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Drittreichster Mensch der Welt Wie Bill Gates jetzt das Klima retten will

Der amerikanische Hightech-Milliardär Bill Gates veränderte mit Microsoft die Welt. Jetzt will er das ein zweites Mal tun - sie soll grüner und nachhaltiger werden.

Von Steffen Könau Aktualisiert: 25.4.2021, 15:07
Melinda und Bill Gates sind Gründer einer Stiftung, die sich der Verbesserung der Gesundheitsversorgung in armen Ländern widmet.
Melinda und Bill Gates sind Gründer einer Stiftung, die sich der Verbesserung der Gesundheitsversorgung in armen Ländern widmet. Foto: IMAGO/Bill & Melinda Gates Foundation/Imago

Halle (Saale) - Er hat alles und noch viel mehr und alles was er nicht hat, könnte er haben, wenn er es nur wollte. William Henry Gates III, der Welt besser bekannt als Bill Gates, ist 45 Jahre nach der Gründung seiner Softwarefirma Microsoft der drittreichste Mann der Welt. Aber glücklich, das verrät der 65-Jährige in seinem neuen Buch „Wie wir die Klimakatastrophe verhindern“, ist er doch nicht. Denn der Mann aus Seattle, nach einem halben Jahrhundert in der Wirtschaftswelt mit allen Wassern gewaschen, sieht die ganze Welt vor Probleme gestellt, für die es keine Lösung gibt, zumindest keine einfache.

Bei Windows, dem Computerprogramm, das den Studienabbrecher zu einer Hightech-Ikone machte, reicht es, eine Tastenkombination zu drücken, um alles herunterzufahren und neu zu starten. Dagegen wirkt die Vielzahl der Herausforderungen, mit denen es die Menschheit im dritten Jahrtausend aufzunehmen haben wird, wie ein tödliches Gemisch.

Das Leben leichter machen

Bill Gates, bei Microsoft vor 13 Jahren im Frieden ausgeschieden, lebt allerdings bis heute im Bestreben, die Welt besser und das Leben leichter zu machen. Mit der Ende der 90er gegründeten Bill & Melinda Gates Foundation steckt er viel Geld und Energie in die Bekämpfung von Krankheiten wie Malaria und Kinderlähmung in den Ländern der Dritten Welt. Zudem investiert er privat schon seit Jahren in innovative Unternehmen, die Energie billiger, nachhaltiger und mit weniger Klimaschäden erzeugen wollen. Weil er schon vor einigen Jahren gemahnt hatte, dass die Staaten weltweit auf den Ausbruch einer Pandemie unzureichend vorbereitet seien, rückte Gates zuletzt aber vor allem ins Visier von Verschwörungstheoretikern, die dem frühen Warner unterstellen, er habe die Seuche ausgelöst.

Bill Gates gibt sich unbeeindruckt von solchen Vorwürfen. Den einstigen Hightech-Visionär plagen ganz andere und viel größere Sorgen. Gates, der die Ernsthaftigkeit seiner philanthropischen Bemühungen durch Spenden von inzwischen 36 Milliarden Dollar an seine Stiftung unterstrichen hat, will die Menschheit aufrütteln und ihr einen Weg weisen, der aufdämmernden Klimakatastrophe zu entrinnen. Auch für Bill Gates eine überraschende Mission. „Vor zwanzig Jahren hätte ich nie erwartet, dass ich eines Tages Vorträge über den Klimawandel halten würde“, schreibt er. Sein Background sei schließlich Softwareentwicklung, nicht Klimawissenschaften. Zudem sei ihm klar, dass er „kein idealer Botschafter für diese Mission“ sei. „Die Welt leidet nicht unter einem Mangel an reichen Männern, die große Ideen haben für das, was andere Leute tun sollen.“

Apokalyptische Bilder in Lagos

Aber trotzdem. Gates, als Unternehmer ein typischer Selfmademan, weiß, wie man sich in ein Thema einarbeitet. Und seit er vor Jahren bei einem Besuch in Lagos, der größten Stadt Nigerias, apokalyptische Bilder von Menschen sah, die sich um Feuer in alten Öltonnen drängten, weil es in der 14-Millionen-Stadt keine verlässliche Stromversorgung gibt, drängt es ihn, nach einem Ausweg aus einem offenkundigen Dilemma zu suchen. Vor allem die reichen Länder des Nordens verbrauchen pro Kopf unglaubliche Mengen an Energie. Die Einwohner der ärmeren Staaten hingegen leiden einerseits unter Energiemangel. Andererseits aber resultiert aus ihren deshalb schwachen Wirtschaftssystemen ein anhaltendes Bevölkerungswachstum, das die mit großem Aufwand erreichten Einspareffekte der Industriestaaten aufzuzehren droht.

51 Milliarden Tonnen Treibhausgase, hat Bill Gates zusammengerechnet, erzeugt die Menschheit derzeit in jedem Jahr. 51 Milliarden über der Null, die in den 29 Jahren bis zur Mitte des Jahrhundert erreicht werden muss, soll die Erderwärmung unter zwei Grad gestoppt werden.

Wie aber dorthin kommen? Gates, immer schon ein unorthodoxer und strategischer Denker, geht die Frage ohne Tabus an, indem er sich die Hauptverursacher des CO2-Ausstoßes vornimmt. Stromerzeugung, Industrie, Landwirtschaft, Transport, Verkehr, Heizung und Kühlung werden danach die Hauptschlachtfelder der Dekarbonisierung sein, also des globalen Versuchs, eine Erzeugung von Energie, Waren und Dienstleistungen zu organisieren, ohne Kohlendioxid auszustoßen.

Bill Gates ist zur Zielscheibe von Verschwörungstheoretikern geworden.
Bill Gates ist zur Zielscheibe von Verschwörungstheoretikern geworden.
Foto: DPA

Der Versuch gleicht, gemessen an den Zahlen, die der einstige Computerrevolutionär aufführt, schon auf dem Papier einer Sisyphos-Aufgabe. „Es wird sehr schwierig werden, auf null zu kommen“, gesteht Bill Gates selbst zu. Aber die gute Nachricht sei: „Wir können es schaffen“.

Es ist verblüffend, wie umfassend und zugleich verständlich der bei seinen Gegnern so verhasste Multimilliardär es schafft, die gewaltige Aufgabe in kleine Teilbereiche zu zerlegen. Gates lässt sich auch nicht entmutigen, als sich herausstellt, dass es eine ungeheuere Menge zusätzlicher Energie kostet, Energie zu sparen. Ja, alternative grüne Energieversorger sind oft noch unwirtschaftlich. Und selbst bei optimalem Umbau bleibe nur die Hoffnung, dass das große Talent der Menschheit, grundstürzende Innovationen zu schaffen, die Lücke zwischen Muss und Möglichkeit eines Tages füllen wird.

Plädoyer für die Atomkraft

Eine davon, davon ist Gates überzeugt, wird die Atomkraft sein müssen. Seit anderthalb Jahrzehnten schon investiert der immer noch größte private Microsoft-Anteilseigner über die Firma Terrapower in die Entwicklung einer neuen Generation von Kernreaktoren, die kleiner, sicherer und restmüllfrei sein sollen. Es handele sich dabei um die „einzige CO2-freie Energiequelle“ (Gates). Eine Zukunft, in der elektrischer Strom sauber, überall verfügbar und preiswert sei, lasse sich ohne solche Technologien schwer vorstellen. Zumal die Effizienz bei den benötigten Mengen an Zement, Stahl und Fläche pro erzeugter Kilowattstunde Strom eine deutliche Sprache spreche: „Die Energieausbeute bei Atomkraft ist wesentlich höher.“

Ein Tabubruch, der vor allem im Atomkraftausstiegsland Deutschland nicht gut ankommen wird. Doch Bill Gates argumentiert klar und rational: Wer Elektroautos und Wärmepumpen antreiben und nebenbei grünen Wasserstoff als Energiespeicher erzeugen wolle, treibe den Stromverbrauch in einer noch gar nicht absehbaren Größenordnung nach oben. Aktuelle Annahmen, wie sie etwa die Bundesregierung vertritt, die von einem gleichbleibendem Stromverbrauch bis 2030 ausgeht, wären absehbar hinfällig.

Um einen zerstörerischen Mangel an Energie, wie Gates ihn in Nigeria beobachtet hat, nicht entstehen zu lassen, müssten jetzt Weichen gestellt werde. „Wir brauchen Ideen, wir brauchen Innovationen und wir brauchen Investitionen“, fordert Bill Gates, der hier nicht als Schulmeister auftritt, sondern in der Rolle des typischen amerikanischen Optimisten. Mut mache ihm, dass die CO2-Emissionen nicht mehr als Randproblem gülten, das man auf die lange Bank schieben könne. (MZ)

Bill Gates: „Wie wir die Klimakatastrophe verhindern“, Piper, 320 Seiten, 22 Euro