Rechtsextremismus Urteile zu Neukölln-Komplex - Politiker: „wichtiges Signal“
Die Aufarbeitung einer rechtsextremen Anschlagsserie in Neukölln beschäftigt Polizei, Justiz und Politik. Nun müssen zwei Täter in Haft. Erledigt ist das Thema damit noch lange nicht.

Berlin - Die rechtskräftige Verurteilung zweier Rechtsextremisten im Kontext mit dem Neukölln-Komplex ist aus Sicht des Berliner Grünen-Politikers Vasili Franco ein „sehr wichtiges Signal“ an die Betroffenen. Die „hartnäckige Beweisführung“ der Generalstaatsanwaltschaft Berlin habe sich ausgezahlt. „Das ist ein kleiner Erfolg nach vielen Jahren, nachdem rechtsextreme Straftaten in Neukölln ungeahndet blieben“, sagte Franco der Deutschen Presse-Agentur.
Der Berliner Linke-Bundestagsabgeordnete Ferat Koçak, der als Betroffener Nebenkläger im Verfahren war, zeigte sich erleichtert. „Doch echte Gerechtigkeit gibt es erst, wenn allen Betroffenen Gerechtigkeit widerfährt“, sagte Koçak. „Aber wir dürfen nicht vergessen: Der Neukölln-Komplex war nicht das Werk von zwei Personen. Die Behörden haben über Jahre hinweg schwere Versäumnisse und Fehler eingestanden.“
U-Ausschuss berät über Bericht
Beleuchtet werden diese Defizite von einem Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses. Dieser hat in mehr als drei Jahren 100 Zeuginnen und Zeugen zu der rechtsextremen Anschlagsserie befragt, darunter Vertreter aus Polizei, Justiz und Verfassungsschutz. Nun sitzen die Mitglieder am Entwurf für den Abschlussbericht. Über diesen soll nach der Sommerpause des Parlaments beraten werden, wie der Ausschussvorsitzende Franco sagte.
Nur ein Bruchteil der Taten angeklagt
Vor Gericht ging es jeweils nur um einen Bruchteil rechtsextremer Straftaten, die Ermittlungsbehörden seit 2013 in Neukölln gezählt hatten. Erst im Jahr 2021 hatte die Generalstaatsanwaltschaft Berlin Anklage erhoben zum sogenannten Neukölln-Komplex, der auch über die Hauptstadt hinaus für Schlagzeilen gesorgt hat. Zentraler Punkt waren zwei Brandstiftungen.
Nach Überzeugung des Landgerichts haben Sebastian T. (38) und Tilo P. (42) Anfang Februar 2018 Brandanschläge auf zwei Autos verübt. Diese gehörten einem Buchhändler und Koçak, die sich gegen Rechtsextremismus einsetzten.
Ladung zum Haftantritt
Anders als noch das Amtsgericht sah die Berufungsinstanz im vergangenen Dezember ausreichend Beweise dafür und verurteilte Sebastian T. zu drei Jahren und sechs Monaten Haft. Tilo P. erhielt zwei Jahre und zehn Monate. Neben der gemeinschaftlichen Brandstiftung sprachen die Richter die Männer aus der rechtsextremen Szene - der eine war in der NPD, der andere zeitweise AfD-Mitglied - wegen einer Reihe weiterer Taten schuldig.
Die Revision der Männer gegen ihre Verurteilung blieb ohne Erfolg. Das Berliner Kammergericht bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz. Sebastian T. und Tilo P. müssen nun in Haft. In den nächsten Wochen dürfte ihnen die Ladung zum Haftantritt zugeschickt werden. Die Staatsanwaltschaft arbeite mit Hochdruck an der Vollstreckung, sagte ein Behördensprecher.