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Umfragen Umfragen: Wenn es um Sex geht, lügen Menschen wie gedruckt

Von Carina Frey 09.12.2009, 08:48
Wenn es um Sex geht, lügen Menschen in Umfragen «wie gedruckt»: Grund ist nicht zuletzt Prahlerei. (FOTO: DPA)
Wenn es um Sex geht, lügen Menschen in Umfragen «wie gedruckt»: Grund ist nicht zuletzt Prahlerei. (FOTO: DPA) dpa

Mannheim/dpa. - Der «Steppenwolf» macht sexy. Und jede dritteFrau wird schwach, wenn Männer ein Kochbuch auf dem Nachttisch liegenhaben. Genauso viele Männer stehen auf Soldatinnen. Reden diese beimersten Date über Schuhe oder Sex, ist der Mann aber besser skeptisch:Denn 57 Prozent der Frauen lügen, wenn es um die Anzahl ihrerbisherigen Bettpartner oder den Kaufpreis ihrer Schuhe geht. Umfragenbringen manchmal Erstaunliches zutage. Eine ordentliche PortionSkepsis gegenüber solchen Daten ist allerdings angebracht.

Erstaunlich ist zum Beispiel, dass deutsche Männer Island alsTraumziel entdeckt haben. Das ist das Land hoch im Norden, in dem esim Winter kaum hell wird und in dem die Sommertemperaturen beidurchschnittlich 10 bis 13 Grad liegen. Hört sich kalt an, ist esauch. Trotzdem würde fast jeder vierte Mann für die Liebe nach Islandauswandern, ergab eine Umfrage einer isländischen Fluggesellschaft.Finden deutsche Männer Island wirklich so toll? Oder will die Airlinesie vor allem dorthin fliegen?

«Sie können so suggestiv fragen, dass Sie jede Antwort bekommen»,sagt Prof. Jürgen Hoffmeyer-Zlotnik vom Leibniz-Institut fürSozialwissenschaften in Mannheim. Deswegen dürfte zur Antwort nie dieFrage fehlen - mitgeliefert wird sie allerdings selten. Eine Frageallein reicht aber nicht. Denn die zuvor gestellten Fragen können dieAntworten genauso beeinflussen, erklärt Prof. Walter Krämer vomInstitut für Wirtschafts- und Sozialstatistik der Uni Dortmund.

Wer seine These bestätigt haben will, stellt die Fragen besser so,dass ihm ein «Ja» hilft. «Denn Menschen sind lieber für etwas alsdagegen», sagt Krämer, der mehrere Bücher zum Umgang mit Statistikenund Umfragen geschrieben hat.

Möglicherweise kam so auch das Ergebnis zustande, dass 91 Prozentder Männer und 80 Prozent der Frauen Swingerclubs reizvoll finden.Zum Thema Sex gibt es kaum ein Thema, das nicht per Umfrage geklärtwird. So haben Akademiker ihr Erstes Mal später als Nicht-Studierte.46 Prozent der Paare in Deutschland sind mit ihrem Sexlebenunzufrieden. Und jedes fünfte Paar (21,1 Prozent) versucht, seinLiebesleben mit Erotikartikeln und Pornofilmen in Schwung zu bringen.

Wer hat wen befragt? Auch das beeinflusst die Antworten. Befragteine Frau einen Mann zur Sexualität, «wird angegeben, was das Zeughält», sagt Prof. Krämer. Da Sexualität mit Scham zu tun hat,beruhten viele Daten dazu auf schriftlichen Umfragen, erklärt Prof.Hoffmeyer-Zlotnik. Antworten die Leute dabei aufrichtig? Der Expertespricht von einer «subjektiven Ehrlichkeit» - die Leute glauben also,was sie sagen, auch wenn das nicht den Tatsachen entspricht.

Prof. Krämer ist deutlich skeptischer: «Bei allen Umfragen zuemotional besetzten Themen lügen die Teilnehmer wie gedruckt.»Prahlerei ist ein Grund dafür, ein anderer, dass die Leute meinen, soantworten zu müssen, wie es gesellschaftlich erwartet wird. EineUmfrage aus Großbritannien habe ergeben, dass dort weit mehrverheiratete Frauen lebten als Männer, erzählt Krämer. Der Grund: DieAntwort wurden den jeweiligen Standards von Schicklichkeitbeziehungsweise Männlichkeit angepasst.

Ist der Wunsch, gesellschaftlichen Erwartungen zu entsprechen, derGrund dafür, dass es jeder zweite Single beeindruckend findet, wennder Date-Partner beim Warten klassische Werke liest? Möglicherweiseresultiert daraus auch, dass die Mehrheit der Männer erklärt, Stressmit Sport (70 Prozent) statt mit Alkohol (30 Prozent) zu bekämpfen.

Für keine Umfrage können alle Bundesbürger befragt werden. MancheAuftraggeber streben das auch gar nicht an. Für den«Liebestrendmonitor» etwa befragt Elitepartner.de in der RegelMitglieder - per Newsletter oder auf der Homepage, sagt Anna Kalischvon der Partnervermittlung. Auch Lovepoint.de befragt Mitglieder.Statt die Aussagen auf alle Frauen zu übertragen, müsste es alsoheißen: 68 Prozent der weiblichenPartneragentur-Mitglieder, die ander Umfrage teilgenommen haben, stehen auf Sexspielchen.

Soll die Bevölkerung dargestellt werden, wird in der Regel eineStichprobe gezogen, die alle Bevölkerungsgruppen repräsentiert.Kontaktieren die Interviewer die ausgewählten Personen per Telefon,stehen die Chancen dafür recht gut. «99 Prozent der Leute sind heuteper Telefon erreichbar», sagt Krämer. Anders sieht das beiOnline-Umfragen aus. Laut der ARD/ZDF-Offlinestudie 2009 nutzen 32,9Prozent der Bundesbürger das Internet nicht. Häufig sind es ältereund nicht-berufstätige Menschen. Sie fallen in Online-Umfragen raus.

Basis für Online-Umfragen sind sogenannte Access-Panel - großeGruppen von Freiwilligen, erklärt Hoffmeyer-Zlotnik. «Es sindBefragungsbereite, die für die Bevölkerung stehen sollen. Sie tun esaber nicht.» Es handele sich um eine selektive Auswahl, die verzerrteErgebnisse produziert.

Doch dieses Problem besteht nicht nur bei Online-Umfragen. Auch amTelefon mag nicht jeder seine Meinung sagen. Es gebe zwei Typen, diesich vermehrt an Umfragen beteiligen, sagt Prof. Krämer: «Das sindMenschen, die es gewohnt sind, auf Befehl zu handeln. Und solche,denen ein Thema besonders wichtig ist.»

Literatur: Walter Krämer: So lügt man mit Statistik, Piper, ISBN:978-3-492-23038-4, 8,95 Euro. Wer tiefer einsteigen will: RainerSchnell u.a.: Methoden der empirischen Sozialforschung, Odenbourg,ISBN: 978-3-486-58708-1, 24,80 Euro.