U-Bahn-Bau U-Bahn-Bau: Der Kölner Dom wackelt

Köln/MZ. - Die U-Bahn, die seit Anfang Dezember an der Nord-Ost-Seite der gotischen Kathedrale vorbeifährt, löst am Gebäude Erschütterungen aus. Obendrein sind in dem Gotteshaus Bahngeräusche zu vernehmen. „Die Auswirkungen werden gespürt, gemessen, gehört“, sagte der Hausherr der Kirche, Dompropst Norbert Feldhoff.
Die Verantwortlichen des Kölner Dom hatten die Folgen des unterirdischen Bahnbetriebs bereits vor Weihnachten bemerkt. Anfang des Jahren wandten sie sich in einem Alarmbrief an Oberbürgermeister Jürgen Roters und den Chef der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB), Jürgen Fenske. Am Mittwochmorgen traf man sich zum Ortstermin. Das Ergebnis: Alle Beteiligten bestätigten die Bebeobachtungen des Dompropstes.
Jedes Mal, wenn eine U-Bahn naht, sind Geräusche zu hören und Vibrationen spürbar. Diese lassen sich laut Feldhoff auch durch erste seismologischen Messungen der Erdbebenstation Bensberg nachweisen, die 2010 im Rahmen eines Forschungsvorhabens fünf Messstationen im Dom installiert hat.
Zu „unmittelbarer Sorge“ bestehe kein Anlass, so der Dompropst weiter; allerdings könnten langfristige Gebäudeschäden nicht ausgeschlossen werden. Daher wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die das weitere Vorgehen koordinieren soll: Beweissicherungen werden vorgenommen, die Messergebnisse der Erdbebenstation detaillierter ausgewertet, externe Schallgutachter hinzugezogen. In etwa drei Wochen will die Runde Ergebnisse ihrer Arbeit vorlegen und das weitere Vorgehen vereinbaren. Die KVB ordnete als Sofortmaßnahme an, dass die Bahnen künftig nur noch mit 20 Stundenkilometern statt wie bisher mit Tempo 30 fahren dürfen.
Die Bahnen der Linie 5 fahren nicht durch die für die Nord-Süd-Bahn angelegten neuen Röhren, sondern durch einen alten Tunnel, der bereits beim ersten Kölner U-Bahn-Bau Ende der 1960er Jahre gegraben wurde. „Eine bestehende Verbindung zwischen dem alten Bestandstunnel und dem Domfundament ist nicht auszuschließen und könnte das Problem verursachen“, sagte KVB-Sprecherin Gudrun Meyer. Um das zu klären, sollen die Baupläne des alten U-Bahn-Tunnels und der im Jahr 2000 fertiggestellten Dom-Schatzkammer ausgetauscht überprüft werden. Erst dann lässt sich genau sagen, wie viele Meter der U-Bahn-Tunnel vom Fundamt des Anbaus entfernt ist.
Die U-Bahnen machen sich nach den Worten Feldhoffs erheblich deutlicher bemerkbar als die Zügen aus dem benachbarten Hauptbahnhof: „Der Unterschied ist in etwa so, ob ich einen Mann mit einem Messer auf der gegenüberliegenden Straßenseite sehe oder er der Mann mir das Messer an den Hals hält.“
Die KVB will alles tun, um die Auswirkungen des Bahnbetriebs so zu verringern, dass dieser weder das Gebäude schädigt, noch die Gottesdienste stört. Als erste Maßnahme wurde die Geschwindigkeit der Bahnen von 30 auf 20 Stundenkilometer reduziert.
Anlass zur Sorge um das Kölner Weltkulturerbe besteht derzeit nicht. „Man sollte den Ball zunächst flach halten“, sagte Prof. Klaus-G. Hinzen, der die 15 Kilometer östlich von Köln gelegene Erdbebenstation in Bensberg leitet. Die Wissenschaftler haben im Dom fünf Seismometer installiert, um Bodenerschütterungen zu messen, wenn im Rheinland die Erde bebt; das geschieht immer wieder mal. Seit der Eröffnung des neuen U-Bahn-Abschnitts habe sein Team „nichts registriert, was dramatisch anders aussieht, als das, was wir vorher registriert haben“, so Hinzen. Es sei gut möglich, dass sich auch die ein oder andere Vorbeifahrt einer U-Bahn in den Messergebnissen niederschlage. „Aber wir registrieren eben auch all die Züge, die im nahe gelegenen Hauptbahnhof vorbeifahren.“ Für konkretere Aussagen bedürfe es einer genauen Auswertung der Daten. Das eigene Glockengeläut, insbesondere des gewaltigen „Decken Pitter“, lasse den Dom jedenfalls weitaus mehr vibrieren als jeder Bahnverkehr.
Die Erschütterungen im Dom sind ein weiteres Kapitel in der Geschichte der Schäden, die das Milliardenprojekt Nord-Süd-Stadtbahn anrichtet. Bereits bei Vorarbeiten neigte sich im September 2004 der Turm der Kirche St. Johann Baptist in der Kölner Südstadt. Im März 2009 stürzte das Historische Archiv ein und riss zwei Menschen mit in den Tod. Dass sich die Kosten für den Prestigebau nahezu verdoppelt haben, ist darüber fast schon in Vergessenheit geraten.