Wissenschaft Wissenschaft: Delfin steht dem Mensch an Intelligenz kaum nach
SanDiego/dpa. - Die US-Forscherin Lori Marinovon der Emory Universität in Atlanta analysierte die graue Masse vondrei Großen Tümmlern (Tursiops truncatus).
Gemessen an ihrer Größe haben Delfine etwas weniger Hirnmasse alsder Mensch. Dafür ist ihr Hirn stärker gefaltet und hat eine größereOberfläche, eine Eigenschaft, die die fehlende Masse wettmachenkönnte. Die Faltung betrifft vor allem die Neocortex, eineHirnstruktur, die komplizierte Denkvorgänge und das Selbstbewusstsein steuert. Keine andere Art der Welt hat ein so gewundenes Gehirn wieDelfine, berichtete Marino auf der Jahrestagung des amerikanischenWissenschaftsverbandes AAAS in San Diego, die am Montag (Ortszeit)endete.
Bleibt das Wettrennen zwischen Mensch und Delfin um die höchsteIntelligenz zunächst noch unentschieden, steht doch zumindest einVerlierer schon fest. Menschenaffen wie Schimpansen und Gorillasfallen im Vergleich zu Tümmlern und anderen Delfinen deutlich zurück.Das Affenhirn ist nur doppelt so groß, wie das durchschnittliche Hirnvon anderen Tieren dieser Größe. Das Hirn der Delfine ist dagegenfünfmal größer, als bei ihrem Körper zu erwarten wäre. Der Menschbesitzt im Vergleich zu Tieren ähnlichen Gewichts sogar diesiebenfache Hirngröße. Auch in Bezug auf die Struktur und andereMerkmale des Hirns bleibt den Menschenaffen nach den jüngstenErkenntnissen vom Delfin nur ein weit abgeschlagener Platz drei.
«Was heißt das?», fragte der Ethik-Professor Thomas White von derLoyola Marymount Universität in Los Angeles auf dem Kongress derweltgrößten Forscherorganisation. Anhand einer Liste von Kriterienwies White nach, dass Delfine alle Voraussetzungen erfüllen, um alsIndividuum definiert zu werden. Sie hätten positive und negativeEmpfindungen, Emotionen, Selbstbewusstsein und seien in der Lage, ihrVerhalten zu steuern. Delfine erkennen einander und begegnen sich mitRespekt, meist sogar mit offener Zuneigung, zitierte White auszahlreichen Studien. Sie nehmen sich im Spiegel wahr - eine Leistung,die außer ihnen nur Menschen und Menschenaffen vollbringen - gehenanalytisch und planmäßig vor und lösen komplexe Aufgaben. Außerdemhaben sie die Kapazität, körperlich und gefühlsmäßig intensiv undlanganhaltend zu leiden.
Diese Kombination von geistiger Kapazität und Verletzlichkeit istnach traditionellem Verständnis allein dem Menschen zu eigen. Wennder Delfin sie im Verlauf seiner fast 60 Millionen Jahre langenEvolution ebenfalls erworben haben sollte, stünden ihm ähnlicheRechte zu, wie sie der Mensch für sich beanspruche, argumentiert derEthikprofessor. Dann dürften Delfine nicht «wie Sklaven» fürTiershows vermarktet und zu Hunderttausenden im östlichen Pazifikgejagt und geschlachtet werden, dann dürften die geselligenMeeressäuger nicht als Eigentum betrachtet, sondern müssten mitAchtung behandelt werden. Für den Menschen bietet der Delfin nachAnsicht des Experten die Chance, eine Ethik zu entwickeln, die «eineWende in dem Verhältnis von Homo sapiens und anderen intelligentenArten auf unserem Planeten herbeiführt».