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Weiße Weihnacht Weiße Weihnacht: Auf dem Brocken ja, im Flachland nein - oder?

Von Ralf Böhme und Johannes Dörries 18.12.2012, 12:52
Eine Weihnachtsmannpuppe scheint einen Mann zu beobachten, der einen Schneehaufen vom Bürgersteig räumt. Das Tauwetter und die Wetterprognose lassen die Hoffnung auf weiße Weihnachten schwinden. (FOTO: DPA)
Eine Weihnachtsmannpuppe scheint einen Mann zu beobachten, der einen Schneehaufen vom Bürgersteig räumt. Das Tauwetter und die Wetterprognose lassen die Hoffnung auf weiße Weihnachten schwinden. (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

Halle (Saale)/MZ. - Die Flocken-Romantiker

„Meistens kommen sie spontan.“ Brockenwirt Daniel Steinhoff kennt den Menschenschlag, der wegen der weißen Weihnacht in sein Hotel kommt. Es sind Leute aus großen Städten, meistens Pärchen. Zu den Gästen haben auch schon gestresste Manager und selbst Schriftsteller gehört. Ihnen gemeinsam, beschreibt Steinhoff, ist wohl dieser Wunsch: Raus aus dem Weihnachtstrubel, rein in den Schnee. Stammgäste allerdings gibt es am 24. Dezember nicht.

Mit etwas Glück, hofft Gastgeber Steinhoff, könnte sich wie vor einigen Jahren - kurz vor Sonnenuntergang - sogar eine der grandiosen Fernsichten einstellen: Dann reicht der Blick vom Hotelfenster bis zum Völkerschlachtdenkmal in Leipzig.

Der Wetter-Beobachter

Weiße Weihnacht ist für Matthias Glenk das halbe Jahr über. Er versieht seinen Dienst in der Wetterstation auf dem Brocken. Wenn sonst überall Geschenke ausgepackt werden, misst er Temperaturen und Windstärke. „Für mich ist erst ein Weihnachten ohne Schnee eine Sensation“, sagt der Meteorologe. „Die Wahrscheinlichkeit, dass hier oben alles in Weiß ist, liegt bei weit über 90 Prozent.“

Es gibt eine einfache Erklärung dafür. Die exponierte Lage des Berges sorge für ein geradezu alpines Klima, das sich beispielsweise in Bayern erst in 2 500 Metern einstellt. Stand von Dienstagabend: 71 Zentimeter Schnee. Und wie es aussieht, fällt das Quecksilber eher als es steigt. „Unten im Tal kann es natürlich schon ganz anders sein.“ Es wäre nicht das erste Mal, dass oben dichtes Schneegestöber herrscht und man unten in Wernigerode nichts von dieser Pracht ahnt. Der Rekord liegt übrigens bei 3,80 Meter - die Schneehöhe vom 14. April 1970.

Der Wetter-Papst

Über weiße Weihnachten entscheidet ein Schlagabtausch zwischen warmer Atlantikluft und frostiger Strömungen aus dem Osten. Wer die Oberhand behält, vermag Meteorologe Christian Schmidt vom Deutschen Wetterdienst in Leipzig nicht so recht vorherzusagen. „Die Tiefdruckautobahn ist geöffnet“, sagt Schmidt. Auf ihr schaufelt Atlantik-Tief Petra Warmluft nach Osten. Da hat das kalte Russland-Hoch Thomas schlechte Karten - es wird über Deutschland ausgebremst. Schnee zum Fest gibt es erst, sagt der Meteorologe, wenn Petra - oder eine Nachfolgerin - die Warmluft über dem Atlantik bindet und über Deutschland Platz schafft für den frostigen Thomas.

Die Chancen dafür: eher gering und damit anders, als vor einigen Tagen noch erhofft. Thomas und Petra werden sich wohl just über Sachsen-Anhalt kabbeln. „Das Wochenende wird lustig“, sagt Schmidt. „Es gibt ein Hin und Her.“ Die Kaltluft werde höchstens Polen und Mecklenburg-Vorpommern erreichen. Und damit bleibt für Sachsen-Anhalt Schmuddelwetter mit schwankenden Temperaturen um den Gefrierpunkt und in den Tieflagen höchstens mal Schneeregen. „Der Boden ist zu warm, da bleibt nichts liegen,“ sagt der Meteorologe. Aber auch gefrierender Regen und gefährlich glatte Straßen sind Anfang kommender Woche möglich. Schönen, frischen Schnee erwartet Christian Schmidt allenfalls in Lagen oberhalb von 800 Metern. „Auch im Harz wird die Schneedecke angeknabbert.“

Der Hollywood-Kritiker

Weihnachtsromantik ohne Schnee - das passt nicht. Alt-Bischof Axel Noack sagt: „Unser Weihnachtsbild ist stark durch Hollywood und die Medien geprägt.“ Untrennbar sei die Idee einer weißen Weihnacht mit dem amerikanischen Welthit „White Christmas“ verbunden. Seit Ende der 1940er Jahre dudelt das Lied in jedem Dezember als Dauerschleife. Letztlich sieht der Kirchenhistoriker das ganze Treiben aber gelassen.

„Wichtig ist, wenn die Menschen wenigstens an diesem Tag einmal zur Ruhe kommen.“ Sonst könne die Weihnachtsbotschaft bei ihnen nicht ankommen. Theologisch gesehen sei es unerheblich, ob es schneit oder nicht. In der Bibel jedenfalls finde er keinen Hinweis darauf, dass Maria und Joseph dereinst im Schnee unterwegs gewesen sind.

Die Schnee-Gegner

Es gibt auch Leute, die von White Christmas nichts hören wollen. Dazu gehören die Männer der Straßenmeisterei in Köthen. Stecken der Truppe um den Winterdienstbeauftragten Patrick Bartelt doch noch die Tag- und Nachteinsätze der vergangenen Woche in den Knochen. So viele Verwehungen, so viel Eisglätte - das reicht ihnen für den Anfang. Insofern lautet die Parole für die Feiertage: Schnee, nein Danke! Damit sprechen sie auch für die Besatzungen von landesweit 350 Winterdienst-Fahrzeugen, die bei Schneefall immer ausrücken müssen.

Pfarrer Andreas Schuster aus Wettin (Saalekreis) muss sich darauf verlassen können. Er predigt Heiligabend in vier verschiedenen Kirchen. „Viel Schnee kann ich da eigentlich nicht gebrauchen, sonst schaffe ich mein Pensum nicht.“ Auch Kinobetreiber und Theatermacher können sich mit weißen Weihnachten nicht anfreunden. Ihre Erfahrung: Bei Schneegestöber bleiben die Leute zu Hause und die Veranstalter auf Angeboten sitzen.

Der Reisetipp

Wer beim Schnee auf Nummer sicher gehen will, muss schon mindestens in die Alpen reisen. Dort wird vor dem Fest mit Neuschnee gerechnet, klirrend kalt wird es allerdings dort nicht. Für Sölden in Tirol werden über die Weihnachtstage Temperaturen um den Gefrierpunkt erwartet. Anders in der Hohen Tatra: Im slowakischen Poprad herrscht Dauerfrost unter minus zwei Grad. Der ist auch in Moskau garantiert, mit Werten zwischen minus 14 und minus zehn Grad an den Weihnachtstagen.

Wen es in die Ferne zieht, der findet in New York Weihnachts-Temperaturen knapp über null Grad, dazu Sonnenschein. In Paris ist es mit zehn Grad wärmer, dafür aber wolkig. Frühsommerlich warm wird es derweil auf Mallorca mit 18 Grad zu Heiligabend und auf Teneriffa mit 20 Grad - und Sonnenschein.

Teilweise geschmolzen der Schnee auf einer Wiese. Gibt es dieses Jahr weiße Weihnachten? (FOTO: DPA)
Teilweise geschmolzen der Schnee auf einer Wiese. Gibt es dieses Jahr weiße Weihnachten? (FOTO: DPA)
dpa