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Sieben Gründe Warum der NSU-Prozess so lange dauerte

08.07.2018, 06:23
Beate Zschäpe ist die Hauptangeklagte im NSU-Prozess.
Beate Zschäpe ist die Hauptangeklagte im NSU-Prozess. dpa

München - Nach gut fünf Jahren und mehr als 430 Verhandlungstagen wird im NSU-Prozess das Urteil gegen Beate Zschäpe & Co. gesprochen. Zwei oft gestellte Fragen: Warum erst jetzt, warum dauerte das so lange? Und: Warum ist das so teuer? Sieben Gründe:

Keine Beweise für Zschäpes Anwesenheit an den Tatorten

Beim NSU-Verfahren handelt es sich um einen der aufwendigsten Indizienprozesse der deutschen Nachkriegsgeschichte. Und das hat einen Grund: Es gibt bis heute keinen Beweis, dass Beate Zschäpe an einem der Mord- oder Anschlags-Tatorte war. Dennoch will die Bundesanwaltschaft, dass die heute 43-Jährige als Mörderin verurteilt wird. Das Gericht musste daher mit Hilfe unzähliger Indizien und Zeugenaussagen versuchen, sich ein eigenes Bild zu machen: Wie lief das Leben vor dem Abtauchen und dann im Untergrund ab? Musste Zschäpe alles wissen, was ihre Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt taten? Reichen die Indizien, um Zschäpe - wie dies die Anklage will - als Mittäterin verurteilen zu können, oder reichen sie nicht?

Ähnliches musste das Gericht auch bei anderen Angeklagten leisten: Ist der Weg der Mordwaffe so klar nachzuvollziehen, dass Ralf Wohlleben als Waffenbeschaffer wegen Beihilfe zum Mord verurteilt werden kann?

Gericht musste viele Verbrechen erst noch aufarbeiten

Das Gericht musste eine ganze Fülle von Verbrechen juristisch aufarbeiten - nicht nur die neun rassistisch motivierten Morde und den Mord an einer deutschen Polizistin, sondern auch zwei Bombenanschläge und mehr als ein Dutzend Raubüberfälle.

Viele Beteiligte im Verfahren

Auch die Zahl der Verfahrensbeteiligten sorgte dafür, dass das Verfahren länger dauerte. Fünf Angeklagte mit insgesamt 14 Verteidigern, dazu Dutzende Nebenkläger und deren Anwälte: Jeder durfte im Prozess eigene Rechte wahrnehmen, Anträge stellen und anderes. Bei den Nebenklägern handelt es sich um Angehörige der Mordopfer, aber auch um Menschen, die etwa bei einem der beiden Bombenanschläge teils selbst schwer verletzt wurden.

Pflichtverteidiger zogen das Verfahren in die Länge

Deutschland ist ein Rechtsstaat, in dem jeder Angeklagte in einem Gerichtsverfahren die gleichen Rechte genießt - egal ob er mutmaßlich Terrorist ist oder nicht. Und die Aufgabe von Pflichtverteidigern ist es, ihre Mandanten bestmöglich zu verteidigen. Natürlich ist es deren Recht und sogar deren Pflicht, Anträge zu stellen - auch wenn das Verfahren dadurch in die Länge gezogen wird.

Befangenheitsgesuche wurden ausgiebig in Anspruch genommen

Sorgt sich ein Angeklagter, ob ein Richter oder der gesamte Senat möglicherweise befangen ist, darf er ein Befangenheitsgesuch stellen. Dann müssen andere Richter darüber entscheiden. Zwangspausen sind die Folge. In bestimmten Phasen des Prozesses haben Angeklagte dieses Instrument allerdings sehr ausgiebig in Anspruch genommen - so dass sie sich den Vorwurf der Verzögerungstaktik gefallen lassen mussten. Das Gericht musste dennoch sauber damit umgehen.

Auch Krankheit verzögerte das Verfahren

Auch Erkrankungen von Angeklagten, eines Richters oder von Verteidigern sorgten manchmal dafür, dass Prozesstage ausfallen mussten. Gemessen an der Dauer des Verfahrens mit mehr als 430 Verhandlungstagen bewegte sich das aber sehr im Rahmen.

Kosten sind noch nicht fertig kalkuliert

Dass der Prozess sehr teuer ist, hängt mit der Dauer des Verfahrens und der hohen Zahl der Prozessbeteiligten zusammen. Pflichtverteidiger und Nebenklage-Anwälte müssen - so sieht es das Gesetz vor - aus der Staatskasse bezahlt werden, wenn das Gericht diese - wie geschehen - förmlich als Beistand bestellt. Hinzu kommen Kosten für Sicherheitsdienste, Technik im Gerichtssaal ud anderes. Und dann sind für die Ermittlungen zusätzlich gewaltige Kosten entstanden: Spurensicherung an allen Tatorten, DNA-Untersuchungen, Rechtsmediziner, Zeugenvernehmungen, Sachverständige. Diese Kosten sind noch gar nicht fertig kalkuliert. (dpa)