Urteil Urteil: Hohe Haftstrafen im Prozess gegen «XY-Bande»

Neuruppin/dpa. - Der mutmaßliche Bandenchef Olaf Kamrath(38) erhielt zwölf Jahre, zwei 38 und 37 Jahre alte Komplizen müssenjeweils für neun Jahre ins Gefängnis. Damit blieb das Gericht zwarunter den von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafen von 11 bis14 Jahren, ging aber deutlich über die Vorstellungen der Verteidigung hinaus.
Die Verurteilungen ergingen wegen illegalen Glücksspiels sowiebandenmäßigen Handels mit Drogen «in nicht unerheblicher Menge». Fürdrei weitere Mitangeklagte gab es Haftstrafen zwischen drei und achtJahren; einer wurde freigesprochen. Die Anklage hatte für sie Strafenzwischen vier und achteinhalb Jahren gefordert. Seit Anfang Mai 2005hatte das Landgericht an 83 Prozesstagen rund 140 Zeugen, dreiSachverständige und die Angeklagten gehört.
Sie seien eine «sehr vertraute Gemeinschaft» gewesen und hättensich zum Teil als «Familie» bezeichnet, sagte der Vorsitzende RichterGert Wegner bei der rund vierstündigen Urteilsbegründung. Um ihreZusammengehörigkeit zu demonstrieren, hätten sich die mutmaßlichenMitglieder hinter das Ortskennzeichen ihrer Auto-Nummernschilder dieBuchstaben «XY» setzen lassen.
«Wir halten das Urteil sowohl in der Strafhöhe als auch in derBegründung für angemessen», kommentierte ein Staatsanwalt. Bei derVerkündung des Strafmaßes für die Hauptangeklagten ging ein Raunendurch die Zuschauer, die Betroffenen selbst nahmen das Urteiläußerlich unbeeindruckt entgegen. Die Verteidigung hatte Urteile vonFreispruch bis «deutlich unter zehn Jahren» gefordert.
Nach Auffassung des Gerichts handelte es sich um eine Bande, nichtjedoch um eine kriminelle Vereinigung. Wegner fühlte sich an mafiöseStrukturen erinnert. Zeitweise wurde gegen mehr als 100 Personenermittelt. In den frühen Morgenstunden des 18. August 2004durchsuchten nach jahrelangen Ermittlungen 400 Polizeibeamte mehr als50 Gebäude in ganz Deutschland.
Richter Wegner attestierte der Potsdamer Staatsanwaltschaft, dasssie viel früher hätte zugreifen können: Schon im Jahr 2000 habe deroberservierte Hauptbeschuldigte, der frühere Neuruppiner CDU-Stadtverordnete Kamrath, Kokain verkauft. Hauptsächlich ging es umDrogen, Glücksspiel und Bestechung. Die Männer hätten versucht,«staatliche Institutionen unter ihre Kontrolle zu bringen», stellteWegner fest.
Die drei Hauptangeklagten seien «recht skrupellose Geschäftsleute»gewesen, die einen «hemmungslosen Handel mit Kokain in hohen Mengen»betrieben hätten. Insgesamt sei es sich um Drogen im Wert von 599 000Euro gegangen. 76 290 Euro davon fließen wieder zurück an dieStaatskasse - Geld aus dem restlichen Vermögen eines 38-jährigenHauptangeklagten.
Ein Streifenpolizist wurde in dem Verfahren bereits wegenDrogendelikten und Verletzung des Dienstgeheimnisses zu eineinhalbJahre Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Laut einerGerichtssprecherin ist dieses Urteil allerdings noch nichtrechtskräftig. Auch drei weitere Beschuldigte, darunter der ehemaligeGrundstücksamtsleiter von Neuruppin, wurden inzwischen verurteilt.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft sind weitere Verfahren gegenmutmaßliche Rand- und Nebenfiguren der «XY-Bande» noch nichtabgeschlossen, Überraschungen seien allerdings nicht mehr zuerwarten.