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Wissenschaft Wissenschaft: «TNT ist dagegen eine lahme Ente»

04.07.2007, 07:03
Professor Reinhold Tacke (l) und Doktorand Dennis Trögel (r), fotografiert an ihrem Arbeitsplatz im Labor des Instituts für anorganische Chemie der Universität Würzburg. (Foto: dpa)
Professor Reinhold Tacke (l) und Doktorand Dennis Trögel (r), fotografiert an ihrem Arbeitsplatz im Labor des Instituts für anorganische Chemie der Universität Würzburg. (Foto: dpa) dpa

Würzburg/München/dpa. - Auf der Suche nach einem besseren Herzmedikament habenbayerische Forscher unbeabsichtigt einen der gefährlichsten Stoffeder Welt geschaffen.

Die Experimentatoren Professor Thomas Klapötke und Burkhard Krummvon der Universität München müssen bei der Arbeit mit dem Super-Sprengstoff extrem aufpassen. Ohne Lederjacke, Gesichtsschutz undHandschuhe aus dem hochfesten Material Kevlar geht gar nichts. IhreWürzburger Kollegen um Professor Reinhold Tacke hatten bei einembekannten Wirkstoff, der gegen die Verengung der Herzkranzgefäßeeingesetzt wird und zugleich als Plastiksprengstoff (Nitropenta)dient, ein Kohlenstoffatom durch ein Siliziumatom ausgetauscht.Chemiker Tacke befasst sich seit Jahren mit diesem Atomaustausch inArzneimitteln. «Durch diesen Austausch kann man die Eigenschafteneines Medikaments prinzipiell verbessern», erläutert Tacke. Sokönnten im Idealfall auch die Nebenwirkungen verringert werden.

Doch ein Atomaustausch ist in diesem Fall nicht risikolos. «Es waruns schon klar, dass diese Substanz dann durchaus laut werdenkönnte», sagt Tacke. Mit einer derart heftigen Explosion hatte aberauch er nicht gerechnet. Doktorand Dennis Troegel erinnert sich anden Tag vor etwa drei Jahren, als sich plötzlich Glassplitter in seinGesicht und den Hals bohrten. «Ich wollte eigentlich nur an einemHeizregler etwas verstellen», erzählt er. «Es gab einenohrenbetäubenden Knall mit einem grellen Lichtblitz. Dann habe ich 15Minuten nichts mehr gehört.» Trotz großer Sicherheitsvorkehrungen wareine winzige Menge - es waren höchstens 20 tausendstel Gramm - derSubstanz in die Luft geflogen. Glücklicherweise erlitt Troegel nurein paar Schnittwunden und einen Schock.

«Ich war schon zu Hause, als das Telefon klingelte», sagt Tacke,der sofort zurück zum Institut hetzte. Gemeinsam mit seinem Team habeer dann eine zweite Stoffprobe aus dem Haus geschafft. «Wir haben sieauf den Beton geworfen, da ist sie dann explodiert. Da war uns klar,dass wir hier etwas ganz besonders Brisantes in der Hand halten»,sagt der 57-Jährige. «TNT ist eine lahme Ente dagegen.» Er nahmKontakt zum Sprengstoffexperten Klapötke auf, und eine Vorstufe derSubstanz - harmlos wie Zucker - ging per Post nach München.

Die Münchner Chemiker, die sich unter anderem mit Treibstoffen fürRaketenantriebe beschäftigen und Explosives für das amerikanischeMilitär und die Bundeswehr entwickeln, untersuchten den Super-Sprengstoff. «Wenn man ihn ganz leicht mechanisch belastet hat, wennman ihn nur ein bisschen berührt hat, ist er explodiert», erinnertsich Klapötke. «Es ist einer der empfindlichsten Stoffe, die ich jehatte.» Dass der zufällig entdeckte Sprengstoff irgendwann zumEinsatz kommt, ist allerdings unwahrscheinlich. Selbst dieErforschung der Substanz ist zu gefährlich. «Wir müssen sie erstzähmen», sagt Klapötke.

Und auch Herzkranke sollten sich nach Tackes Worten nicht zu großeHoffnungen machen, dass die namenlose Silizium-Verbindung irgendwanngegen die Verengung der Herzkranzgefäße helfen wird. «Aus meinerSicht ist das Projekt gestorben. Die Substanz kann keiner handhaben»,sagt der Chemiker etwas resigniert.