Wissenschaft Wissenschaft: Größtes Radioteleskop der Welt entsteht in Chile

Santiago de Chile/dpa. - Mit einem «Super-Ohr» in der chilenische Atacama-Wüste wollen Astronomen die Geheimnisse der Entstehung und der ersten Jahre des Universums lüften und zugleich ein Stück Zukunft erlauschen. Nach Angaben der Europäischen Südsternwarte (ESO) soll dort das «weltweit größte und leistungsstärkste Radioteleskop» gebaut werden. Der Startschuss für den Bau wurde dieser Tage mit der Konzession des 17 900 Hektar großen Grundstücks durch Chile gegeben.
Auf dem Hochplateau von Chajnantor in etwa 5000 Meter Höhe, sollen64 modernste Antennen von je zwölf Metern Durchmesser aufgestelltwerden. Sie können den Plänen zufolge über eine Fläche von zehnKilometern Durchmesser bewegt und gleichzeitig auf das zubeobachtende Objekt ausgerichtet werden. Das Verbundsystem simuliertsomit ein «Mammut-Teleskop» von zehn Kilometern Durchmesser, das aufdie «Jagd» nach den schwächsten Signalen des Alls gehen wird.
Das «Atacama Large Millimeter Array» (ALMA) ist ein 650-Millionen-Euro-Gemeinschaftsprojekt der Europäischen Südsternwarte und deramerikanischen National Science Foundation (NSF). Das Mammut-Teleskop- das nicht «sieht», sondern «hört» - soll Strahlung im Millimeter-und Submillimeter-Bereich untersuchen. Diese Strahlung im kritischenBereich zwischen Infrarot und Radiowellen birgt Geheimnisse über dieEntstehung von Galaxien, Sternen und Planeten nach dem Urknall. Denndie Phänomene geschehen hinter dichten, für Licht undurchdringlichenStaubwolken. Sie bleiben daher optischen Teleskopen verborgen, die imBereich der sichtbaren Strahlen arbeiten.
Die Testphase soll nach der Aufstellung von Prototyp-Antennenbereits 2006 beginnen. Erst 2011 wird die Anlage voll betriebsfähigsein. Dann wollen die Wissenschaftler Erkenntnisse über die erstenzwei Milliarden - von insgesamt rund 14 Milliarden - Lebensjahren desUniversums gewinnen. «Damit wird ein Traum der Menschheit wahr, esist wie eine Reise in die erste aller Vergangenheiten», sagte derzuständige Sprecher im chilenischen Außenministerium, Luis Winter,der Zeitung «Comercio». Amerikanische und europäische Wissenschaftlersprechen von «einem neuen Zeitalter in der astronomischen Forschung».
Die Hochebene in der Atacama-Wüste etwa 1370 Kilometer nördlichder chilenischen Hauptstadt Santiago ist besonders gut für dasProjekt geeignet: Es handelt sich um eine der trockensten Stellen derErde, sie ist über eine Fernstraße gut zu erreichen und bietet zudemviel Platz. Die Luftfeuchtigkeit sei der größte Feind der Radiowellenim Millimeter-Bereich, die bei der Geburt von Galaxien entstehen,erklärt der US-Vertreter des Projekts in Chile, Eduardo Hardy. Manwerde dank des Projekts auch genauere Prognosen zur Entwicklung desUniversums und unseres Sonnensystems abgeben können.
Das Projekt «ALMA» (auf spanisch «Seele») kommt aber nicht nur denAstronomen zu Gute. Chile bekommt für die 50-jährige Konzession nichtnur zehn Prozent der Beobachtungszeit, sondern auch 700 000 US-Dollar(609 000 Euro) pro Jahr. Davon will der südamerikanische Staat200 000 Dollar für die Verbesserung der Bildung und derGesundheitsversorgung der nahe des Geländes gelegenen Gemeinden SanPedro und Toconao ausgeben. Außerdem soll der Tourismus dortgefördert werden.