FC wurde am Mittwochabend über die Sperrung informiert. Doch in Halle hält sich die Zahl der Betroffenen stark in Grenzen. Nur 200 der über 2000 zur Verfügung stehenden Tickets wurden abgesetzt. Knapp 30 Fanclubs hatten im Vorfeld angekündigt nicht nach Magdeburg zu fahren – Hintergrund dafür war der tragische Tod des FCM-Fan Hannes S..

Wie geht es jetzt weiter?

Zunächst einmal muss der Verein das Gutachten abwarten, dann muss die Stadt als Eigentümer entscheiden, wie es mit dem Stadion weitergeht. „Wir sind nur Mieter, wir haben keine Möglichkeiten, selbst aktiv zu werden“, betonte FCM-Sprecher Norman Seidler. Die Verfügung gilt zwar zunächst nur für das anstehende Heimspiel gegen Halle, doch Kallnik betonte am Donnerstag: „Aktuell fehlt die Zukunftsaussicht. Wir wissen nicht, wie es in den nächsten Spielen weitergeht.“

Ob der FCM beim übernächsten Heimspiel gegen Aalen beispielsweise nach Braunschweig ausweichen kann, will der Verein nun prüfen. „Wir wissen um die Gefahr der Existenzbedrohung des Vereins. Gemeinsam mit der Stadt und allen Beteiligten müssen wir uns jetzt an einen Tisch setzen und eine Lösung finden“, sagt Kallnik. Schon am Freitag wollen der Oberbürgermeister, der Verein und Fanvertreter zusammenkommen. 

Hätte das Spiel nicht verlegt werden können?

Genau das wollte der FCM erreichen und sprach dazu auch beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) vor. Ergebnis: „Unter anderem auf Grund der Regularien nicht möglich.“ Auch für den Verband sei dies ein Präzedenzfall, so Kallnik, doch einer Verschiebung wollte man nicht zustimmen. 

Und wieso weicht der FCM nicht in ein anderes Stadion aus?

Der FCM hat beim DFB als Ausweichspielstätte das Heinrich-Germer Stadion lizensieren lassen. Doch für ein Hochsicherheitsspiel wie gegen den HFC wäre das 1920 errichtete Bauwerk mit seinen 4990 Plätzen nicht geeignet.

„Das war keine Option und wäre auch nicht genehmigt worden“, stellte Kallnik klar. Ein Tausch des Heimrechts mit dem HFC sei zwar mit dem DFB besprochen, aber nicht ernsthaft in Erwägung gezogen worden, so der FCM-Manager. Dessen Hallenser Kollege Ralph Kühne betonte: „Das Spiel in ein anderes Stadion zu verlegen ist nicht denkbar, weil es den Statuten widersprechen würde.“

Können die hüpfenden Fans nicht auf eine andere Tribüne ausweichen?

In der MDCC-Arena gibt es Stehplätze lediglich in zwei Blöcken in der Nord-West-Ecke. Deren Kapazität würde nicht ausreichen, um die aktuell rund 5000 Fans im Block U, in den Blöcken drei bis fünf, unterzubringen. Offen ist außerdem, ob dieser Bereich die hüpfenden Fans besser verkraften würde. 

Gab es so eine Situation schon einmal?

Da sind sich alle Beteiligten einig: Nein! „Das ist ein Präzedenzfall und einmalig in der deutschen Fußballgeschichte“, sagte Kallnik. Allerdings hatten auch andere Vereine in der Vergangenheit bereits Probleme mit der Statik ihrer Zuschauertribünen.

So investierte Bundesligist Borussia Dortmund seit dem Jahr 2012 kontinuierlich eine Millionensumme in die Betonsanierung des 1974 eröffneten Stadions. Auch in Rostock oder Nürnberg gab es Probleme, hier mussten die hüpfenden Fans ihren Standort wechseln (Nürnberg) oder das Kontingent begrenzt werden (Rostock).

Wie sicher sind die Stadien in Mitteldeutschland?

Rhythmisches Hüpfen der Anhänger des Halleschen FC ist laut Angaben der Stadionbetriebsgesellschaft keine besondere Gefahr für die Lebensdauer des Erdgas Sportparks.

Wie Mitarbeiter Oliver Kühr bereits im Sommer der MZ mitteilte, sei so etwas im ERDGAS-Sportpark, der Spielstätte des Halleschen FC, nicht bekannt. „In Halle haben wir kompakte Tribünen, die wir sämtlichen Belastungstests unterzogen haben. Es gibt absolut keinen Grund, beunruhigt zu sein“, sagt Kühr weiter.

Auch in der Red Bull Arena in Leipzig bestehe kein Sicherheitsrisiko. „Die Fans können zwar vor den Sitzreihen stehen und auch hüpfen. Es werden jedoch aufgrund des begrenzten Platzes keine Kräfte entwickelt, die zu einem Aufschaukeln führen können“, wie Winfried Lonzen, Geschäftsführer der Betreibergesellschaft ZSL, gegenüber der LVZ mitteilte.

Auch im Leipziger Bruno-Plache-Stadion genügen die Holztribüne den gesetzlichen Anforderungen.

In der Spielstätte von BSG Chemie Leipzig – dem Alfred-Kunze-Sportpark - ist die Zuschauerzahl generell begrenzt, wodurch ein Hüpfverbot für die Fans nicht notwendig sei.

Im Ernst-Abbe-Sportfeld, wo der FC Carl-Zeiss Jena seine Heimspiele ausrichtet, bestehen hingegen gar keine Stehplatztribünen, wodurch eine Sicherheitsgefahr nicht gegeben sei.

Das Stadion des FC Rot-Weiß Erfurt, das zurzeit errichtet wird und Platz für circa 18.500 Zuschauer bieten soll, werden die Tribünen so errichtet, dass sie auch einer dynamischen Belastung standhalten halten sollen.

Auch die Stadien von Dynamo DresdenChemnitzer FC und Erzgebirge Aue seien mit einer verbesserten Statik errichtet worden.

Welche Auswirkungen hat die Sperrung auf die Sicherheitsplanungen?

Die Polizei will am Freitag über die genauen Sicherheitsplanungen informieren. FCM-Manager Kallnik sagte: „Selbstverständlich erwarten wir den einen oder anderen Fan, der den Verein in dieser Situation vielleicht solidarisch beiwohnen möchte oder aber gar nichts von der Maßnahme weiß. Entsprechend werden wir das organisatorisch begleiten.“ Die Polizei wurde vom FCM am Mittwoch über die Situation in Kenntnis gesetzt.