Vulkan auf Island Vulkan auf Island: Banges Warten auf Katla

Stockholm/MZ - Unweit von Islands wohl furchterregendstem Vulkan Katla an der Südspitze der Nordatlantikinsel liegt die Gemeinde Vik. Die zirka 300 Einwohner haben über viele Generationen mit dem grummeligen Nachbarn Katla gelebt. Nun, so ist man sich in Vik einig, sei es bald Zeit für den nächsten richtig großen Ausbruch des Megafeuerbergs. „Nicht mehr das Ob, sondern das Wann genau wird diskutiert“, sagen Ortsbewohner. Ihre Gewissheit nehmen sie aus der Geschichte ihres Ortes aber auch aus einem über viele Generationen geprägten Bauchgefühl.
80-Jahre-Rhythmus überschritten
Katla brach bislang in einem Rhythmus von weniger als 80 Jahren aus. Nun sind 95 Jahre seit dem letzten großen Ausbruch im Jahr 1918 vergangen. Damals gab es noch keine Düsenflugzeuge. Wenn Katla ausbricht, dann mit der zehnfachen Stärke des weitaus kleineren Nachbarvulkans Eyjafjallajökull, der 2010 den europaweiten Flugverkehr mit seinen Rauchwolken lahmlegte. Ein Ausbruch der „großen Schwester“ Katla soll Aschewolken deutlich höher in die Atmosphäre schießen können. Zudem liegt Katla unter mehr als doppelt so viel Gletschereis, es ist rund 500 Meter dick. Die Aschewolken von Katla, ein Gebräu aus Wasser und Lava, das vom Windstrom nach Europa transportiert wird, könnte demnach weitaus verheerender für den Flugverkehr, aber auch für das Weltklima sein.
Laut einer 2007 im schwedischen Wissenschaftsmagazin „Forschung und Fortschritt“ zusammengefassten Studie sollen bei früheren Ausbrüchen von Katla rund 100 Millionen Tonnen Schwefeldioxid in die Atmosphäre gelangt sein. Als „Höhenrauch“ und „trockener Nebel“ wurde dies in alten Aufzeichnungen isländischer Pfarrer beschrieben. Selbst der Naturforscher Benjamin Franklin schrieb im 18. Jahrhundert über die Folgen eines isländischen Vulkanausbruchs. Demnach hatte sich „ein konstanter Nebel über ganz Europa und große Teile Nordamerikas gelegt“.
Neben dem Ausbruchzyklus von Katla sind die Bewohner in Vik paradoxerweise von der seismologischen Ruhe, die seit März 2012 herrscht, beunruhigt. Normalerweise gehören kleinere Erdbeben zum ständigen Alltag. Schon vor früheren Ausbrüchen sei dies die Ruhe vor dem Sturm gewesen, befürchten sie. Vor dem Ausbruch selbst geben sich die Dorfbewohner tapfer. „Jeden Tag macht man sich nicht Sorgen. Wir leben nun mal in der Nähe eines Vulkans. Es gibt einen Evakuierungsplan, alle wissen genau, wo sie hin müssen“, sagt Ortsbewohner Eirikur Sigurdarson im schwedischen Radio.
Beim Ausbruch wird eine Alarm-SMS an sämtliche Ortsbewohner geschickt. Innerhalb von zwei bis drei Stunden nach dem Ausbruch muss alles evakuiert sein, erklärt Sigurdarson, der zum freiwilligen Rettungsteam gehört. Laut dem regelmäßig streng durchexerzierten Evakuierungsplan muss der gesamte Ort samt Anrainerhöfen bei einem Ausbruch innerhalb von 20 Minuten bis drei Stunden geräumt sein. 30 Minuten war die bisherige Bestzeit.
Gefahr durch Schmelzwasser
Ein Schutzwall soll das Dorf schützen, wenn beim Ausbruch der Gletscher Myrdalsjökull, in dem der Vulkan liegt, zu schmelzen beginnt und gewaltige Wassermassen freisetzt. Wie viel Wasser wirklich kommt, weiß man nicht vorher. Man hofft einfach, dass der Damm ausreicht, um das Dorf zu schützen. Die Lava ist nicht das erste Problem. Vulkane sind unberechenbar. Beim Eyjafjallajökull-Ausbruch 2010 war viel Gletschereis abgeschmolzen. Dennoch hofft Vik auf eine kleinere Flutwelle. Aber niemand kann sich sicher sein. „Abwarten und Tee trinken, mehr kann man nicht machen“, konstatiert Ortsbewohner Thorir Kiratanssons mit der für Isländer typischen Gelassenheit.