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Tarifkonflikt Verständnis und Kritik für Streiks im öffentlichen Dienst

Die zweite Gesprächsrunde in den Tarifverhandlungen des öffentlichen Dienstes bei den Kommunen und beim Bund steht an. Trotzdem - oder gerade deshalb - organisieren Gewerkschaften neue Warnstreiks kurz davor. Nicht alle Betroffenen haben Verständnis dafür.

Von dpa Aktualisiert: 22.02.2023, 22:57
Streikende stehen in der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt vor dem Streiklokal der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (verdi).
Streikende stehen in der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt vor dem Streiklokal der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (verdi). Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Hannover - Vor den nächsten Gesprächen mit den Arbeitgebern haben Gewerkschafter und Tarifbeschäftigte des öffentlichen Dienstes am Dienstag mit weiteren Warnstreiks in Niedersachsen ihre Forderung nach deutlich mehr Geld unterstrichen. Die Ausstände trafen erneut verschiedene kommunale Dienste wie Verwaltungen, Kitas, Kliniken, den Nahverkehr, die Abfallwirtschaft oder regionale Energieversorger, aber auch Arbeitsagenturen oder Forschungseinrichtungen des Bundes. Nach Angaben der Gewerkschaft Verdi beteiligten sich bis zum Nachmittag landesweit gut 14.000 Menschen, viele davon kamen zu Demonstrationen.

Die Resonanz auf den Warnstreikaufruf war demnach weitaus größer als noch bei den Aktionen Ende Januar. „Das hat uns Mut gemacht für morgen, und es zeigt, wie sauer die Leute sind“, hieß es aus der Bezirksleitung von Verdi. Am Mittwoch und Donnerstag soll in Potsdam weiterverhandelt werden. Bei den Arbeitgebern und beispielsweise bei Eltern, deren Kinderbetreuung ausfiel, gab es hingegen Kritik an den Warnstreiks.

Ein Schwerpunkt waren die Stadt und Region Hannover, wo laut Verdi rund 8200 Menschen an Kundgebungen teilnahmen. Bereits am frühen Morgen waren Straßenbahnen der hannoverschen Verkehrsbetriebe Üstra in ihren Depots geblieben. Anzeigetafeln an den Haltestellen hatten darauf hingewiesen, dass am Dienstag keine Busse und Bahnen fuhren.

In der zweitgrößten niedersächsischen Stadt Braunschweig folgten etwa 1700 Menschen dem Aufruf. Hier legten unter anderem Beschäftigte der Kliniken, der Verkehrsbetriebe BSVG, des Energieversorgers BS Energy und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt ihre Arbeit nieder.

Der örtliche Verdi-Geschäftsführer Sebastian Wertmüller kritisierte: „Ein Teil der Arbeitgeber scheint in einer anderen Welt zu leben.“ Dabei gebe es auch im öffentlichen Dienst Fachkräftemangel und Überlastung. Außerdem drücke die Inflation auf die Einkommen, es fehle teils an „Geld zum Tanken, für die Kinder oder den Urlaub“.

In dem Tarifstreit kam es bisher zu keiner nennenswerten Annäherung. Verdi und der Beamtenbund verlangen für die bundesweit rund 2,5 Millionen Tarifbeschäftigten im Bund und in den Kommunen eine Steigerung der Entgelte um 10,5 Prozent, mindestens aber um 500 Euro. Die Arbeitgeber weisen das als wirtschaftlich nicht tragbar zurück.

Die Gewerkschaften erklärten, das Einkommensplus sei wichtig, um die Reallöhne gegen die hohe Teuerung abzusichern. Das Ausmaß der Forderungen halten die kommunalen Arbeitgeber in Niedersachsen für überzogen - die Inflation sei mittlerweile etwas abgeflaut, und die angelaufenen Energie-Entlastungspakete blieben in der Betrachtung außen vor. Der Verband KAV, in dessen Präsidium auch Bürgermeister und Landräte sitzen, nannte den Gewerkschaftsaufruf kurz vor den nächsten Tarifgesprächen ein „Signal in die falsche Richtung“.

Viele Eltern von Kita-Kindern begegneten den Arbeitsniederlegungen mit gemischten Gefühlen. „Wir haben Verständnis für die Forderungen der Gewerkschaft“, sagte ihre Interessenvertreterin, Christine Heymann-Splinter, der Deutschen Presse-Agentur. „Gleichwohl möchten wir betonen, dass Warnstreiks zu Lasten der jungen Familien gehen.“

Diese seien schon durch die Maßnahmen in der Corona-Krise schwer gebeutelt - und zuletzt seien vielerorts noch Krippenbeiträge erhöht worden, während man die Betreuungszeiten teilweise stark gesenkt habe. „Das Letzte, was wir gerade gebrauchen können, sind Warnstreiks und die Einbußen im eigenen Verdienst der erwerbstätigen Eltern.“

Laut Verdi waren am Dienstag Ausstände auch in Lüneburg, Verden, Meppen und Emden oder in den Kreisen Hildesheim und Celle geplant. Die Kommunalgewerkschaft Komba hatte ebenfalls Aktionen ihrer Mitglieder angekündigt - etwa in Hannover, Braunschweig, Lüneburg und Hameln. In Bremen waren Klinikmitarbeiterinnen und -mitarbeiter dazu aufgerufen. Flughäfen wie Hannover-Langenhagen sollten nach den dortigen Warnstreiks am vergangenen Freitag ausgenommen sein, die Airport-Feuerwehren fallen ebenso in den öffentlichen Dienst.

Gewerkschafter deuteten bereits mögliche Folgeschritte an, sollte in dieser Woche kein aus ihrer Sicht passendes Tarifangebot vorgelegt werden. „Zunächst herrscht jetzt die Friedenspflicht, aber wir schließen weitere Maßnahmen nicht aus, falls die Fronten verhärtet bleiben“, hieß es bei Verdi in Hannover. Wertmüller kündigte für diesen Fall weitere Warnstreiktage an - „so beim ÖPNV, bei den Sozial- und Erziehungsdiensten und bei den kommunalen Krankenhäusern“.