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Wetter Wetter: Das Münsterland versinkt im Winterchaos

27.11.2005, 13:02

Münster/Osnabrück/dpa. - Rund 2000 Unfälle, etwa 140Verletzte, Millionenschäden und 250 000 Menschen, deren Haushalteviele Stunden lang ohne Strom waren - das ist die vorläufige Bilanz.Laut Wetterdienst Meteomedia gab es solche Schneemassen in der Regionzuletzt vor mehr als 100 Jahren.

Betroffen war vor allem das Münsterland. In den Kreisen Borken undSteinfurt wurde Katastrophenalarm ausgelöst. Hier wie auch in anderenRegionen fielen binnen 24 Stunden etwa 30 bis 50 Zentimeter Schnee.Der Verkehr brach streckenweise völlig zusammen. Der FlughafenDüsseldorf musste stundenlang gesperrt werden. Züge kamen wegenumgestürzter Bäume nicht mehr voran.

Größte Herausforderung war am Sonntag die Reparatur desStromnetzes. Dem Energiekonzern RWE war es zunächst gelungen, mehrals 100 000 Menschen wieder mit Strom zu versorgen. DieStromleitungen hatten der Belastung durch die sturmgepeitschten«oberarmdicken Eispanzer» nicht standgehalten.

50 Hochspannungsmasten im Münsterland waren eingeknickt oder nichtmehr funktionstüchtig. RWE trat Spekulationen entgegen, wonach Mastenund Leitungen im Münsterland überaltert gewesen sein könnten. «Hierstehen die selben Masten wie in Bayern oder in Österreich», sagte einSprecher.

Auch im Osnabrücker Land sorgte der Wintereinbruch für einSchneechaos mit vereisten und teils blockierten Straßen. Allerdingsnormalisierte sich der Verkehr auf den Autobahnen nach nächtlichenRäumungsarbeiten. Auch der Bahnverkehr laufe wieder, berichtete einPolizeisprecher am Sonntag. In der Nacht zum Samstag waren fast 500Reisende in Osnabrück gestrandet. Mit der Stromversorgung gebe esanders als im benachbarten Westfalen ebenfalls keine Probleme, sagteder Sprecher.

NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) wollte amSonntagnachmittag in die betroffene Region fahren und sich ein Bildvon der Lage machen. Gemeinden öffneten Turnhallen, wo sich dieMenschen aufwärmen konnten. In einigen Kreisen ist am Montagschulfrei.

In Altenheimen, Krankenhäusern und auf Bauernhöfen, wo unbedingtdie Kühe mit den Maschinen gemolken werden mussten, wurden mindestens600 Notstromaggregate verteilt. Die Bewohner schwankten zwischenSorge und Gelassenheit. «Die Münsterländer nehmen hin, was nicht zuändern ist», sagt Krisenstab-Sprecher Stefan Bergmann.

Meteomedia sprach von einem «historischen» Wintereinbruch. InMünster bestehe seit 1888 eine lückenlose meteorologischeBeobachtungsreihe. Danach lag der bisherige Schneehöhenrekord fürNovember bei 30 Zentimeter - und zwar im Jahr 1925. Dieser wurdedurch die aktuelle Schneehöhe von 32 Zentimetern gebrochen, teilteder Meteorologe Lars Dahlstrom am Sonntag mit. Die höchste überhauptgemessene Schneemenge dort stammt vom 28. Januar 1897 und betrug 38Zentimeter.

«So etwas kennt man sonst nur aus Filmen über Sibirien», sagte einSprecher der Autobahnpolizei Wuppertal angesichts der bis zu einemMeter hohen Schneewehen auf der A 1. Die A 31 bei Gronau war 46Stunden lang gesperrt. Dort wie an vielen anderen Orten warenStarkstromkabel der Überlandleitungen von den Masten gerissen undhingen gefährlich nahe über der Fahrbahn.

Tausende Autofahrer mussten die Nacht zum Samstag in ihren Wagenverbringen. Lastwagenfahrer luden Frierende in ihre geheiztenFührerhäuser ein. Der Winterdienst war mit seinen fast 700 Fahrzeugenrund um die Uhr im Einsatz und streute 1500 Tonnen Salz.

Bei der Bahn ging vielfach nichts mehr. 216 Züge verspäteten sichum insgesamt knapp 117 Stunden, viele Strecken waren unpassierbar. AmHauptbahnhof Münster nächtigten rund 50 Menschen in einemLuftschutzbunker, weil weder Züge noch Taxis verkehrten undumliegende Hotels ausgebucht waren.

Auch das Ruhrgebiet war von den Schneefällen stark betroffen. DieVerkehrsbetriebe in Essen stellten zeitweise den Betrieb ein. «Wirhaben hier fast den idealen Verkehrszustand erreicht - nämlich denStillstand», sagte ein Polizeisprecher. Der Handel konnte hier denersten Adventssamstag als Einnahmequelle praktisch streichen.

Für die katastrophalen Staus machten die Behörden nicht zuletztLastwagen verantwortlich, die mit Sommerreifen unterwegs waren, sagteein Sprecher des Innenministeriums. Wegen der quer stehendenTransporter seien die Räumfahrzeuge kaum durchgekommen.

Des einen Leid, des anderen Freud: Bei klirrender Kälte undschneidendem Wind eröffneten die Liftbetreiber im Sauerland dieSkisaison. Der Ansturm von Wintersport-Begeisterten blieb aber aufGrund des Schneechaos auf den Straßen aus.

Schneechaos in NRW (Grafik: dpa)
Schneechaos in NRW (Grafik: dpa)
dpa