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Zukunft der Hitler-Figur nach Attacke unklar

06.07.2008, 13:28

Berlin/dpa. - Schon nach wenigen Minuten war Hitler geköpft. Der zweite Besucher, der am Samstagmorgen in die neue Berliner Madame-Tussauds-Ausstellung kam, riss der umstrittenen Wachspuppe kurzerhand den Schädel ab.

Zuvor hatte der 41 Jahre alte Störenfried eine Stunde lang geduldig in der Warteschlange gestanden. Dann ging es ganz schnell. Mitarbeiter konnten die Attacke nicht verhindern. «Es war eine Wette», sagte Frank L. später der «Bild am Sonntag». Laut Medienberichten steht der Protestler aus Kreuzberg der linken Szene nahe und war früher Polizist.

Gleich zwei Sicherheitsmänner sollten eigentlich dafür sorgen, dass keine Besucher Souvenirfotos mit dem Nazi-Diktator machen - geschweige denn, den umstrittenen Wachs-Hitler anfassen. Doch L. fasste ihn nicht nur an, sondern sprang über die Absperrung, stürzte auf den Schreibtisch zu, riss an der Figur und schrie dabei «Nie wieder Krieg!», wie ein Augenzeuge berichtet. Erst dann seien zwei Wachmänner eingeschritten. Bei dem Handgemenge wurde ein Tussauds-Mitarbeiter leicht verletzt. Als die Sicherheitsleute den Täter endlich im Griff hatten und zurückdrängten, war es bereits geschehen.

Eine Viertelstunde nach der Museumseröffnung kamen Polizisten in drei Streifenwagen herbeigeeilt und nahmen den Vater eines achtjährigen Sohnes fest. Gegen L. wird jetzt wegen Sachbeschädigung an der Figur und Körperverletzung an dem Mitarbeiter ermittelt. «Ich stehe politisch eher links, bin aber kein Extremist», sagte L. der «Bild am Sonntag». Der «Berliner Morgenpost» verriet die Freundin des Mannes, ihr Partner sei in der Nacht zum Samstag «plötzlich aus unserem Bett verschwunden». Auch seinen Hund «Absturz» habe er nicht mitgenommen. Sie habe erst am Samstagmittag von der Attacke erfahren.

Laut Medienberichten wurde L. zum Polizisten ausgebildet, quittierte aber bereits vor Jahren seinen Dienst. Ein Polizeisprecher wollte dies am Sonntag aber weder bestätigen noch dementieren. Der lange Zeit arbeitslose L. sei den Beamten bislang nur wegen kleinerer Delikte bekannt, darunter Stromdiebstahl und Schwarzfahren, hieß es. Vorbestraft sei er aber nicht.

Bei vielen löste der Vorfall am Samstag jedenfalls Heiterkeit aus. «Endlich hat ein Hitler-Attentat geklappt», witzelte etwa der Essayist Henryk M. Broder vor dem Eingang. Die Puppe, deren Entwurf und Bau angeblich rund 200 000 Euro gekostet haben soll, war rasch in abgeschlossene Museumsräume gebracht worden.

Schon vor Eröffnung der Ausstellung hatte die Figur des Diktators für Diskussionsstoff gesorgt. Darf Adolf Hitler nur wenige hundert Meter vom ehemaligen Ort der Reichskanzlei entfernt als Touristen- Attraktion stehen? Er darf, fanden die Veranstalter und beriefen sich dabei auf eine repräsentative Umfrage. Danach wollten die meisten Befragten den Diktator als historische Figur bei Madame Tussauds sehen. In London und in Hamburg werden seit langem Wachs-Hitler ausgestellt, ohne dass es zu vergleichbaren Vorfällen oder Diskussionen kam.

Ob die Berliner Figur repariert und wieder im Ausstellungsbereich zu sehen sein wird, ist ungewiss. «Wir werden mit der Geschäftsführung und unseren Anwälten beraten und dann eine Entscheidung treffen», sagte Tussauds-Sprecherin Natalie Ruoß.

Dem Besucherstrom tat die «Enthauptung» Hitlers keinen Abbruch. Am Samstag und auch am Sonntagmorgen warteten zahlreiche Besucher vor dem Kabinett auf Einlass, obwohl der Platz des Diktators leer war. «Jetzt hat sich endlich mal einer getraut!», rief eine ältere Frau und eilte weiter. Die 21-jährige Christine Schönfuß aus Eisleben in Sachsen-Anhalt hatte am Samstag für die ganze Aufregung hingegen wenig übrig. «Hitler? Ich will zu Boris Becker», meinte sie.

Internet: www.madametussauds.com/Berlin