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Tiefgreifender Umbruch Wohnen: Weniger Menschen, mehr Leerstand, ältere Bevölkerung

Hohe Leerstandsquote, steigende Mieten in Städten und Bedarf an altersgerechten Wohnungen: Ein neuer Bericht zeigt, wie unterschiedlich die Herausforderungen im Land sind.

Von Simon Kremer, dpa 26.11.2025, 11:18
In den Städten Magdeburg und Halle ist der Leerstand noch geringer – hier wohnen viele Menschen zur Miete. (Archivbild)
In den Städten Magdeburg und Halle ist der Leerstand noch geringer – hier wohnen viele Menschen zur Miete. (Archivbild) Stephan Schulz/dpa

Magdeburg - Der Wohnungsmarkt in Sachsen-Anhalt steht in den kommenden Jahren vor großen Herausforderungen und einem tiefgreifenden Wandel. Vor allem Leerstand und notwendige Modernisierungen für altersgerechtes Wohnen stünden dabei im Mittelpunkt, sagte Infrastrukturministerin Lydia Hüskens (FDP) bei der Vorstellung des Wohnungs- und Mietmarktberichts Sachsen-Anhalt. Dabei würden sich für verschiedene Regionen im Land unterschiedliche Trends zeigen. 

Wie entwickelt sich die Bevölkerung in Sachsen-Anhalt?

Die zentrale Botschaft ist: Das Land wird kleiner und älter. 2024 lebten rund 2,14 Millionen Menschen in Sachsen-Anhalt, bis 2040 dürfte die Zahl auf etwa 1,83 Millionen sinken – ein Minus von gut 15 Prozent. Hauptgrund ist, dass deutlich mehr Menschen sterben als geboren werden. Zuwanderung kann das nur teilweise ausgleichen und beschränkt sich häufig auch auf größere Städte. Gleichzeitig wächst der Anteil der über 65-Jährigen deutlich.

Wie wohnen die Menschen in Sachsen-Anhalt? 

Vor allem in kleinen Haushalten. Knapp 80 Prozent aller Haushalte bestehen aus ein oder zwei Personen. Fast die Hälfte sind Single-Haushalte (44,7 Prozent), gefolgt von Paaren ohne Kinder (28,6 Prozent) und Paaren mit Kindern (16,2 Prozent). Räumlich zeigt sich ein klares Muster: In den größeren Städten wie Magdeburg, Halle und Dessau-Roßlau dominieren Single-Haushalte und kleinere Wohnungen, oft zur Miete in Mehrfamilienhäusern.

Im Umland und in ländlichen Regionen wie etwa im Nordharz oder zum Teil im Burgenlandkreis wohnen dagegen viele Familien und Paare in Ein- oder Zweifamilienhäusern, häufig im Eigentum.

Welche Herausforderungen gibt es auf dem Wohnmarkt?

Weniger Menschen heißt nicht automatisch, dass es überall zu viele Wohnungen gibt. Im Bericht heißt es: In manchen Regionen führen Bevölkerungsrückgang und Abwanderung zu Leerstand, in anderen – vor allem in Städten wie Magdeburg, Halle, Dessau-Roßlau und der Nähe zu Leipzig bleibt die Nachfrage stabil oder steigt. Im Burgenlandkreis oder im Landkreis Mansfeld-Südharz werden in einigen Gemeinden Rückgänge von mehr als 20 Prozent erwartet. Entscheidend ist, wo welcher Wohnungstyp gebraucht wird: barrierearme, kleine Wohnungen für Ältere, familiengerechte Wohnungen in den Zentren, bezahlbare Wohnungen für Haushalte mit geringem Einkommen. 

Das hat auch auf die Mieten Auswirkungen: Die mittlere Angebotsmiete für eine typische Wohnung ist seit 2015 um gut ein Drittel gestiegen. Damit liegt Sachsen-Anhalt aber immer noch deutlich unter dem bundesweiten Niveau von rund 50 Prozent. Grundsätzlich würden die Mieter in Sachsen-Anhalt im Schnitt 24 Prozent ihres Einkommens für das Wohnen ausgeben – und damit weniger als im Bundesschnitt. 

Im Neubau ist der Sprung allerdings drastischer: Landesweit kletterten die Neubau-Angebotsmieten um rund 80 Prozent, auf inzwischen 12,90 Euro pro Quadratmeter im Mittel. In einigen Städten wurden auch Werte über 15 Euro beobachtet – ein Niveau, das für Normalverdiener nur schwer zu stemmen ist. Besonders in Halle (Saale) und Magdeburg deuten die Mietsteigerungen laut Bericht auf eine wachsende Anspannung der Wohnungsmärkte hin.

Warum ist der Leerstand in Sachsen-Anhalt so hoch?

Sachsen-Anhalt hat mit 8,9 Prozent bundesweit die höchste Leerstandsquote – im Bundesschnitt sind es 4,3 Prozent. Besonders betroffen sind Dessau-Roßlau (12,5 Prozent) sowie mehrere Landkreise, etwa der Burgenlandkreis, Salzlandkreis, Stendal und Anhalt-Bitterfeld mit Werten um oder über zehn Prozent. Auch einzelne Gemeinden liegen bei mehr als 15 Prozent Leerstand.

Das betrifft in den Städten häufig Mehrfamilienhäuser oder „Plattenbauten“. In ländlichen Gegenden aber auch Einfamilienhäuser, die stark renovierungsbedürftig sind oder an lärmbelasteten Straßen liegen. Auch für private Eigenheimbesitzer stelle sich in Zukunft in manchen Regionen die Frage, was sie mit ihrem Haus machen, sagte Infrastrukturministerin Hüskens.

Welche Wohnungen fehlen konkret?

Gesucht sind vor allem barrierearme, altersgerechte und energetisch sanierte Wohnungen – und zwar in gut angebundenen Lagen mit intakter Infrastruktur. Gerade ältere Menschen wohnen oft in zu großen, nicht barrierefreien Häusern oder Wohnungen, während passende kleinere Einheiten fehlen. Gleichzeitig ist ein relevanter Teil des Leerstands energetisch ineffizient, sanierungsbedürftig und strukturell schwer vermarktbar.

Was plant das Land politisch?

Die Herausforderungen auf den Wohnungsmärkten Sachsen-Anhalts unterscheiden sich deutlich zwischen wachsenden, stagnierenden und schrumpfenden Regionen. Dem Bericht zufolge geht es um den Ausbau altersgerechter Wohnstrukturen, aktives Management von Leerstand, energetische Modernisierung, sozialen Wohnungsbau und die Unterstützung von Mobilität und freiwilligen Umzügen. Es werde punktuell aber auch um Rückbau oder Abriss von Gebäuden gehen. 

Wo liegen die größten Zielkonflikte?

Es gibt mehrere Spannungsfelder: Etwa Klimaschutz und energetische Sanierung im Vergleich zu Bezahlbarkeit der Mieten. Oder Rückbau und Verkleinerung gegen den Erhalt von Strukturen vor Ort.